Eine Nachkriegsverbindung mit eigener Tradition
50 Jahre Ketteler
Ferdinand Stark, Staatssekretär a.D., zum 50. Stiftungsfest
Mit der
Wiederbegründung der Mainzer Universität 1946 entstanden nach und
nach auch studentische Verbindungen, darunter der KStV Ketteler, dessen
Bestrebungen nachhaltig von Mainzern KVern, vornehmlich von den AHAH des KStV
Winfried unterstützt wurden.
Am 31. Mai 1948
beschloß man die Gründung und wählte einen ersten Vorstand.
Anläßlich des 72. Deutschen Katholikentages in Mainz wurde der
Verein am 3.9.1948 in den Verband aufgenommen.
Bei der Namensgebung
entschieden sich die Gründungsburschen für den großen Mainzer
Bischof und Sozialreformer Ketteler, dessen Vorbildfunktion über
fünf Jahrzehnte immer wieder in Artikeln und Vorträgen wachgehalten
wird. Zum Wahlspruch wählte man: "pro Deo et amico," als Farben
schwarz-silber-schwarz. Wichs und Fahne lehnten die Gründer ab.
Die Zeitläufte waren
im zerstörten Mainz um die Währungsreform noch recht hart, doch die
Heimkehrergeneration war Entbehrungen gewöhnt; sie trieb ein
ausgesprochener Bildungshunger.
Die "Ketteler"
lernten rasch "laufen," in den ersten Semestern schuf man die
für eine Verbindung notwendigen Regularien, gemeinsame Erlebnisse
festigten die Freundschaft. Im WS 49/50 zählte Ketteler bereits 48
Aktive, der AHV Winfried schloß sich den Kettelern an, die damit als
Neugründung bereits zu einer stattlichen Altherrenschaft kam. Schon in
den anfangsjahren zeigten ein Teil der Mitglieder ein ausgeprägtes
politisches Engagement, das sich auch in den Folgejahren in Mitgliedschaften
im Allgemeinen Studentenausschuß (AStA) und im Studentenparlament
dokumentierte. Die Zahl der "Ketteler" als MdL`s, MdB's, MdEP`s und
in den staatlichen Führungsetagen wuchs mit den Jahren beachtlich.
Rhetorisch begabte
Bundesbrüder entwickelten die Kneipe zu einer allseits anerkannten
Blüte, die sogar Eingang in den Hörfunk des SWF fand. Die
Semesterthemen wurden anfangs von der KSG, mit der ein gutes Einvernehmen
bestand, vorgegeben und mit Vorträgen aus eigenen Reihen ausgefüllt,
doch konnten auch zunehmend auch Professoren und andere Persönlichkeiten
als Vortragende gewonnen werden.
Außer den
jährlichen Stiftungsfesten freute man sich bei in Mainz obligaten
Fastnachtsfeiern, besucht die KV-Feste im Rheingu und in Bingen bevor der
Katharinenball vor der Adventszeit den Jahresabschluß bildete.
Die sozialen Belange
betonte man in der Auswahl der Vorträge, schuf einen Sozialfonds für
in Bedrängnis geratene Bundesbrüder, organisierte Paketsendungen in
die Ostzone, knüpfte später Kontakte zu Menschen mit Behinderungen,
für die man einen Fahrdienst einrichtete und wirkte bei dem Umbau eines
Bauernhauses zum Wohnheim für ausländische Studenten mit.
Die Ketteler entwickelten
auch sportlichen Ehrgeiz, die meist siegreich verlaufenden
Fußballschlachten endeten meist bei versöhnlichem Freibier. Mit
demzunehmenden Eintritt der Nachkriegsgeneration in die Korporation wandelte
sich nicht nur das äußere Bild. Man beschritt auch neue Wege. Der
Vertiefung der Freundschaft, aber auch der Wissenschaft dienten die Sessionen
der "Ketteler Akademie der Wissenschaft" im Mainzer Ortsteil
Bretzenheim. Man entdeckte den Reiz musischer Veranstaltungen, zum Teil in
eigenen musikalisch-literarischen Darbietungen. Als Höhepunkt Gilt die
Aufführung Mozarts "Bastien und Bastienne."
Die
Landtagspräsidenten August Wolters und Otto van Volxem, die sich um die
Verbindung verdient gemacht hatten, wurden Ehrenmitglieder und der
unermüdlich wirkende Studentenpfarrer Dr. Ernst Strasser
Ehrenphilister.
