Milliardenbedarf, große Pläne

Nur noch Brösel! Berlin startet Brücken-Sanierung der Superlative

In den kommenden zehn Jahren müssen in Berlin rund 120 Brücken grundlegend saniert oder komplett neu gebaut werden. Der Verkehr versinkt im Chaos.

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Auch an der Autobahn A100 mussten zwei Spannbetonbrücken gesperrt werden. Die Westendbrücke (im Bild) und die Brücke über die Ringbahn am Dreieck Funkturm wurden inzwischen abgebrochen.
Auch an der Autobahn A100 mussten zwei Spannbetonbrücken gesperrt werden. Die Westendbrücke (im Bild) und die Brücke über die Ringbahn am Dreieck Funkturm wurden inzwischen abgebrochen.Marcus Wächter

Die Berliner Infrastruktur steht unter Druck. In den kommenden zehn Jahren müssen rund 120 Brücken grundlegend saniert oder komplett neu gebaut werden. Die geschätzten Kosten dafür: etwa eine Milliarde Euro – und das nur für die Bauwerke in Landeshand. Am Montag kollabierte die Spannbeton-Brücke An der Wuhlheide. Sie ist nicht das einzige Brösel-Bauwerk dieser Art. Hinzu kommen Großprojekte entlang der A100, betreut von der Autobahn GmbH. Die Zahlen sind alarmierend: Nur noch 21 Prozent der insgesamt 867 Brücken in Berlin gelten laut Verkehrsverwaltung als „gut“ oder „sehr gut“. Beim Rest besteht dringender Handlungsbedarf.

Für 33 Brücken liegen momentan konkrete Pläne vor, 14 befinden sich bereits in der Ausführung, der Rest in der Planung. Hier die elf größten und dringlichsten Projekte neben der Spannbeton-Brücke An der Wuhlheide:

1. A100: Dreieck Funkturm & Rudolf-Wissell-Brücke

Die Sperrung der Ringbahnbrücke am Dreieck Funkturm hat dem gesamten Projekt neuen Schub verliehen. Das Autobahndreieck wird durch die staatliche Deges neu gestaltet – eine Mammutaufgabe. Parallel dazu steht der Ersatzneubau der Rudolf-Wissell-Brücke an, eine der meistbefahrenen Brücken Deutschlands. Rund 180.000 Fahrzeuge täglich, viele davon Lkw, quälen sich über das Spannbeton-Bauwerk. Noch 2025 sollen bauvorbereitende Maßnahmen starten. Wie lange die eigentlichen Arbeiten dauern, bleibt offen – klar ist aber: Ohne diese Maßnahme droht ein Verkehrsinfarkt.

2. A100: Westendbrücke

Zwischen dem Dreieck Funkturm und der Rudolf-Wissell-Brücke liegt die Westendbrücke, die ebenfalls komplett erneuert werden muss. Die Deges plant den Baubeginn noch für dieses Jahr. Die Großbaustelle zwischen Knobelsdorffstraße und Spandauer Damm soll frühestens 2029 abgeschlossen sein. Bis dahin müssen sich Pendler auf massive Einschränkungen einstellen – ein neuralgischer Punkt im Berliner Verkehrsnetz.

Die Großbaustelle Elsenbrücke in Berlin. Hier soll 2028 alles fertig sein
Die Großbaustelle Elsenbrücke in Berlin. Hier soll 2028 alles fertig seinSenUVK

3. Elsenbrücke (Friedrichshain-Kreuzberg und Treptow-Köpenick)

Die marode Elsenbrücke über die Spree ist eines der prominentesten Problemkinder der Stadt. Der Grund: rissanfälliger DDR-Spannstahl aus Hennigsdorf, der in vielen Brücken der 70er- und 80er-Jahre verbaut wurde. Die Sanierung kostet laut aktueller Schätzung rund 97,7 Millionen Euro. Der Neubau soll 2028 fertig sein und ist für den Ost-West-Verkehr Berlins von zentraler Bedeutung.

Rund um den Molkenmarkt wird jetzt schon gebaut. Nun ging es auch an der Mühlendammbrücke richtig los.
Rund um den Molkenmarkt wird jetzt schon gebaut. Nun ging es auch an der Mühlendammbrücke richtig los.Benjamin Pritzkuleit

4. Mühlendammbrücke (Mitte)

Mitten in Berlins historischer Mitte ist die Mühlendammbrücke über die Spree am Molkenmarkt nicht mehr zu retten. Auch hier sorgt der berüchtigte Spannstahl aus Hennigsdorf für Schäden. Seit Dezember 2024 laufen die Arbeiten für den vollständigen Ersatzneubau. Bis zu 74.000 Fahrzeuge passieren die Brücke täglich – entsprechend hoch ist die Bedeutung für den Innenstadtverkehr. Die Kosten von 80 Millionen Euro werden von Bund und Land getragen, die Fertigstellung ist für 2029 angepeilt.

