GROSS-BERLIN-GESETZ (1920)
Am 1.10.1920 trat das "Gesetz �ber die Bildung der neuen Stadtgemeinde
Berlin (Gro�-Berlin-Gesetz)" in Kraft. Damit erfolgte die umfassendste
Stadterweiterung in der Geschichte Berlins und die "Grundsteinlegung f�r
das moderne Berlin des 20. Jahrhunderts" (HAMPE, O. 1992/7). Nachdem der
Verfassungsentwurf bei der ersten und zweiten Lesung in der Verfassunggebenden
Preu�ischen Landesversammlung durchgefallen war, fand sich erst
nach dritter Lesung in der Schlu�abstimmung am 27.4.1920 eine schwache
Mehrheit von 165:148 Stimmen bei 5 Enthaltungen und 82 Fehlenden. Aber
auch nach der Annahme des Gesetzes gab es Widerstand gegen die "unhaltbaren
Zust�nde in der neuen Stadtgemeinde Berlin": Mitte 1921 debattierte
der Preu�ische Landtag �ber einen Antrag, wonach "wirkliche
Selbst�ndigkeit" der in den Verwaltungsbezirken vereinigten Gemeinden
"durch Beschr�nkung der Zentralgewalt" erreicht und gepr�ft
werden solle, "inwieweit der r�umliche Umfang der neuen Stadtgemeinde
Berlin zu beschr�nken ist". (Zit. n. ESCHER, F. 1992/103)
Die
neue Stadtgemeinde vergr��erte sich um das Dreizehnfache: von
6 693�ha (= 66,93�km�) auf 87 810�ha (= 878,1�km�) und erreichte den respektablen
"Umfang" von 225�km. Die neue Bodenfl�che entsprach damit fast der
Gr��e der Insel R�gen (926,4�km�). Berlin war somit "�ber
Nacht" zur fl�chenm��ig zweitgr��ten Stadt
der Welt nach Los Angeles und nach der Einwohnerzahl - hinter London und
New York - zur drittgr��ten Stadt der Erde geworden. Zugleich
war Berlin nun mit seinem st�dtischen Grundeigentum von etwa 48�000
ha (= 480�km�, davon 270�km� landwirtschaftliche G�ter und 210�km�
W�lder) gr��ter deutscher Grundbesitzer. Die Einheitsgemeinde
hatte nunmehr 3,879 409 Mill. Einwohner gegen�ber 1,902 509 Mill.
Einwohner Alt-Berlins im Jahr zuvor
( Bev�lkerungsentwicklung in Berlin).
Die Bev�lkerungsdichte sank von 285 Einwohner/ha vor der Eingemeindung
auf 44,2 Einwohner/ha Ende 1920. Der Anteil der bebauten Fl�che an
der Gesamtfl�che betrug nun 15,5 Prozent. Nach dem G. schlossen sich
insgesamt 94 Ortsteile zur neuen Einheitsgemeinde zusammen: 8 Stadtgemeinden,
59 Landgemeinden und 27 Gutsbezirke.
Die St�dte waren:
Stadt |
vormals selbst�ndig Stadt (bis 1709) |
Stadtrecht bzw. Ersterw�hnung
|
Berlin
........................................
........................................
........................................
........................................
Spandau K�penick
Charlottenburg
Sch�neberg
Neuk�lln (bis 1912 Rixdorf)
Wilmersdorf
Lichtenberg
|
Alt-Berlin C�lln
Friedrichswerder
Dorotheenstadt Friedrichstadt
.............................
.............................
.............................
.............................
.............................
.............................
.............................
|
1244
1237
1660
1674
1691
1232
1298
1270/1720
1898
1899 1907
1907 |
Quelle:
LEYDEN, F. 1933/193; SPITZER, H./ZIMM, A. 1987/37-8
Die
Bildung der Einheitsgemeinde gilt als einer der wichtigsten Schritte in
der Geschichte der Berliner Stadtentwicklung. Er war bereits knapp zehn
Jahre zuvor mit der Gr�ndung des Zweckverbandes
Gro�-Berlin (Gesetz vom 19.7.1911) eingeleitet worden. Der damals
nur lockere Zusammenschlu� sollte vor allem die durch das rasche
Wachstum Berlins und seiner "Vororte" dringlich gewordenen Aufgaben der
St�dte- und Verkehrsplanung wahrnehmen, konnte jedoch die gesetzten
Erwartungen nicht erf�llen. Die Forderungen nach einer effektiveren
Verwaltung blieben auch nach dem 1912 gegr�ndeten "B�rgerbund
von Gro�-Berlin" und dem 1917 gebildeten "B�rger-Ausschu�
von Gro�-Berlin" aktuell und sollten sich erst 1920 erf�llen.
