Synchronisation in Deutschland
von Peter Hoffmann
Die Anf�nge
Mit der Einf�hrung des Tonfilmes stand man vor dem Problem, wie
man die in einer Fremdsprache gedrehten Filme dem eigene Publikum
pr�sentieren sollte. Zun�chst behalf man sich damit, da� man
einen Film in mehreren (Sprach-)Versionen drehte. Dieses
aufwendige Verfahren wurde bis etwa Mitte der drei�iger Jahre
angewandt. So drehten etwa Greta Garbo (Anna Christie,
1930), Buster Keaton und Laurel & Hardy deutschsprachige
Versionen ihrer Filme. Eine andere Methode war eine Untertitelung
oder gar Zwischentitelung der Originalfassungen. Doch Untertitel
konnten sich, im Gegensatz etwa zu L�ndern wie der Schweiz oder
den Niederlanden, in Deutschland nie durchsetzen. In Deutschland
sollte sich die Synchronisation, also der Einsatz einheimischer
Sprecher, durchsetzen. Bereits 1930 wurde Im Westen nicht
Neues (All Quit On The Western Front) in deutscher
Sprache angeboten (4.12.1930, Berlin, Mozartsaal). Kritiker
bem�ngelten damals die nicht immer lippensynchronen
Sprachaufnahmen. Der Film wurde vom Berliner Synchronstudio
"Rhythmogaphie" am Halleschen Tor bearbeitet. Zu den
Mitarbeitern geh�rte der sp�tere Filmregisseur Werner Jacobs.
"Rhythmographie" wurde �brigens nach der
Macht�bernahme der Nazis "arisiert" und als Firma
L�dtke, Rohnstein & Co. weitergef�hrt. Daneben wurden 1930
die US-Filme Der gro�e Gabbo und Vorhang auf
in Synchronfassungen pr�sentiert. Hollywood, das in Joinville
bei Paris fremdsprachige Versionen ihrer Filme drehte, r�stete
ab ca. 1932 ihre Studios zu Synchronateliers um, doch bald schon
wurden die Synchronstudios in die einzelnen L�nder verlagert. Ab
Mitte der 1930er Jahre hatten US-Firmen wie MGM eigene
Synchronstudios in Deutschland (Berlin). In aufwendigen Verfahren
wurden die deutschen Stimmen ausgesucht; so wurde der
Schauspieler Siegfried Sch�renberg die deutsche Stimme von Clark
Gable. Weitere Sprecher jener Zeit waren Ren� Deltgen (f�r
Spencer Tracy), Erich Ponto (Charles Laughton, Lionel Barrymore),
Arthur Schr�der (Robert Taylor), Til Klokow (Claudette Colbert)
oder Lu S�uberlich (Joan Crawford). Ein Problem waren zu jener
Zeit noch die schlechte Tonqualit�t und oft haneb�chene
�bersetzungen. �ber die Anf�nge der Synchronisation in fremden
Sprachen gibt es wenig Literatur. Die Angaben in den
filmhistorischen Werken sind sp�rlich und ungenau. "Die
Filialen ausl�ndischer Filmgesellschaften, der amerikanischen
Metro-Goldwyn, der Paramount und der Universal, nahmen in Berlin
ihre Arbeit auf. Die k�nstlerischen und technischen Mitarbeiter
waren Deutsche.Sie entwickelten das im Grunde noch heute g�ltige
Verfahren und �bernahmen dabei einige Fachausdr�cke aus dem
Englischen, wie 'take', 'taken', 'checken' u.a., die Bestandteil
des Fachvokabulars geworden sind. Andere ausl�ndische
Produzenten folgten dem Beispiel, freilich, ohne eigene Filialen
zu errichten. ....Die Synchronisierung ausl�ndischer Filme in
den Berliner Ateliers war auf eine Jahresproduktion von etwa 50
Streifen angewachsen, als sie - noch vor Ausbruch des Zweiten
Weltkrieges - unter Druck des hitlerfaschistischen Regimes zum
Erliegen kam." (1). Die Synchronisation in jenen Jahren
trieb manchmal seltsame Bl�ten. F�r die deutsche Fassung von David
Copperfield (1934) wurden die Kulissen im Studio nachgebaut
(!), die deutschen Synchronschauspieler sprachen darin ihre
Rollen, "verfolgt" vom Mikrofon. Allerdings verzichtete
man aus Kostengr�nden auf weitere Experimente dieser Art...Man
darf allerdings die Anzahl der synchronisierten Filme nicht mit
heutigen Ma�st�ben vergleichen. Die Anzahl ausl�ndischer Filme
zu deutschen Produktionen war damals vergleichsweise eher gering.
