Struktur und Funktion der Gespr�che in Thomas
Manns Zauberberg |
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Der Feststellung,
dass nicht nur Phantasie und Ideenreichtum,
sondern auch die nahezu vollkommene Beherrschung
des k�nstlerischen Handwerks Thomas Mann zu
einem der wichtigsten Vertreter der deutschen
Literatur im 20. Jahrhundert gemacht haben,
d�rfte kaum widersprochen werden. Auf einen
Aspekt dieses k�nstlerischen K�nnens hat Walter
Jens im Thomas-Mann-Jahr 1975 erneut hingewiesen,
und zwar im Zusammenhang mit einem der gro�en
Lehrmeister Manns, Theodor Fontane. In Jens'
Rede von Thomas Mann als "dem letzten deutschen
Schriftsteller" [1] hie� es, die Verwandtschaft
zwischen beiden Autoren lie�e sich au�er an der
Ironie vor allem an der Gespr�chsf�hrung
nachweisen. Jens f�gt freilich hinzu: "Das Thema 'Fontane und Thomas Mann' wartet noch auf seinen Bearbeiter. Zu einer vergleichenden Untersuchung fehlen in der Tat Vorarbeiten �ber wichtige Aspekte der Romantechnik bei jedem einzelnen der beiden Autoren. Als Ansporn dazu m�chten wir hier einen Einstieg in das Problem der Gespr�chskunst versuchen, indem wir die strukturelle Vielfalt und unterschiedliche Leistung der Gespr�che in Thomas Manns Zauberberg analysieren. Wenn aus diesem Ansatz die Wichtigkeit einer umfassenderen Untersuchung der Gespr�che hervorgehen w�rde, so h�tte dieser Beitrag sein Ziel erreicht. [2] Aus verst�ndlichen Gr�nden haben wir unter den zahlreichen Gespr�chen im Zauberberg-Roman eine Auswahl treffen m�ssen, die von der einf�hrenden und exemplarischen Absicht dieses Aufsatzes bestimmt wurde. |
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Fast das ganze erste Kapitel des Zauberberg wird von Dialogpartien zwischen Hans Castorp und dem Vetter Joachim Ziem�en durchzogen. Das Gespr�ch f�ngt an, noch bevor der Ank�mmling aus dem Zug gestiegen ist, es setzt sich w�hrend der Fahrt zum Sanatorium und dann in den R�umen der Anstalt fort. Der Inhalt dieses Gespr�chs l�sst sich vorhersagen: Woraus soll die Unterhaltung zwischen� einem neu angekommenen Besucher und einem ihm verwandten, schon eingeb�rgerten Patienten anders bestehen als aus gegenseitigen Mitteilungen �ber das eigene Befinden sowie Fragen und Antworten �ber den neuen bzw. schon vertrauten Aufenthaltsort? Wir haben es hier tats�chlich mit einer Vermittlung von Informationen, mit einem pragmatischen Orientierungsdialog zu tun, worin Hans Castorp nat�rlich vorwiegend die Rolle des Fragenden �bernimmt, dem Joachim bereitwillig Auskunft erteilt. So fungiert das erste Gespr�ch als Einf�hrung in die Verh�ltnisse des Patienten Ziem�en. Es begleitet als solche erl�uternd und im geistigen Bereich die physische Ankunft Hans Castorps in der Anstalt sowie das Wiedersehen mit dem Vetter. Geht man aber mit dieser Feststellung im Kopf den Text noch einmal durch, so zeigt sich, dass sich der Dialog nicht in dieser rein informativ-pragmatischen Funktion ersch�pft. Erstens f�llt auf, dass Joachim den konkreten, situationsbezogenen Fragen und Bemerkungen seines Vetters �fters mit allgemeinen, tiefsinnigen Antworten und Reflexionen entgegnet. Man denke an seine Ausf�hrungen zum Zeitgef�hl im Sanatorium, zur Krankheit und zum Tode. Hans Castorp bemerkt dies schon schnell, zumal Joachim � wie sich sp�ter herausstellt � eigentlich gar nicht reflexiv veranlagt ist. Durch seine Redeweise illustriert Joachim den sonderbaren Einfluss, der vom Zauberberg ausgeht, und bereitet er Hans Castorp ungewollt auf dessen eigene Entwicklung, die viel weiter gehen wird, vor. Zun�chst reagiert Hans Castorp noch naiv, ganz von seiner flachl�ndischen Geisteshaltung aus: Er macht sich �ber das ihn Befremdende lustig und lacht aus vollem Halse. Allm�hlich aber macht sich auch in seiner Rede der Einfluss des Zauberbergs bemerkbar, wenn der Held sich dessen auch noch sofort bewusst wird. "August, August!" sagte Hans Castorp. "Aber mich friert! Mich friert abscheulich, n�mlich am K�rper, denn im Gesicht bin ich auffallend echauffiert, � da, f�hle doch mal, wie ich brenne!" �� Diese Zumutung, man solle sein Gesicht bef�hlen, passte ganz und gar nicht zu Hans Castorps Natur und ber�hrte ihn selber peinlich. Joachim ging auch nicht darauf ein... (16)* Damit ist ein Moment angedeutet, das f�r sp�tere Dialoge zwischen Hans und Joachim charakteristisch sein wird: Durch seine eigenwillige und spontane Redeweise wird sich Hans Castorp immer mehr von seinem im Grunde weniger angegriffenen Vetter entfremden. Einen zweiten Grund f�r eine erweiterte Funktionsbestimmung des Gespr�chs bildet die symbolische Bedeutung, die in verschiedenen �u�erungen von Hans wie von Joachim enthalten ist. Schon Hans Castorps erste Aussage erm�glicht eine solche Doppellekt�re: "Ich bin aber noch nicht da." (9) Dies ist einmal w�rtlich zu nehmen: Hans glaubt, dass der Zug noch weiterfahren wird. Zugleich aber ist diese �u�erung als Symbol f�r seine geistige Verfassung zu verstehen. Das Patrizier-S�hnchen ist nach dem gerade beendeten Ingenieurstudium noch nicht fertig, um ins Leben einzutreten. Seine wirkliche Bildung muss er noch erfahren. � Ein weiteres Beispiel f�r den situations�bersteigenden Charakter des Dialogs: Joachim Ziemssen sagt auf Seite 11 in bezug auf das Zeitempfinden in der Anstalt: "Die springen hier um mit der menschlichen Zeit, das glaubst du gar nicht. Drei Wochen sind wie ein Tag vor ihnen." Der letzte Satz erinnert an 2 Petrus 3,8, "da� ein Tag vor dem Herrn wie tausend Jahre ist und tausend Jahre wie ein Tag." Mit der Verwendung dieses Bibel-Anklangs im Dialog wird ein ganzer thematischer Komplex des Romans vorweggenommen: die gefahrvolle Atmosph�re eines Aufenthalts im Zauberberg mit seinem gef�lschten Zeitbewusstsein. Der Dialog zwischen Hans Castorp und Joachim Ziem�en im ersten Kapitel des Romans erf�llt also eine doppelte Funktion. Einmal f�hrt er den Leser in faktische Verh�ltnisse und Empfindungen des Sanatoriums bzw. der Figuren ein. Zum andern gibt er dem Leser durch die Abweichung vom nur-pragmatischen Gespr�ch den Hinweis, dass der Roman auf eine tiefere, symbolische Bedeutung hin gelesen werden will. [3] |
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Am Anfang des dritten Kapitels findet sich zun�chst wieder ein pragmatischer Orientierungsdialog zwischen Hans und Joachim, in dem Information �ber die Patienten vermittelt wird. Es folgen einige indirekt wiedergegebene Fetzen der Tischkonversation. Interessanter ist das Gespr�ch bei der Begegnung der Vettern mit Hofrat Dr. Behrens (50f.), wovon merkw�rdigerweise nur Behrens' langer Monolog wiedergegeben wird. Hatten die bisherigen Ausf�hrungen informative und reflektierende, also handlungsbegleitende Funktion, so findet sich in diesem Dialog erstmals eine Aussage, die selbst Handlungswert hat. Dr. Behrens macht Hans Castorp den Vorschlag, w�hrend des Aufenthalts ganz die Gewohnheiten eines Patienten anzunehmen. Dieser Rat wird Castorps Verbundenheit mit dem Zauberberg stark Vorschub leisten. Eberhard L�mmert [4] nennt solche entscheidende, isolierte �u�erung eine 'handelnde Aussage' und hebt sie damit von den 'handlungsbezogenen Aussagen'', die bis jetzt vorgekommen sind, ab. Der weitere Dialog zwischen den Vettern hat aufs neue diesen situationsbegleitenden und -kommentierenden Charakter. Hans verh�lt sich dabei heiter und gespr�chig, Joachim eher nachdenklich und schweigsam. Castorps Reaktion auf die Haltung seines Gespr�chspartners hat sich aber ge�ndert: Sein fr�heres Staunen �ber die �u�erungen des Vetters ist einem wohlwollenden Verst�ndnis f�r dessen Reflexionen gewichen. Er versichert ihm: "Ich habe schon sehr viel Interesse gefasst f�r euch hier oben, und wenn man sich interessiert, nicht wahr, dann kommt das Verstehen von selber..." (56) Nicht nur Castorps Haltung als H�rer ist anders geworden, auch als Sprecher hat er sich verwandelt. Er stellt jetzt selber Fragen nach Dingen, die weniger von momentanem und situationsbezogenem Interesse sind, so dass das Gespr�chsthema wirklich bis 'hinter die Kulissen' (59) reicht. Auch bei der Erz�hlung �ber Hujus und das Sterbesakrament ist er voller Interesse, ernsthaft und attentiv. Dieser Dialog dokumentiert also auf anschauliche Weise, auch in seiner Struktur, Hans Castorps Wandlung im Sinne eines zunehmenden Gebanntseins durch die Welt des Sanatoriums. In der dialogischen Beziehung �bernimmt Hans Castorp allm�hlich die anf�ngliche � reflexive � Position seines Vetters, w�hrend dieser die nicht-begreifende, etwas dumpfe Ausgangsposition des Ank�mmlings einnehmen und fortsetzen wird. |
