Blackout in der TV-Branche

Der Konflikt um die Schweizer Zuschauerforschung spitzt sich zu. Die zuständige Firma Mediapulse kann keine Daten mehr herausgeben. Grund dafür ist eine superprovisorische Verfügung.

Rainer Stadler
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Kinder spielen bereits im Vorschulalter mit elektronischen Gadgets. (Bild: Gaëtan Bally / Keystone)

Kinder spielen bereits im Vorschulalter mit elektronischen Gadgets. (Bild: Gaëtan Bally / Keystone)

Die Schweizer Fernsehbranche begibt sich kommerziell auf einen völligen Blindflug. Die Stiftung Mediapulse, unter deren Dach die für die Werbevermittlung wichtigen Einschaltquoten ermittelt werden, kann ab sofort keine Daten mehr herausgeben. Bis anhin hatten die Veranstalter und die Vermarkter die Zahlen informell erhalten. Das geht nun nicht mehr, weil am Mittwoch gegen Mediapulse eine superprovisorische Verfügung erwirkt wurde. Nico Gurtner, Kommunikationschef von Mediapulse, bestätigte auf Anfrage diese Information. Als Folge davon dürfen Akteure, welche keiner Geheimhaltungspflicht unterstehen, nicht mehr informiert werden.

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Allerdings wird die richterliche Verfügung puncto Geheimhaltung nicht von allen Beteiligten gleich interpretiert. Diese Frage lässt sich erst nach den Feiertagen klären. Vorerst gibt es jedoch einen Lieferstopp. Die Fernsehleute können sich bei ihren Entscheiden nur noch auf ihren publizistischen Spürsinn verlassen.

Wie aus einer gut unterrichteten Quelle zu erfahren ist, hat der Privatsender 3+, der vom Werbelogistiker Goldbach vermarktet wird, auf dieses rechtliche Instrument zurückgegriffen. Dominik Kaiser, Gründer und Chef von 3+, wollte zur Angelegenheit nicht Stellung nehmen, wie er auf Anfrage sagte.

Der Konflikt um Mediapulse begann Anfang Jahr, als ein neues Verfahren zur Erhebung der Einschaltquoten eingeführt wurde. Das von der englischen Forschungsfirma Kantar betriebene System erlaubt es, auch die zeitversetzte Nutzung von Fernsehprogrammen zu erfassen, zumindest jene innerhalb von sieben Tagen nach der Erstausstrahlung einer Sendung. Das neue Messsystem soll so das heutige Konsumverhalten besser erfassen.

Einige Veranstalter bezweifeln jedoch die Verlässlichkeit der Ergebnisse. Dies, weil offenbar teilweise erhebliche Differenzen zwischen den früheren und den jetzigen Resultaten bestehen. Mediapulse beschloss darauf einen Marschhalt. Sie blockierte die offizielle Publikation der neuen Daten, stellte diese aber den Verantwortlichen der Sender und der Vermarkter zur Verfügung. Publizieren durften sie diese nicht. Dennoch sind, nicht verwunderlich, seither ein paar Zahlen durchgesickert. Auf Grund dieser bruchstückartigen Informationen kann man sich allerdings kein richtiges Bild der Lage machen.

Mediapulse gab zwei Expertenberichte in Auftrag, welche die Verlässlichkeit des neuen Systems überprüfen sollten. Beide Berichte liegen vor und wurden den betroffenen Kreisen vorgelegt. Dem Vernehmen nach erkannten die Experten keine gravierenden Mängel; die neuen Quoten wären demnach publizierbar. Allerdings schlugen die Experten Verbesserungen vor, welche während des laufenden Betriebs realisierbar wären.

Nun herrscht auf unabsehbare Zeit eine völlige Blockade. Zu den Verhinderern gehört nicht die SRG. Schweizer Radio und Fernsehen liess nämlich schon vor längerem durchblicken, dass man nichts gegen eine Publikation habe. Sicher auch deshalb, weil die Resultate für den öffentlichen Fernsehsender relativ gut auszusehen scheinen.

Wenn es tatsächlich stimmt, dass die Expertenberichte grundsätzlich positiv ausfielen, müsste man eigentlich den Schluss ziehen, dass die neue Einschaltquotenmessung ihren Text bestanden hat und damit einsatzbereit wäre – unter dem Vorbehalt, dass kein System je eine Medienrealität völlig objektiv zu erfassen vermag.

Allzu lange kann die Fernsehbranche diesen Konflikt jedenfalls nicht mehr allein unter sich austragen. Denn die Fernsehforschung profitiert – im Gegensatz zur Leserforschung der Presse – von der Unterstützung durch öffentliche Gelder. Es drängen sich grundsätzliche Fragen zu den Rahmenbedingungen von Mediapulse auf.

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