Und nicht jeder fremdsprachige Film wurde auch synchronisiert.
Gegen Ende 1934 z.B. stellten US-Firmen aufgrund der
Kontingentgestaltung der Reichsregierung die Synchronarbeiten
vor�bergehend ganz ein (2). Neben MGM hatten u.a. auch Paramount
oder die Deutsche Fox Film eigene Synchronabteilungen. Weitere
Synchronfirmen jener Jahre waren u.a. die Tobis Melo Film (Berlin),
L�dtke, Rohnstein & Co. (Berlin) oder die Bavaria in
M�nchen. Eine Auswahl der damals synchronisierten Filme: Filmverr�ckt/
Movie Crazy (mit Harold Lloyd -sein deutscher Sprecher war
Werner Finck- , USA 1932), X-27/ Dishonoured (mit
Marlene Dietrich, USA 1931) oder Mata Hari (mit Greta
Garbo, USA 1932). Einer der letzten synchronisierten Filme vor
Ausbruch des zweiten Weltkrieges war Der Werkpilot/ Test
Pilot mit Gustav Knuth als Stimme von Clark Gable und Ren�
Deltgen als Stimme von Spencer Tracy. 1940 liefen die letzten US-Filme
in Deutschland an. So endete dieses Kapitel, das deutsche
Publikums mu�te vor allem mit einheimischen Produktionen vorlieb
nehmen. Ausnahmen waren u.a. ungarische, italienische oder
franz�sische Produktionen, die nach wie vor synchronisiert
wurden.
Neuanf�nge nach dem Krieg
Nach dem Krieg startete sofort eine Welle mit fremdsprachigen
Filmen. Anfangs wurden die Filme in Originalfassung gespielt, was
beim Publikum �berhaupt nicht ankam. Daher wurden die Filme
zun�chst mit Untertiteln, kurze Zeit sp�ter in
Synchronfassungen gespielt. In der US-Zone wurden die Filme von
der MPEA (Motion Picture Export Associaton) in den Filmstudios
Geiselgasteig synchronisiert. Leiter der MPEA-Synchronabteilung
war Edgar G. Techow, der seit 1926 im Filmgesch�ft t�tig war
und von 1937 als Dramaturg bei der Terra-Filmkunst t�tig war. Ab
1949 wurde er unterst�tzt von Josef Wolf, der seit 1930 (zun�chst
unter dem Pseudonym Wolfgang Fels) mit Synchronarbeiten
besch�ftigt war. Nachdem die MPEA Ende 1949 ihre T�tigkeit
einstellte, gr�ndeten Techow und Wolf die Ultra-Film GmbH (kurz
danach kam der sp�tere Wallace-Regisseur Alfred Vohrer
hinzu) in M�nchen, die sp�ter neben der Berliner Synchron die
bedeutenste Synchronfirma in der Bundesrepublik werden sollte.