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Das erste Gespr�ch mit Settembrini (61) f�ngt in der Manier einer kunstvollen Konversation an, weitet sich aber rasch zu einer Behandlung von allgemeineren Themen aus. Settembrini redet von Literatur, Humanismus und Moral, ohne deshalb� seine lebhafte und individuelle Sprechweise aufzugeben, was Hans Castorp zu der Charakterisierung 'Sonntagspredigt in leichtem und scherzhaftem Playderton' veranlasst (64). Castorp h�rt zun�chst nur schweigsam, weil von dieser Wortlawine best�rzt, zu. Doch macht sich die Wirkung der Rede Settembrinis schon schnell bemerkbar: Sobald er wieder mit Joachim allein ist, f�ngt er ihm gegen�ber zu philosophieren an. Die generelle Funktion der Gespr�che mit Settembrini besteht tats�chlich in der Erweiterung und Vertiefung der Erfahrungs- und Gedankenwelt des Helden und damit auch der Thematk des Romans. Neben den 'handlungsbezogenen' und den 'handelnden' Aussagen findet man hier die dritte von L�mmert [5] beschriebene Kategorie wieder: die 'vorganglose' Aussage, die abstrakte, zeitlose Er�rterung oder Feststellung. In den philosophierenden Worten Hans Castorps best�tigt sich bereits, was wir �ber die wandelnde Haltung Joachims festgestellt haben: Der Vetter reagiert nicht-begreifend und erstaunt: "H�r Mal, was hast du denn? Ich glaube, es greift dich an hier bei uns?" (71) Dass die Vettern ihre Positionen gegenseitig gewechselt haben, wird vollends im folgenden Abschnitt deutlich: ... Aber wir reden so unangenehmes Zeug", sagte er [Joachim] mit bebender Stimme und brach ab; worauf Hans Castorp nur mit den Achseln zuckte, und zwar ganz so, wie er es gestern abend zuerst bei Joachim gesehen hatte. (77) In dem 'Herr Albin' �berschriebenen Abschnitt findet sich im Polylog mit und um Herrn Albin ein reines Beispiel von Konversation (in engem Sinne, als eine Sonderform des Gespr�chs und nicht als Oberbegriff f�r Gespr�ch verstanden). Es wird hier nur gesprochen um des Sprechens willen, zur 'Unterhaltung', wie Joachim sagt (88). Die nerv�se Gespanntheit der ganzen Atmosph�re ist nur k�nstlich, nur Schein, in Wirklichkeit ist dieses Gespr�ch freibleibend. Die Sprecher reden hypothetisch und 'unverantwortlich', letzteres unter Ber�cksichtigung des Gespr�chsgegenstands Selbstmord in einem doppelten Sinn: Ihr Gerede engagiert sie zu nichts und ist angesichts des heiklen Themas Selbstmord unangemessen, wenn nicht moralisch verwerflich. Es folgt ein zweites Gespr�ch zwischen Hans Castorp und Settembrini. Wo er beim ersten Gespr�ch nur ab und zu bescheiden geantwortet hatte, redet Hans Castorp jetzt, physisch wie psychisch von den Einfl�ssen des Zauberbergs angegriffen, geschw�tzig und unzusammenh�ngend darauf los. Wiesehr Castorp seine fr�here, gradlinige Haltung verloren hat, wird daraus ersichtlich, dass er Settembrinis Rat, er solle abreisen, sofort zur�ckweist (92), w�hrend er doch kurz zuvor Joachim gegen�ber selber die Abreise erwogen hat! (88) Und bemerkenswert ist, dass Hans Castorp bei der Zur�ckweisung von Settembrinis Rat genau das Argument �bernimmt, das sein Vetter gegen seinen eigenen Abreisewunsch verwendet hat: Man k�nne nach dem ersten Tage noch nicht urteilen (88/92). Eine bessere Illustration f�r die Tatsache, dass Hans Castorp die Position Joachims und somit eines Patienten einnimmt, ist kaum denkbar. Die im dritten Kapitel gef�hrten Gespr�che haben also verschiedene Funktionen: Neben den schon vertrauten 'handlungsbezogenen Aussagen' finden sich 'handelnde Aussagen' (Gespr�ch mit Behrens, zweites Gespr�ch mit Settembrini) und 'vorganglose Aussagen' (Settembrini und Castorp); zudem machten wir mit einer Konversation, einer Plauderei Bekanntschaft. Die gemeinsame Leistung fast aller Gespr�che liegt in deren Zeitigung bzw. Veranschaulichung von Hans Castorps (wachsender) Verbundenheit mit der Welt des Zauberbergs. ![]() |
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Das vierte Kapitel ist im
Hinblick auf die hier eingenommene Perspektive
vor allem durch die Gespr�che mit Settembrini
wichtig. Das erste dieser Gespr�che (101ff.)
wird zun�chst indirekt wiedergegeben und findet
seinen Ausgangspunkt in einer Klage Settembrinis
�ber die fehlende Heizung bei schlechtem Wetter.
Von diesem situationsgebundenen Anlass aus kommt
Settembrini auf seinen verstorbenen Vater zu
sprechen (womit an die erste Komponente seines
eigenen Wesens, die Literatur, angeklungen wird)
� er ergeht sich aber rasch wieder in seiner 'klatschs�chtigen
Medisance' [6] �ber Eingesessene der Anstalt.
Hans Castorp ergreift darauf die Gelegenheit,
�ber die Unbildung der Frau St�hr zu klagen. Die
von ihm eher beil�ufig ge�u�erte Auffassung �ber
Krankheit als etwas Ehrw�rdiges wird zum Anlass
f�r Settembrinis erstes gr��eres Lehrgespr�ch,
eben �ber die Krankheit. Hier tritt ein
wichtiger Unterschied zwischen den beiden
Gespr�chspartners zutage. W�hrend Hans Castorp
im Gespr�ch kritiklos mit irgendwo
aufgegriffenen Anschauungen Versuche anstellt
(das ber�hmte 'placet experiri'), nimmt
Settembrini jede von ihm geh�rte �u�erung ernst
und bek�mpft sie wenn n�tig aufs entschlossenste
mit seinen eigenen Ansichten. Das Gespr�ch mit
dem Literaten endet so, wie es angefangen hat,
mit einer leichten Plauderei �ber Allt�gliches.
