Frühe Herstellung von Messing in Indien

Neueste Befunde zeigen, dass indische Handwerker bereits zweihundert Jahre vor den Europäern Messinglegierungen herstellen konnten. Hohe Zinkanteile in untersuchtem Messing deuten auf eine direkte Verschmelzung von reinem Zink und Kupfer.

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Laut neuesten Forschungen sollen indische Metallurgen im 17. Jahrhundert, zweihundert Jahre vor den Europäern, bereits in der Lage gewesen sein, Messing herzustellen, indem sie reines Zink und Kupfer miteinander verschmolzen. Dieser Nachweis gelang dem amerikanischen Wissenschafter Brian Newbury von der Lehigh- Universität in Bethlehem, Pennsylvania. Newbury analysierte das Material von vierzig Astrolabien aus der Sammlung des Adler Planetarium and Astronomy Museum in Chicago. Die Rechenscheiben waren im 17. Jahrhundert in Lahore, heute Pakistan, angefertigt worden.

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Röntgenanalyse

Ein Astrolabium ist ein Präzisionsinstrument und besteht aus mehreren tellergrossen, millimeterdünnen Metallscheiben, die ein zweidimensionales Abbild der Himmelssphäre darstellen. Die übereinander angeordneten Scheiben waren - abgesehen von ihren funktionalen Details - reich verziert. Sie wurden für Positions- und Zeitbestimmungen in der Astronomie, der Astrologie und der Schifffahrt benutzt. Ihre Herstellung war aufwendig, kompliziert und verlangte detaillierte astronomische Kenntnisse. Die ältesten Astrolabien stammen aus dem 9. Jahrhundert und sind islamischer Herkunft. Europa erreichten sie erst mit der Islamisierung Spaniens im 12. Jahrhundert. Bis in die Mitte des 17. Jahrhunderts, als noch präzisere Instrumente entwickelt wurden, waren sie die meistgebrauchten astronomischen Geräte. Dann mutierten sie wegen ihrer kunstvollen Anfertigung zu begehrten Sammlerobjekten, und entsprechend tauchten auch erste Fälschungen auf dem Markt auf.

Heute kann die Analyse des Materials, üblicherweise Messing, mithelfen herauszufinden, wo, wann und manchmal sogar von welchem Kunsthandwerker die Geräte angefertigt worden sind. Damit die kostbaren Objekte nicht beschädigt werden, kommt nur eine zerstörungsfreie Analyse in Frage. Newbury untersuchte die Stücke mit Hilfe röntgenanalytischer Methoden und benützte dazu den Teilchenbeschleuniger im Argonne National Laboratory in Chicago. Er bestimmte den jeweiligen Anteil der Metalle Kupfer und Zink, der beiden Bestandteile der Legierung Messing. Ein sehr hoher Zinkanteil beispielsweise weist auf eine moderne Fälschung hin. Eisenverunreinigungen im Zink deuten auf eine Herkunft aus Deutschland, sehr reines Zink auf einen islamischen Ursprung.

Entscheidend ist aber das Verhältnis von Kupfer zu Zink. Metallisches Zink kommt in der Natur nicht vor, es muss mit aufwendigen Verfahren aus Galmei (Zinkerz) extrahiert werden. Bei der in Europa noch bis ins 19. Jahrhundert gebräuchlichen Messingherstellung, der sogenannten Zementation, wurde nicht metallisches Zink verwendet, sondern Galmei. Das Zinkerz wurde zusammen mit Kupfer und Holzkohle erhitzt; die Holzkohle verbrannte, das Zinkerz verwandelte sich in metallisches Zink und verband sich mit dem Kupfer zu Messing. Eine auf diese Weise hergestellte Legierung kann aber wegen der Thermodynamik der chemischen Reaktion maximal 32 Prozent Zink enthalten.

Verwendung reinen Zinks

Die von Newbury analysierten Scheiben enthielten alle deutlich mehr Zink, nämlich bis zu 45 Prozent. Laut dem Wissenschafter konnte diese Zusammensetzung nur durch das direkte Verschmelzen von Kupfer und Zink entstanden sein, was bedingte, dass beide Elemente in reiner Form zur Verfügung gestanden haben mussten. Diese Methode der Legierung erlaubte es den indischen Metallurgen auch, unterschiedliche Zusammensetzungen zu produzieren: je höher der Zinkanteil, desto heller die Legierung. Mit nur 10 bis 15 Prozent Zink bleibt das Messing kupferfarben; bei 25 bis 30 Prozent wird die Legierung goldfarben, und bei über 35 Prozent wird sie gelblich bis weiss. Die indischen Kunsthandwerker strebten also offenbar möglichst weisse Astrolabien an. Zinkreiches Messing ist laut Newbury auch einfacher zu bearbeiten, das heisst, die Skalen, Gradeinteilungen und Verzierungen liessen sich leichter eingravieren.

Die Analysen Newburys zeigten auch, dass der Zinkgehalt in einem Objekt nicht überall gleich ist: An der Oberfläche ist er stets geringer als im Objektinnern. Oberflächenanalysen allein seien deshalb für eine korrekte Materialbestimmung nie ausreichend. Den geringeren Zinkanteil an der Oberfläche im Vergleich zum Innern führt der Forscher auf die Bearbeitung des Metalls zurück. Das Zink im Messing sei sehr flüchtig; je länger und intensiver man die Oberfläche durch wiederholtes Aufheizen und Aushärten bearbeite, desto schwächer werde der Zinkgehalt.

Auf die naheliegende Frage allerdings, wie es den indischen Metallurgen gelang, in grösseren Mengen metallisches Zink herzustellen, geht Newbury nicht ein.

Geneviève Lüscher

Quelle: Mitteilung der Lehigh-Universität, Bethlehem (USA).