1946 lief der Film Lebensk�nstler als erster deutsch
synchronisierter US-Film in den Kinos an. In der britschen Zone
wurde in Hamburg synchronisiert (Alster-Studios Ohlstedt, 1950/51
auch Eagle-Lion - die 1951 abgel�st wurden durch Rank-Film - in
Rahlstedt). In der franz�sischen Zone, filmtechnisch eher
unbedeutend, wurde ab 1946 im badischen Teningen synchronisiert (Das
Hohelied der Liebe; Kinder des Olymp geh�rten zu
den ersten dort synchronisierten Filmen). 1948 wurde schlie�lich
in Schlo� Calmuth bei Remagen die Internationale Film-Union (IFU)
gegr�ndet, die dort haupts�chlich franz�sische Filme
bearbeitete. In der russischen Zone schlie�lich wurde der erste
Film nach dem Krieg �berhaupt synchronisiert: Iwan der
Schreckliche (Teil 1) lief ab dem 10. August 1945 (Sprecher:
Wilhelm Borchert, Lu S�uberlich, Ruth Hellberg; Regie: Wolfgang
Staudte). Ab 1946 synchronisierten die neugegr�ndete DEFA und
die private Phoenix-Film von Helmuth Brandis (1951 mit der DEFA
vereinigt). In den Westsektoren Berlins begann man Ende 1946 mit
der Synchronarbeit. Erschwert wurde die Arbeit durch viele
Probleme. Es fehlte an Rohmaterial, da� h�ufig �ber Umwege
beschafft werden mu�te. Hier half u.a. der damalige US-Filmoffizier
Peter van Eyck. Da� 1947 sehr schnell synchronisiert wurde, kann
man aufgrund der �u�erungen von Arnold Marquis nicht
best�tigen, auch eingedenk der Tatsache, da� die
Synchronaufnahmen im Atelier heutzutage f�r einen normalen
Spielfilm drei bis vier Tage dauern. "Den Madonna der 7
Monde (die erste Synchronarbeit von Arnold Marquis 1947, A.
d. A.)....haben wir zweimal eine Woche, damals noch mit voller
Sechs-Tage-Woche, also 12 Tage lang synchronisiert. Da haben wir
allerdings auch vier Probetage vor der Leinwand gesessen, den
Dialog gelernt habend; wir konnten ihn" (3). Ab 1948 lie�
die MPEA auch in den Westsektoren Berlin synchronisieren. Dies
geschah unter dem Eindruck der Berliner Blockade, als die Sowjets
versuchten, den Westteil Berlins von den Westzonen abzuschneiden.
Die MPEA arbeitete in den Mosaik-Studios in Berlin-Lankwitz, die
1946 von Ernst Wolff gegr�ndet wurden.
Synchron-Boom in den 1950ern
Zu Beginn der 1950er Jahre wurde der westdeutsche Filmmarkt f�r
die US-Filmindustrie immer interessanter. Durch die Einf�hrung
der D-Mark 1948 und die sich erholende Wirtschaft war es f�r die
Verleihe nun auch finanziell interessant ihre Filme in der
Bundesrepublik laufen zu lassen. Die MPEA l�ste sich Ende 1949
auf und MGM, Fox, Paramount, Universal u.a. verliehen nun unter
Eigenregie. Dadurch kam es zu einem regelrechten Synchron-Boom.
Vor allem in West-Berlin sollte ab Beginn der 1950er Jahre eine
florierende Synchron-Industrie entstehen. 1950 wurde von Wenzel
L�decke die Berliner Synchron GmbH gegr�ndet, die zusammen mit
der Ultra-Film zu den wichtigsten deutschen Synchron-Betrieben
geh�rte. Daneben gab es in West-Berlin u.a. die Elite-Film Franz
Schr�der oder die Synchronabteilungen der US-Produktionsfirmen
MGM und (vor�bergehend) der RKO. 1952 verlegte die Ultra-Film
ihren Hauptsitz nach West-Berlin. Auch die Deutsche Mondial-Film
und sp�ter die Aura-Film synchronisierten neben M�nchen auch in
West-Berlin. Die (finanzielle) Berlin-F�rderung der
Bundesregierung gab dabei den Ausschlag. Die anderen St�dte
waren gegen�ber Berlin deutlich ins Hintertreffen geraten. In
M�nchen wurden nach Berlin die meisten Filme bearbeitet (Bavaria;
Dt. Mondial; RIVA; Aura-Film; Aventin-Studios). In Hamburg wurden
haupts�chlich britische Filme synchronisiert (Alster-Studios;
Rank-Film; Eagle-Lion; Real-Film [sp�ter Studio Hamburg]; Dt.
London Film). In Remagen bei der IFU synchronisierte man vor
allem franz�sische und italienische Filme.