[7] Es schlie�t sich ein kurzer Dialog zwischen
den Vettern an, in dem Castorps Einstellung als
Gespr�chspartner best�tigt wird. Castorp
behauptet, er h�re Settembrini eigentlich nur
der sch�nen Worte wegen zu. Doch nimmt er
Settembrinis Reden ernster, als man beim ersten
Anblick glauben k�nnte; auf Seite 108 gibt er zu,
dass er sich vom Italiener und dessen Strenge
manchmal kontrolliert f�hlt. Im weiteren Verlauf
des Romans wird sich zeigen, dass Settembrinis
Ausf�hrungen neben ihrer themenerweiternden und kommentierenden auch eine spannungsbringende
Funktion erf�llen. Von den zwei kleineren Dialogen auf Seite 114f und auf Seite 116 dient der erste nur der Charakterisierung der Krankenschwester Bertha, f�r die ein Gespr�ch, wie inhaltslos auch, gleichsam Lebensfunktion gewonnen hat. Der zweite Dialog f�llt bei der Begegnung mit der Mexikanerin 'Tous-les-deux' und hat � zumal durch den Titel des Abschnitts ('Er versucht sich in franz�sischer Konversation') � eine vorausdeutende Funktion im Hinblick auf das Gespr�ch mit Frau Chauchat� am Ende des f�nften Kapitels. Das zweite Gespr�ch mit Settembrini (119ff) weist in seinem Ablauf die schon bekannte Struktur auf: Am Anfang einige situationsgebundene Bemerkungen, die Anlass zu einer allgemeineren, abstrakten Er�rterung werden. Settembrini vertritt auch jetzt wieder etwas einsam und monologisch seine merkw�rdigen Ideen, hier �ber die 'politisch verd�chtige' Musik. Seiner Natur nach reagiert Joachim mit einer Verteidigung des pragmatischen Wertes der Musik, der Hans Castorp nur halb zuh�rt. Wenn Settembrinis Er�rterung im unmittelbaren Kontext auch ziemlich isoliert erscheint, von h�herer Warte aus betrachtet ist sie durchaus integriert, und zwar als vorausgeschickter Kommentar zu Hans Castorps Erlebnis beim Grammophon (Abschnitt 'F�lle des Wohllauts', Kapitel 7). ![]() |
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Ein gesonderter Abschnitt des
vierten Kapitels ist 'Tischgespr�che'
�berschrieben. Es handelt sich dabei um mehrere
Dialogfetzen zwischen Fr�ulein Engelhart und
Hans Castorp. Auffallend ist, dass diese Dialoge
zeitlich nicht mehr genau pr�zisiert werden, was
ihren ohnehin schon leidenschaftlichen
Charakter noch steigert. Thema des Gespr�chs
bildet Frau Chauchat. Beide Gespr�chspartner
verfolgen jedoch unterschiedliche Interessen.
Hans Castorp will zun�chst einmal mehr
Information �ber die von ihm geliebte Frau
bekommen; au�erdem l�sst er sich gerne von den
entz�ckten Reden der Lehrerin beeinflussen, weil
so seine Leidenschaft auf legitime Weise (ist es
doch eine andere Person, die von Chauchat
schw�rmt) zum Ausdruck kommen kann. Fr�ulein
Engelhart erhofft und erzielt vom Geplauder mit
Castorp eine kompensatorische Wirkung. Da sie
selber als Geliebte keine Chancen mehr hat,
versucht sie, die Lust des Erw�hltwerdens auf
kupplerischem und neckischem Wege zu gewinnen.
Durch die Tatsache, dass beide Gespr�chspartner
sich der eigenen wirklichen Motive und der des
anderen nur allzu gut bewusst sind, erhalten
ihre Tischgespr�che einen etwas dekadenten, 'unsauberen'
Charakter. Die objektiven Folgen und somit die
Funktion dieser Gespr�che kommen bereits im
n�chsten Abschnitt ans Licht: Hans Casttorp
ger�t immer mehr in den Bannkreis von Frau
Chauchat. Auf diese Weise kann man die
Tischgespr�che als Pendant zu Settembrinis � in
entgegengesetzter Richtung wirkenden � Reden
betrachten. Darauf kommen wieder ein paar Gespr�che mit Settembrini vor (159ff). Das erste ist eine Konversation nach 'einer' (nicht n�her bestimmten!) Mahlzeit: Ein Gespr�ch, das zum �berfluss beweist, wie Settembrini auch im leichtfertigen Plaudern bewandert ist, ohne dass er darum seine kritische Veranlagung aufgeben muss, h�lt er doch seine Gespr�chspartnerin Frau St�hr zum besten. Interessanter ist das vom Erz�hler gr��tenteils indirekt und gerafft wiedergegebene Gespr�ch mit Hans Castorp und Joachim Ziemssen (161ff). Schon die Inszenierung ist bemerkenswert. Nicht nur die Zeitangabe unterbleibt, auch der Ort wird nur vage angedeutet: 'sei es auf den Spazierg�ngen, gelegentlich der Abendgeselligkeit oder nach beendetem Mittagstisch' (161). War im ersten Gespr�ch dieses Kapitels von Settembrinis Vater die Rede, jetzt bildet der Gro�vater den Gespr�chsgegenstand. Der Ausf�hrung �ber den Humanismus folgt eine �ber Politik und schlie�lich �ber die Vereinigung beider Bereiche, die Literatur. An diesem Gespr�ch l�sst sich auf anschauliche Weise die