Die Kosten für den Neubau des Marzahner Knotens explodieren. Trotzdem wird weitergebaut.
Die Kosten für den Neubau des Marzahner Knotens explodieren. Trotzdem wird weitergebaut.INTER OFFICE und EIBS/Setzpfandt

5. Marzahner Knoten

Der Marzahner Knoten ist ein komplexes Brücken- und Kreuzungsbauwerk, das die Landsberger Allee mit der Märkischen Allee verbindet – ein zentraler Verkehrsknotenpunkt im Osten der Stadt. Seit 2022 wird hier gebaut, unter anderem, weil Rad- und Fußwege bislang völlig fehlten. Die Bauarbeiten sollen frühestens 2029 beendet sein. Geplante Kosten: 82 Millionen Euro, teilweise gefördert durch das Programm GRW („Gemeinschaftsaufgabe Verbesserung der regionalen Wirtschaftsstruktur“).

6. Neue Gertraudenbrücke

Diese Spreebrücke zwischen Mitte und Friedrichshain ist den wachsenden Verkehrsbelastungen nicht mehr gewachsen. Ihre Konstruktion hält weder dem aktuellen Zustand noch zukünftigen Anforderungen stand. Die Verkehrsverwaltung sieht deshalb einen kompletten Neubau für 40 Millionen Euro vor. Ein Gestaltungswettbewerb wurde bereits entschieden, die weiteren Planungen laufen. Ein Baubeginn ist mittelfristig vorgesehen, ein genaues Datum steht noch nicht fest.

Die Lange Brücke in Köpenick blickt auf eine lange Geschichte zurück. Ihr Zustand ist so schlecht, dass nur ein vollständiger Ersatzneubau infrage kommt.
Die Lange Brücke in Köpenick blickt auf eine lange Geschichte zurück. Ihr Zustand ist so schlecht, dass nur ein vollständiger Ersatzneubau infrage kommt.Maurizio Gambarini/imago

7. Lange Brücke (Treptow-Köpenick)

Diese Brücke über die Dahme verbindet die Köpenicker Altstadt mit der Köllnischen Vorstadt und Spindlersfeld. Ihr Zustand ist so schlecht, dass nur ein vollständiger Ersatzneubau infrage kommt. Geplante Kosten: 30 Millionen Euro. Die Bauarbeiten sollen 2027 beginnen. Besonders für den Regionalverkehr im Berliner Südosten ist dieses Projekt von großer Bedeutung.

So soll die Schönhauser-Allee-Brücke nach der Sanierung bis 2032 aussehen.
So soll die Schönhauser-Allee-Brücke nach der Sanierung bis 2032 aussehen.SenMVKU

8. Schönhauser-Allee-Brücke (Prenzlauer Berg)

Die Brücke über die Ringbahn an der Schönhauser Allee, einer der belebtesten Verkehrsachsen Berlins, ist ebenfalls marode. Geplant ist ein vollständiger Neubau bis 2032. Bereits Ende 2025 oder Anfang 2026 soll eine temporäre Leitungsbrücke entstehen – Voraussetzung dafür, dass 2027 die eigentliche Hauptbauphase starten kann. Die Stadt rechnet mit 34,5 Millionen Euro Baukosten, mit Unterstützung durch das GRW-Programm.

9. Östliche Bucher-Straßen-Brücke (Pankow)

In Französisch Buchholz überspannt die östliche Bucher-Straßen-Brücke zwei S-Bahn- und zwei Fernbahntrassen. Auch hier wurde der kritische DDR-Spannstahl verwendet. Der Abriss und anschließende Neubau sind für 2026 angesetzt, mit geplanten Kosten von 21,7 Millionen Euro. Eine sichere Querung ist hier auch wegen der Nähe zu Wohn- und Schulgebieten dringend erforderlich.

10. Südliche Blumberger-Damm-Brücke (Biesdorf)

Eine gute Nachricht zum Schluss: Die südliche Blumberger-Damm-Brücke in Biesdorf steht kurz vor der Fertigstellung.
Die Schäden durch Spannstahlrisse konnten durch einen Ersatzneubau beseitigt werden. Die letzten Anschlussarbeiten laufen noch, sollen aber noch 2025 abgeschlossen werden. Der Kostenrahmen liegt bei 20 Millionen Euro.

11. August-Druckenmüller-Brücke (Schöneberg)

Die August-Druckenmüller-Brücke ist offenbar die nächste Brösel-Brücke in Berlin. Über das Stahlbeton-Bauwerk an der Grenze von Schöneberg und Tempelhof verläuft die Bundesstraße 1, der Sachsendamm, über die Stadtautobahn A100 und unter einem Bahngleis hindurch. Dort wird bereits gearbeitet. Im Juni sollte alles fertig sein, nun aber hat die Autobahngesellschaft neue Schäden entdeckt. Die Arbeiten wurden verlängert. Ob die Brücke gehalten werden kann, zeigt sich im Juli.

Berlin investiert gerade so viel wie nie zuvor in seine marode Brückeninfrastruktur – und muss es auch. Viele Bauwerke sind alt, überlastet und mit Materialien errichtet worden, die heute als sicherheitskritisch gelten. Auch die kommenden Jahre bringen massive Eingriffe in den Verkehr mit sich. Für Berliner und Berlin-Gäste keine guten Nachrichten.

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