Damit erhielt ein l�ngst zusammengewachsenes Wirtschafts- und Verkehrsgebiet
auch eine neue politisch-administrative Struktur.
Hinsichtlich
der benachbarten Provinz Brandenburg hatte die Bildung der Einheitsgemeinde
Berlin zwiesp�ltigen Charakter; W. RIBBE bezeichnete sie als "Agglomeration
mit einem starken �bergewicht des Gro�raumes Berlin gegen�ber
dem �brigen Brandenburg". (Zit. n. MATERNA 1992/111). Immerhin: 800
�km� mit 1,9 Mill. Einwohnern waren aus der Provinz Brandenburg an die
neue Stadtgemeinde gekommen; das waren 2 Prozent des Territoriums, jedoch
fast 44 Prozent der Bev�lkerung Brandenburgs. Damit ging die Bev�lkerungsdichte
Brandenburgs von 70 Einwohner/km� um 1900 auf 66,3 im Jahre 1925 zur�ck.
Die
neue Einheitsgemeinde wurde durch das G. in 20 Verwaltungsbezirke ("Bezirke")
eingeteilt, die (nach einigen sp�teren Grenzkorrekturen) noch heute
(im Jahr 2000) bestehen. Seit 1920 umfa�ten die 20 Bezirke die sechs
innerst�dtischen Viertel ("Kernstadt") des bisherigen Alt-Berlin
(Mitte, Tiergarten, Wedding, Prenzlauer Tor/seit 1921 Prenzlauer Berg,
Friedrichshain und Hallesches Tor/seit 1921 Kreuzberg), die sieben eingemeindeten
St�dte Charlottenburg, K�penick, Lichtenberg, Neuk�lln,
Sch�neberg, Spandau und Wilmersdorf sowie sieben neugeschaffene Bezirke,
wobei die Benennung nach der jeweils h�chsten Einwohnerzahl erfolgte:
Pankow, Reinickendorf, Steglitz, Tempelhof, Treptow, Wei�ensee,
Zehlendorf. Der
Begriff "Gro�-Berlin" wurde in das Grundgesetz der Bundesrepublik
Deutschland vom 23.5.1949 (Art. 23, Art. 145) und in die Verfassung von
Berlin vom 1.9.1950 (Art. 4) aufgenommen. 1945 erfolgte die Aufteilung
Gro�-Berlins in vier Sektoren: Zum amerikanischen Sektor fielen
Kreuzberg, Neuk�lln, Sch�neberg, Steglitz, Tempelhof und Zehlendorf;
zum britischen Sektor Charlottenburg, Spandau, Tiergarten und Wilmersdorf;
zum franz�sischen Sektor Reinickendorf und Wedding sowie zum sowjetischen
Sektor Friedrichshain, K�penick, Lichtenberg, Mitte, Pankow, Prenzlauer
Berg und Wei�ensee. Zu Berlin-Ost kamen sp�ter - nach entsprechenden
Beschl�ssen der Stadtverordnetenversammlung - als neue Stadtbezirke
Marzahn (1979), Hohensch�nhausen (1985) und Hellersdorf (1986) hinzu.