allgemeine, erweiternde Funktion der Reden Settembrinis aufzeigen. Settembrinis Bericht �ber seinen Gro�vater l�uft in der Tat parallel mit den im zweiten Kapitel vom Erz�hler gemachten Ausf�hrungen �ber Hans Castorps Gro�vater. (Nicht umsonst hei�t der Titel des vorliegenden Abschnitts 'Von den beiden Gro�v�tern...'). Dadurch wird einer m�glichen politischen Verhaltensweise eine andere gegen�bergestellt, Konservatismus neben progressiver Gesinnung. Und in der Tat zieht Hans Castorp in Gedanken Vergleiche und Schlussfolgerungen, wober er sich, so wird berichtetn, um Billigkeit und Objektivit�t bem�ht. Dieser Umstand kann aber nicht �ber den Kampf hinwegt�uschen, der sich in Hans Castorps Innerem abspielt. Castorp ist bereit, sich eine Zeitlang von Settembrinis Reden beeinflussen zu lassen, nur um sich hinterher mit gutem Gewissen einer der Vernunft entgegengesetzten, vorderhand noch wortlosen Leidenschaft hinzugeben. Die Gespr�che haben in dieser Hinsicht am ganzen Komplex der um Hans Castorp ringenden geistigen und physischen M�chte teil. ![]() |
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Am Ende des f�nften Kapitels
steht das Gespr�ch katexochen des Zauberberg,
der lange Dialog zwischen Hans Castorp und
Clawdia Chauchat. Das Gespr�ch findet unter ganz
besonderen Umst�nden statt, die es entscheidend
pr�gen. Es ist Fastnacht, die Karnevalsfeier
f�rdert eine allgemeine �bersteigerung und
Erhitzung der Patienten, und die Maskenfreiheit
erlaubt ihnen, sich zu duzen. Ein Karnevalspiel
bildet f�r Hans Castorp auch den konkreten
Anlass, Frau Chauchat anzureden: Er bittet sie,
ihm ihren Bleistift zu leihen. Dadurch wird die
Beziehung zu einem fr�her berichteten
Jugenderlebnis Castorps, dem kurzen Gespr�ch mit
Pribislav Hippe, hergestellt. Bestand der Dialog
damals (130) aber nur aus den wenigen f�r Bitte
und �berreichung des Bleistifts notwendigen
S�tzen, jetzt wird � eben durch die
Ausnahmesituation � zwischen Anfang und Ende ein
ganzes, den pragmatischen Kontakt �bersteigendes
Gespr�ch eingeschoben, ein Gespr�ch, das
merkw�rdigerweise fast alle von L�mmert
unterschiedenen Aussagearten in sich vereint.
Pragmatische, handlungsbezogene Informationen,
unverbindliche Konversationsfloskeln, handelnde
Aussagen (etwa Chauchats Mitteilung, sie reise
ab, oder Castorps werbende Worte) und
vorganglose Er�rterungen (�ber Deutschtum, Liebe,
Tod, Krankheit usw.) wechseln sich im Laufe
dieses Dialogs wiederholt ab. Hinzu kommen noch
Reflexionen �ber das Gespr�ch selbst, �ber die
Beziehung zwischen den Partnern und �ber die
verwendete Sprache. Letzteres wird nat�rlich
haupts�chlich durch die Zweisprachigkeit des
Dialogs herbeigef�hrt. Hans Castorp bekundet
seine Vorliebe f�r das Franz�sische, weil
Franz�sischsprechen f�r ihn ein Sprechen ohne
Verantwortlichkeit sei, wie im Traum (356).
Damit deutet er darauf hin, dass es ihm bei
diesem Gespr�ch nicht um das Gesagte, den Inhalt,
zu tun ist, sondern um etwas Formales, eine dem
beschw�renden Sprechen innewohnende Kraft, den
Gespr�chspartner einzufangen. Von diesem unverbindlichen Spielcharakter r�hrt die Tatsache her, dass keines der leichtfertig angeschnittenen Themen ersch�pft, sondern jedes sofort wieder verlassen wird, und die Gespr�chspartner sich nicht um den Wahrheitswert oder Widerspr�che in den von ihnen vertretenen Anschauungen k�mmern. Es bleibt alles Gerede 'sans responsabilit�'. Das Spiel mit der Gemeinsamkeit kann allerdings nicht dar�ber hinwegt�uschen, dass die Sprechenden unterschiedliche Interessen verfolgen. Frau Chauchat nimmt zwar aktiv an der Konversation teil � wenn auch ihr Anteil geringer ist als der Castorps �, macht dies aber nur im Rahmen der Karnevalsfreiheit, �brigens auf eine deutliche am�sierte und sp�ttische Weise. Das Ende des Festes markiert f�r sie das Ende ihres Entgegenkommens, und sie verweist den Partner denn auch auf die Konsequenzen (360). Castorp hingegen ist darum bem�ht, ein dauerhaftes Verh�ltnis zu Clawdia Chauchat zu gewinnen. Davon zeugen seine �u�erungen �ber Ewigkeit und ewiges Duzen (356, 360), die wiederholten Best�tigungen ihrer Worte und nat�rlich die schw�rmerischen und am Ende sogar impertinenten Beschw�rungen ihrer Gestalt. Dieser 'Werbung' wird aber nicht entgegnet, und das Gespr�ch l�uft aus mit Chauchats Wiederaufnahme des Dialogs um das Leihen des Bleistifts, als w�re nichts geschehen. Tats�chlich ist das Gespr�ch auch dadurch in sich geschlossen, dass gleichsam alle psychischen