Die endsechziger Jahre
waren nicht ohne Probleme. In zahlreichen Veranstaltungen wurden Fragen der
Hochschulpolitik behandelt. Einige Neuerungen wurden eingeführt: der
Fuchsenstatus fiel weg, aus dem Fuchsmajor wurde der Hochschulreferent (heute
Tutor), vorüberghend nannte man den Convent Vereinsversammlung. Insgesamt
kam die Verbindung unbeschadet durch diese unruhigen Zeiten. Hierbei half,
daß nach langem Bemühen gemeinsam mit den anderen KV- Verbindungen
ein Studentenwohnheim bezugsfertig wurde.
Besonders die KbKb Werner
Klöckner und Wilhelm Froitzheim haben sich hierbei bleibende Verdienste
erworben. Mit dem Heim war der so lange herbeigesehnte Mittelpunkt geschaffen.i
Die Semesterprogramme
wurden um willkommene gemeinsame Aktivenfahrten bzw. Hüttenwochenenden
erweitert, mit der wachsenden Zahl der "jungen AH" entstanden die
Familientreffen. Den journalistisch begabten Aktiven gelang die Entwicklung
der seit 1950 von Bb Peter Schmidt verdienstvoll betreuten Kettelerbriefe zu
einer beachteten Studentenzeitung, in der eine Vielzahl bedeutender
Zeitgenossen sich interviewen ließen. AH Dr. Carl Ludwig Wagner (MdB)
lud zum Bundestag nach Bonn, später als OB von Trier nach dort ein. AH
Willibald Hilf sah als Intendant des SWF die Aktiven al seine Gäste in
Baden-Baden, auf Einladung von AH Robert Zinser besuchte man die BASF in
Ludwigshafen, wie auch schon früher sich immer wieder Alte Herren um die
Aktiven kümmerten und zu sich einluden. Unter den namhaften Referenten
der siebziger Jahre sind mit MdB D. Richard von Weizsäcker und
Staatssekretär Prof. Dr. Roman Herzog spätere Bundespräsidenten
zu finden.
In den achtziger und
neunziger Jahren kommen die Fahrten zum Europaparlament nach Straßburg
dank der AHAH Otto Bardong MdEP und Otmar Philip hinzu.
Die Aktivitas
beschäftigt sich mit aktuellen Themen:
"Akademikerarbeitslosigkeit" und "Genetik." Kultusminister
Dr. Gölter spricht zu den Kettelern, wie auch Bundesminister Dr. Klaus
Töpfer, der nach einem weiteren Vortrag die Ehrenmitgliedschaft annimmt.
Zu Gast sind auch Kb Minister Rudi Geil und Ministerpräsident Dr.
Bernhard Vogel. Die Drogenproblematik wird in Vortragsreihen von Fachleuten
besprochen, über die Probleme der Luftchemie spricht der spätere
Nobelpreisträger Prof. Dr. Paul Crutzen. Der Generalinspekteur der
Bundeswehr Jörg Schönbohm (heute Innensenator in Berlin)
erörtert die Probleme der NVA-Übernahme.i
Die Gästeabende zur
Gewinnung neuer Mitglieder werden immer einfallsreicher: "Ketteler im
Wilden Westen," "Ketteler wie 1000 und eine Nacht." Zwei
Ketteler: Dr. Peter Klein und Dr. Olaf Schmidt werden für
wissenschaftliche Arbeiten mit dem Carl Sonnenschein-Preis des KV
ausgezeichnet. Gemeinsame Fahrten führen nach Holland, zur Lahn, zur Adam
Opel AG und nach Tübingen. Das letzte Wintersemester ist dem Thema:
"Die Zukunftsperspektiven des Sozialstaats Deutschland" gewidmet.
Versuche starten, die Verbindung zur Universität zu intensivieren: In
Kooperation mit dem AStA veranstaltet Ketteler eine Podiumsdiskussion mit den
sozialpolitischen Sprechern aller Landtagsfraktionen im
Kulturcafé am Forum.
Die Familientreffen
erleben in Montabaur eine gelungene Renaissance. Für Furore sorgt die
erste Damenkneipe im Rhein-Main-Wohnhnheim unter dem Präsisium der Gattin
des AHV-Vorsitzenden Claudia Siebner.
erstmals in der Geschichte
des KStV Ketteler gelang im Jubiläumssemester die Durchführung einer
Vortragsveranstaltung gemeinsam mit dem Studium Generale der
Johannes-Gutenberg-Universität; Prof. Dr. Dr. F. J. Radermacher
referierte und diskutierte über das Thema: "Die Globalisierung als
Herausforderung.' Die Lebendigkeit der Ketteler manifestierte sich
schließlich beim glanzvollen 50. Stiftungsfest vom 3. - 5. Juli 1998.
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