Urspr�nge
der Bildung der Stadtgemeinde Gro�-Berlin im Jahre 1920:
Bezirk |
Ortsteile
(Herkunft vor 1920)
|
Stadt |
Landgemeinde |
Gutsbezirk |
�1: Mitte |
Berlin |
� |
Schlo� |
�2: Tiergarten |
Berlin Moabit |
� |
� |
�3: Wedding |
Berlin Gesundbrunnen |
� |
� |
�4: Prenzlauer Berg |
Berlin |
� |
� |
�5: Friedrichshain |
Berlin |
Stralau |
� |
�6: Kreuzberg |
Berlin |
� |
� |
�7: Charlottenburg |
Charlottenburg |
� |
Pl�tzensee Heerstra�e� Jungfernheide/S.� |
�8: Spandau |
Spandau |
Staaken Tiefwerder Pichelsdorf Gatow Kladow |
Zitadelle Pichelswerder
Heerstra�e� |
�9: Wilmersdorf |
Wilmersdorf |
Schmargendorf |
Grunew.-Forst Grunewald |
10: Zehlendorf |
� |
Zehlendorf Nikolassee Wannsee |
Dahlem Glienicke Pfaueninsel Potsdam-Forst |
11: Sch�neberg |
Sch�neberg |
Friedenau |
� |
12: Steglitz |
� |
Steglitz Gr.-Lichterfelde Lankwitz
S�dende/Mariendorf� |
� |
13: Tempelhof |
� |
Tempelhof Marienfelde Lichtenrade
Mariendorf/S�dende� Buckow-West� |
� |
14: Neuk�lln |
Neuk�lln |
Britz Rudow
Buckow-Ost� |
� |
15: Treptow |
Treptow |
Ober-Sch�neweide Nieder-Sch�neweide
Johannisthal
Adlershof
Altglienicke |
Wuhlheide |
16: K�penick |
K�penick |
Friedrichshagen Rahnsdorf
M�ggelheim
Schm�ckwitz
Bohnsdorf
Gr�nau
|
K�penick-Forst Gr�nau-Forst
|
17: Lichtenberg |
Lichtenberg |
Friedrichsfelde
Biesdorf
Mahlsdorf
Marzahn |
Biesdorf Hellersdorf
|
18:
Wei�ensee |
� |
Wei�ensee
Malchow
Wartenberg
Falkenberg
Hohensch�nhausen |
Malchow Wartenberg Falkenberg |
19: Pankow |
� |
Pankow
Niedersch�nhausen
Blankenfelde
Buchholz
Buch
Karow
Blankenburg
Heinersdorf
Rosenthal/Ost� |
Niedersch�nhsn.
Rosenthal
Blankenfelde
Buch
Blankenburg |
20:
Reinickendorf |
� |
Reinickendorf
L�bars
Hermsdorf
Heiligensee
Tegel
Wittenau
Rosenthal/West� |
Tegel-Forst
Tegel-Schlo�
Frohnau
Jungfernheide/N� |
�Anteile des ehemaligen Gutsbezirks bzw. der Landgemeinde
Quelle:�
LEYDEN, F.: Gross-Berlin, Breslau 1933, S. 189-194; Kleines Berlin-Lexikon
1989, Berlin 1989, S. 74-78
WILHELM PFANNKUCH (1841-1923), 15.7.1920: ENDLICH IST ES ERREICHT
Der 78j�hrige
Altersvorsitzende der neuen Berliner Stadtverordnetenversammlung,
SPD-Politiker und langj�hriges Mitglied des Reichstages, erkl�rte
in der ersten Sitzung der neu gew�hlten Stadtverordnetenversammlung:
"Endlich ist es erreicht: der sehnlichste Wunsch der �bergro�en
Mehrheit der Bev�lkerung des Wirtschaftsgebietes von Gro�-Berlin
ist in Erf�llung gegangen, die Einheitsgemeinde ist Tatsache
geworden! Mit der Hinwegfegung des Wilhelminischen Regiments war
die Bahn frei geworden. Der Popanz der Berliner Pr�fektur ist
verscheucht. Das freieste Wahlrecht bildet das feste Fundament,
auf dem das Selbstverwaltungsrecht der Einheitsgemeinde beruht.
Der Widerstreit der Interessen der einzelnen Glieder der Einheitsgemeinde
wird nicht so �ber Nacht erl�schen. Aber f�r den
Ausgleich der hier und da sich geltend machen wollenden Sonderinteressen
wird das freie Wahlrecht das heilsame Korrektiv bilden; unter dem
Einflu� desselben wird es den noch Widerstrebenden klar werden,
da� alles Trennende fortger�umt und das Verbindende und
Ausgleichende gef�rdert werden mu�. Dieser Arbeit zu
dienen ist die Organisation der Einheitsgemeinde zugeschnitten."
Quelle:
Zit. nach Reuter/M�schner 1993, S. 126
|
Quellen
und weiterf�hrende Literatur: 
Leyden 1933/189-194; Kettig 1962/447-450; Winz 1962/551-662; Berlin und
seine Bauten 1964/47-56; M�ller 1968/4 f.; Hofmeister 1985/263-267;
Ludewig 1986/65-67; Herrmann 1987/59-62; Lange 1987/301-303; Zimm 1989/140-153;
Hofmeister 1990/29-37; Holmsten 1990/326-327; Rach 1990/7f.; Escher 1992/103-109;
Hampe 1992/7-16; Materna 1992/111-116; Peters 1992-2/17-31; Berlin Handbuch
1993/458-460; Reuter/M�schner 1993/126; Ribbe/Schm�deke 1994/90-91,
130, 162-163; Peters 1995/150-151
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2004
Stadtentwicklung
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