Momente einer (misslingenden) Liebeswerbung w�hrend der Unterhaltung durchlaufen werden: Erwartung, Aussicht auf Erf�llung in steigender Linie, Gl�cksempfinden und Entt�uschung. Oder wie Hans Castorp � nach seinem 'Erwachen' durch die Meldung von Chauchats Abreise � es selber formuliert: 'Sept mois sous tes yeux... Et � pr�sent, o� en r�alit� j'ai fait ta connaissance, tu me parles de d�part!' (358). Dieses Gespr�ch am Ende des f�nften Kapitels und am Ende des siebten Monats bildet folglich sowohl den Kulminations- als auch den Endpunkt von Hans Castorps Faszination durch Frau Chauchat. Zwar folgt, wie aus sp�teren Anspielungen hervorgeht, dem Liebesverkehr in Worten noch ein sonstiger Kontakt, f�r die Spannungs�konomie des gesamten Romans aber hat diese Tatsache keine weiteren Konsequenzen, was unter anderem daraus ersichtlich wird, dass bei der R�ckkehr Chauchats Castorps ganzes Interesse ihrem Begleiter, Mynheer Peeperkorn, gilt. F�rs erste jedoch weicht die ideologische Konfrontation, die sich zwischen Settembrini und Mme. Chauchat abspielte, der Auseinandersetzung zwischen Settembrini und Naphta. ![]() |
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Das sechste Kapitel wird
tats�chlich von Gespr�chen mit Naphta und
Settembrini beherrscht, entweder zwischen Hans
Castorp und einem von ihnen oder zwischen Naphta
und Settembrini mit Hans Castorp als ziemlich
passivem Drittem. Wir wenden uns letzteren
Gespr�chen zu, da wir es hier mit einer neuen,
noch nicht vorgekommenen Gespr�chsart zu tun
haben: dem Streitgespr�ch. Zwar sind wir einigen
Gespr�chen zwischen Castorp und Settembrini
begegnet, die auch mehr oder weniger
k�lmpferischer Natur waren. Das Verhalten des
einen Gespr�chspartners, Hans Castorps, war
dabei aber zu rezeptiv, um von einem wirklichen
Duell sprechen zu k�nnen. In Naphta dagegen
findet Settembrini einen ebenb�rtigen Partner:
Beide verf�gen �ber einen mehr als ausreichenden
intellektuellen Hintergrund, und beide haben
eine fertige Zunge. Ihre Diskussionen enthalten
denn auch alle Feinheiten der Dialogkunst. Auf
eine gr�ndliche Analyse dieser � oft erst
mikroskopisch zu entdeckenden � taktischen
Fertigkeiten muss aus Raumgr�nden verzichtet
werden; beschr�nken wir uns auf ein Beispiel,
den Anfang des ersten Streitgespr�chs (395f). Auf eine abwertende Bemerkung Naphtas repliziert Settembrini sp�ttisch, f�r Naphta bestehe Humor darin, 'dass er, wie die heilige Katharina von Siena, an die Wunden Christi denkt, wenn er rote Primeln sieht' (395). Naphta aber akzeptiert diese Zumutung und nimmt sie zum Anlass f�r die Darlegung einer seiner Grunds�tze: In die Natur soll Geist hineingetragen werden. Settembrini schaltet bei seiner Antwort sofort auf dieselbe abstrakte Ebene um, indem er Naphtas Dualismus seinen Monismus gegen�berstellt (396). Beide gehen dann auf die Nachteile dieser Grunds�tze ein, jedoch nicht mit rationellen Argumenten, sondern in subjektiver, unsachlicher Polemik. 'Sie langweilen sich nicht mit Ihrem Monismus?', lautet Naphtas Replik. Settembrini verwendet diese subjektive Motivation seiner Weltansicht sofort als polemisches Argument gegen den Jesuiten: 'Ah, Sie geben also zu, dass es Vergn�gungssucht ist, wenn Sie die Welt feindlich entzweien...'. Naphta verteidigt sich nicht mit einer Widerlegung dieser Zumutung, sondern greift durch vorgegebenes Erstaunen den Gegner in dessen Wortgebrauch an (beim Literaten Settembrini eine empfindliche Stelle) und wirft ihm zugleich Leichtsinn im Hinblick auf wichtige Begriffe vor: 'Es interessiert mich, dass Sie Vergn�gungssucht nennen, was ich im Sinne habe, wenn ich Passion und Geist sage.' (396). Settembrini dreht diesen Vorwurf geschickt um, indem er Naphta ein doppeltes leichtfertiges Benehmen (n�mlich der Werte und seiner Person) zuschreibt und l�sst dadurch auch sein eigenes 'Reden' unschuldig erscheinen: 'Zu denken, dass Sie, der so gro�e Worte f�r so frivole Bed�rfnisse setzt, mich manchmal einen Redner nennen!' (396). Wir wollen es bei dieser Analyse bewenden lassen; die elegante, rhetorische Schlagfertigkeit der Disputanten mag hinreichend aus ihr hervorgegangen sein. Das Beispiel zeigt aber noch ein weiteres, f�r die Romanstruktur relevanteres Merkmal der Streitgespr�che. Es f�llt n�mlich auf, dass all die von den Gespr�chspartnern so geschickt verwendeten Redemittel, die ganze indirekte Argumentation, nicht f�r eine gegenseitige Aufkl�rung �ber den eigenen Standpunkt gebraucht werden und im Grunde ebensowenig, um den anderen zu �berzeugen. Vielmehr scheint es das Anliegen der Streitenden zu sein, den anderen auf seine unbefriedigenden Worte festzunageln. Die Dynamik des ganzen Aufwands an subtilen Redeverkn�pfungen steht also im Gegensatz zur gedanklichen Statik der in diesen Gespr�chen vertretenen Meinungen. Aus dem undialektischen Charakter dieser Streitgespr�che r�hrt auch die Tatsache her, dass die Partner nie zu einem neuen, geschweigen denn gemeinsamen Ergebnis kommen und dies auch nicht bedauern, �berzeugt wie sie offenbar von der Unbelehrbarkeit des andern sind. ![]() |