Einige Filmverleiher machten aus der deutschen Synchronisation ein gro�es Geheimnis. Beispielhaft ist z.B. MGM, in deren Vor- und Absp�nnen man vergeblich nach Synchronbuchautor, Synchronregisseur oder gar nach Synchronschauspielern sucht. MGM war offenbar bestrebt, die deutschen Zuschauer in dem Glauben zu lassen, die ausl�ndischen Darsteller w�ren der deutschen Sprache m�chtig. In Filmzeitschriften jener Jahre findet man auf den Leserbriefseiten bzw. Frage- und Antwortecken dann immer auch Zeilen wie: "Nein, liebe XX, Gary Cooper spricht kein Deutsch. Sein deutscher Sprecher war Wolfgang Lukschy!" Dar�ber hinaus war MGM auch immer f�r au�ergew�hnliche Synchronbesetzungen bekannt. So setzte MGM z.B. f�r Paul Newman als Sprecher zun�chst Wolfgang Kieling und sp�ter Michael Chevalier ein, w�hrend ansonsten Gert G�nther Hoffmann Newmans deutsche Stimme war. Offener gingen die Kollegen von RKO mit ihren deutschen Fassungen um. Hier wurden meist ausf�hrliche Angaben zur Synchronfassung gemacht (Dialogbuchautor, Dialogregisseur, Tonmeister, Cutter und gelegentlich aus Sprecher). �hnlich war es bei der Hamburger Rank-Film.
Fr�her geh�rten zur deutschen Bearbeitung auch das Neu-Einkopieren deutschsprachiger Titel in Vor- und Nachspann sowie das Neu-Drehen von Schrift in Film, z.B. bei Briefen, T�rschildern, Zeitungsmeldungen etc. Aus Kostengr�nden wird beides heute weitgehend unterlassen, man beschr�nkt sich meist nur auf die Einblendung des deutschen Filmtitels, wenn �berhaupt. Einen wichtigen Wendepunkt bei der Synchronisation stellte der �bergang vom Lichtton- zum Magnetton-Aufnahmeverfahren (ca. 1954) dar. Wurden Text und Ger�usche zuvor per Tonkamera auf Filmmaterial aufgezeichnet, das erst bearbeitet werden mu�te, so konnte man nun die auf Magnetband mitgeschnittenen Aufnahmen direkt kontrollieren und entsprechend einfacher handhaben.
�
Synchronisation heute
Die moderne (Digital-)Technik hat auch in den Synchronstudios
Einzug gehalten. Dauerte die Synchronisation eines Spielfilmes
fr�her ca zwei Wochen, so reichen heute einige Tage. Kostendruck
und Filmpiraterie lassen eine sorgf�ltige Bearbeitung leider
immer seltener zu.
Verwendung dieses Textes nur mit ausdr�cklicher Genehmigung des Autors!
Verwendete Literatur: Th. Br�utigam: Lexikon der Film- u. Fernsehsynchronisation, Lexikon Imprint Verlag, 2001/ N. Aping: Das Dick-und Doof-Buch/ Cinegraph- Lexikon zum deutschsprachigen Film, edition text u. kritik/ Karsten Pr��mann: "Zum Problem des Synchronisation fremdsprachiger filme und Fernseh-Sendungen unter besonderer Ber�cksichtigung des Schauspielers Arnold Marquis", Uni K�ln 1987
weitere Literaturhinweise:
(1) Wilkening, Prof. Dr. Albert (Hg.): "Kleine Enzyklop�die
Film, Leipzig 1966, S. 268
(2) Brief des Synchronschauspielers Harry Giese an den
Reichsfachschaftsleiter Carl Auen, Dezember 1934
(3) Arnold Marquis im Gespr�ch mit Dieter Thoma in der TV-Sendung
"K�lner Treff"
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Synchronsprecherangaben zum Film Die Welt
der Suzie Wong (1960) aus dem Filmprogramm IFB Nr. 5657. Die
Filmprogramme IFB (Illustrierte Film-B�hne), DNF (Das neue
Filmprogramm) und auch die Vorg�ngerserie der IFB, der "Illustrierte
Film-Kurier" druckten gelegentlich Synchronsprecherangaben.
In diesem Fall z.B. waren sie leider unvollst�ndig; Sylvia Sims
wurde von Bettina Sch�n, Laurence Naismith von Georg G�tlich
gesprochen. Ab und an (z.B. bei kurzfristigen Umbesetzungen)
waren die Angaben auch falsch.
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