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Es nimmt
denn auch nicht Wunder, dass Hans Castorp, an
dem sich die Streitgespr�che entfachen, schon
bald (am Ende der 'Operationes Spirituales') zur
Schlussfolgerung einer 'gro�en Konfusion' kommt: Aber dabei war keine Ordnung und Kl�rung, nicht einmal eine zweiheitliche und miltante; denn alles ging nicht nur gegeneinander, sondern auch durcheinander, und nicht nur wechselseitig widersprachen sich die Disputanten, sondern sie lagen in Widerspruch auch mit sichselbst. (491) Die Konfusion wird �brigens vom Erz�hler noch dadurch gef�rdert, dass er das zweite und dritte gro�e Streitgespr�ch (das �ber Gesundheit / Krankheit und das �ber humanistische Erziehung) als Redebericht, d.h. indirekt, darbietet. Diese Distanzierung wird manchmal sogar eine ironische, indem Thomas Mann statt der pers�nlich vertretenen Meinungen nur die Meinungsinhalte in geraffter Form nebeneinanderstellt, so dass schwer zu bestimmen ist, wer was auf welche Weise gesagt hat, und die Meinungen jedenfalls nicht mehr parteigebunden erscheinen. So hei�t es z.B. einmal: 'Zweitens war die Folter ein Ergebnis rationalen Fortschritts gewesen. � Naphta war wohl nicht v�llig bei Sinnen. Doch, er war es so ziemlich.� Herr Settembrini war Sch�ngeist ...' (483). Die Skepsis gegen�ber Nutzen und Erkenntniswert der Streitgespr�che, ja des Sprechens �berhaupt wird im siebten Kapitel objektiviert und konkretisiert in der Gestalt sowie im Verhalten Mynheer Peeperkorns. Mit dieser 'Pers�nlichkeit', die schon bevor sie etwas gesagt hat, eine l�hmende Wirkung auf die Disputanten aus�bt (vgl. 619), vollzieht sich im Roman eine Wandlung von der Auseinandersetzung zwischen Vernunft und Glauben im sechsten Kapitel zur Konfrontation von Intellekt und Gef�hl eben in diesem siebten Kapitel. [8] Peeperkorn verk�rpert eine mystische Tendenz zum Verstummen, zu einer Wortlosigkeit, die die Dinge selber sprechen lassen will. Dies �u�ert sich nicht nur in der Syntax von Peeperkorns �u�erungen, sondern ebensosehr auf der Ebene des Romangeschehens wie in der Darbietungsform des Romans. Die szenische Darstellung der Gespr�che nimmt n�mlich im Laufe des siebten Kapitels bedeutend ab zugunsten des Erz�hlerberichts, der Wiedergabe des Handlungsablaufs. Diese Darbietungsform ist eine Folge der sich �ndernden Besch�ftigung der Romanfiguren. Die Disputanten Naphta und Settembrini erreichen mit ihren Rededuellen einen Tiefpunkt, von dem nur noch ein echtes Duell wegf�hren kann. Hans Castorps Bildung vollzieht sich nicht l�nger mehr durch tiefsinnige Gespr�che und Auseinandersetzungen, sondern durch individuelle Eindr�cke und Erlebnisse im stillen. Als Symbol f�r diese Tendenz zum Verstummen mag die Szene beim Ausflug zum Wasserfall gelten. Peeperkorn h�lt dort eine Rede, von der keiner der Umstehenden etwas h�ren kann, doch die jeden beeindruckt. Von der Heimfahrt hei�t es: 'Es wurde fast nichts gesprochen.' (658) Diese Szene fungiert zugleich als Vorausdeutung f�r das Ende des Romans, wo jedes Gespr�ch und die Stimme jedes Einzelnen im Get�se der Kriegsverrichtungen verstummen. Die Reduzierung der Gespr�che im Laufe des letzten Kapitels wird so zu einem �u�ersten Limit durchgef�hrt. ![]() |
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Es begegnen in Thomas Manns
Zauberberg verschiedene Gespr�chsarten,
deren Benennungen hier noch einmal in Erinnerung
gerufen seien: die reine Konversation (ein
gesellschaftich normiertes Sprechen um des
Sprechens willen), die pragmatischen
Orientierungsdialoge (mit handlungsbegleitenden
Aussagen), die Dialoge mit handelndem Charakter
(in denen Entscheidungen zum Ausdruck kommen)
und viele vorganglose Er�rterungen, kulminierend
in den Streitgespr�chen. Zahlreiche Gespr�che
geh�ren selbstverst�ndlich verschiedenen dieser
Typen an, sind also Mischformen. Die meisten
Gespr�che werden vom Erz�hler direkt
wiedergegeben, obwohl sich in der zweiten
Romanh�lfte eine Tendenz zur indirekten
Wiedergabe bemerkbar macht. Was die r�umliche
und zeitliche Inszenierung der Gespr�che
anbetrifft, ist � wenigstens im ersten Band �
eine zunehmende Unbestimmtheit feststellbar, die
mit dem wachsenden Gef�hl der Zeitlosigkeit
zusammenh�ngt. Wichtig ist, dass alle Gespr�che
des Zauberberg ohne Ausnahme zu Hans
Castorp in Beziehung stehen. Meistens nimmt der
Held, wenn auch in wechselndem Ma�e, als
Gespr�chspartner daran teil, in den seltensten
F�llen (etwa bei der Konversation um Herrn Albin)
ist er nur als Zuh�rer anwesend. Auf jeden Fall
werden dann seine Reaktionen und Eindr�cke vom
Gespr�ch wiedergegeben. Schwieriger als das Aufstellen einer Typologie der Gespr�che ist die Frage nach deren genereller Funktion im Roman. Wie aus unserer Untersuchung hervorgegangen sein mag, h�ngt die Funktion eines Gespr�chs weitgehend von seiner Zugeh�rigkeit zu einer bestimmten Gespr�chsart sowie von seiner Stellung im Werk ab. Trotzdem l�sst sich Folgendes feststellen. Die Leistung eines Gespr�chs f�r den Geschehensablauf steht im umgekehrten Verh�ltnis zu seiner isolierten, ideellen Wichtigkeit, d.h. dass vor allem die pragmatischen Orientierungsdialoge und die 'handelnden' Gespr�che eine Auswirkung auf den �u�eren Handlungsablauf des Romans haben. Die auffallendsten Gespr�che des Zauberberg (also das Gespr�ch mit Frau Chauchat, die Er�rterungen Settembrinis, Naphtas, Peeperkorns und die Streitgespr�che) erf�llen ihre Funktion auf einer anderen, geistigen Ebene: im Bewusstsein des Helden Hans Castorp. Dabei ist zu bedenken, dass diese Gespr�che ihrem Inhalt zufolge zwar eine themenerweiternde Funktion haben, � ihre Leistung f�r den Helden besteht aber nicht in der Anh�ufung von Wissen, sopndern in der Sch�rfung seines kritischen Bewusstseins, also in einer formalen Bildung. Darin liegt auch der Sinn des Verschwindens der Dialoge gegen Ende des Romans. Hans Castorp braucht sich nicht l�nger mehr Auseinandersetzungen und Lehrgespr�che �ber ideologische Inhalte anzuh�ren, deren Widerspr�che er zu durchschauen gelernt hat. Von falscher Gewissheit befreit und mit kritischer Einsicht bereichert, kann er ins Flachland, in die Wirklichkeit zur�ckkehren. Zu einem betr�chtlichen Teil hat er diese Bildung den zahlreichen Gespr�chen zu verdanken, deren Lekt�re auch dem Leser des Zauberberg als ein intellektuelles Vergn�gen ersten Ranges in Erinnerung bleibt. Erik de Smedt |
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Anmerkungen | ||
*�� Zahlen in Klammern beziehen sich auf den Text des Zauberberg in der Fischer-Taschenbuchausgabe, Band 800/1, 2. [1]� Abgedruckt in: Duitse Kroniek 27 (1976), H. 2, S. 53-67. [2]� Soweit ich sehe, gibt es kaum Einzeluntersuchungen zur Bedeutung der Gespr�che im Roman. Sehr lesenswert ist Gerhard Bauers grundlegende Studie Zur Poetik des Dialogs, Darmstadt 1969. Sie entwirft an zahlreichen Beispielen aus der neueren deutschen Literatur eine Gespr�chstypologie und untersucht jeden Gespr�chstyp auf Partnerbeziehung, sprachliche Gestaltung und Gespr�chsinhalt hin. Obwohls sich Bauers Arbeit als Beitrag zur Poetik des isolierten Ph�nomens Dialog versteht und die Funktion des Gespr�chs im Roman oder im Drama folglich nicht ber�cksichtigt, geben das gebotene Instrumentarium sowie die brillanten Einzelanalysen auch einer romananalytischen Untersuchung manche Anregung. Von direkterem Interesse f�r die hier eingenommene Perspektive ist Eberhard L�mmerts Bauformen des Erz�hlens, Stuttgart 1959, besonders das Kapitel 'Die Dimensionen der Rede im Erz�hlvorgang'. [3]� Vgl. zum Anfang des Zauberberg auch Horst Enders' Interpretation in: Romananf�nge, hrsg. v. N. Miller, Berlin 1965, S. 289-316. [4]� Bauformen des Erz�hlens, Stuttgart 1972 (5. Aufl.), S. 199. [5]� Bauformen des Erz�hlens, S. 198. [6]� H. Meyer, Das Zitat in der Erz�hlkunst, Stuttgart 1967 (2. Aufl.), S. 213. [7]� Dieses Verfahren erm�glicht dem Erz�hler, den �bergang zwischen Geschehensablauf und isolierter Er�rterung flie�end verlaufen zu lassen. [8]� Zu dieser Wandlung in der Thematik siehe die Zauberberg-Interpretation von Th. Ziolkowski, Strukturen des modernen Romans, M�nchen 1972, S. 67-93. |
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urspr�nglich erschienen in: Germanistische Mitteilungen 6/1977, S. 11-27. | � | � |
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