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ZEITUNGEN Darling Anita

Journalistenwettkampf in der Filmstadt: Der »Hollywood Reporter« und »Variety« berichten von Produzenten und Stars - möglichst indiskret.
Von Helmut Sorge
aus DER SPIEGEL 41/1999
Dieser Beitrag stammt aus dem SPIEGEL-Archiv. Warum ist das wichtig?

Die Schönen und Mächtigen in Hollywood finden diese Frau »erstaunlich« und »fabelhaft«. Schon kurz nach dem Kennenlernen wird sie meist »Darling« genannt, beim nächsten Gast heißt es gleich: »Das ist meine beste Freundin.«

Anita Busch weiß genau, warum Gäste bei Cocktails und Dinner um ihre Nähe buhlen - sie ist schließlich die Chefredakteurin des »Hollywood Reporter«, einer Tageszeitung wie kaum eine andere in der Welt. Täglich News über Hollywood, doch kaum Klatsch und Glamour, sondern Entertainment als Industrie.

Der »Hollywood Reporter«, so Herausgeber Robert Dowling, »ist Teil dieser Stadt« und damit der hier verbreiteten Sucht, reich und berühmt werden zu wollen. Wer nicht in seiner Zeitung steht, hat hier nie existiert. Wer keine Schlagzeilen liefert, kann auch kein Star sein.

Die Auflage des Insider-Blattes ist eher bescheiden, 24 000 Exemplare werden täglich verkauft. Und dennoch, so die »New York Times«, ist die Zeitung aus Hollywood »nahezu Pflichtlektüre«.

Über den »Hollywood Reporter« nämlich, der in Magazin-Format erscheint, kommuniziert die Filmstadt »mit- und übereinander«. Die Schauspieler etwa können nachlesen, welche Produktionen geplant sind, die Produzenten erfahren, welche Gesetze im US-Kongress in Vorbereitung sind, die Hollywoods Phantasien, etwa in der Darstellung von Gewalt, beschränken könnten.

Exklusiv meldete das Blatt, dass sich nur noch 4 von 38 neuen US-Fernsehserien in diesem Jahr auf das Leben des schwarzen Amerika konzentrieren, Julia Roberts für ihren nächsten Film 20 Millionen Dollar Gage erhält und Martin Scorsese, Leonardo DiCaprio und Robert De Niro gemeinsam an einem Filmprojekt arbeiten wollen, »Gangs of New York« soll es heißen.

Eine Zeile mit Namensnennung auf der ersten Seite des »Hollywood Reporter«, ein Foto sogar, suggeriert dem Leser: »Diese Person hat Bedeutung.« Und Agenten, Regisseure, Produzenten, PR-Manager notieren den Namen womöglich in ihrer Computerkartei - für die Einladung zur nächsten Cocktailparty oder besser noch für einen Termin zum Casting.

»Wen auch immer unsere 67 Redakteure anrufen«, sagt Dowling, »ein Rückruf ist ihnen sicher.« Und das soll in dieser von Paranoia gezeichneten Stadt schon was heißen: Denn die Agenten und »publicists« schirmen ihre Stars normalerweise gegen Journalisten ab. Interviews gewähren manche Schauspieler nur, wenn die Zeitung oder das Magazin zuvor Verträge unterschreibt, in denen zugesichert wird, dass unbequeme Fragen nicht gestellt und Fotos vor dem Abdruck selbst ausgewählt werden können.

Hollywood sei stets »von einer gewissen Angst geprägt«, so Chefredakteurin Anita Busch. Selbst Pressesprecher von Filmstudios würden darauf beharren, ohne Namensnennung zitiert zu werden, obwohl sie selbst die Redaktionen über diesen oder jenen »Deal« informiert hätten.

Oft seien die News, die Agenten oder PR-Manager verbreiteten, »allenfalls ein Versuchsballon«, heiße Luft also, mit der Tatsachen vorgetäuscht würden, damit der Name eines Schauspielers oder Regisseurs endlich mal wieder in einer Meldung erscheine.

Anita Busch und ihre Redakteure versuchen täglich, »die Wirklichkeit von den Phantasien« zu trennen. Der Druck, so die Blattmacherin, sei »erheblich«, denn in Los Angeles, der Hauptstadt der globalen Entertainment-Industrie, muss der »Hollywood Reporter« sich zu allem Überfluss auch noch mit einem Rivalen auseinander setzen, der dieselben Leser anspricht und um dieselben Anzeigenkunden wirbt - »Variety«, ebenfalls ein so genanntes »trade paper«, ein Fachblatt also, Auflage 30 000 Exemplare.

Die Rivalität mit »Variety«, so Anita Busch, die drei Jahre Filmexpertin bei dem Konkurrenzblatt war und den »Reporter« seit Januar dieses Jahres

* Mit Richard Gere in dem Film »Die Braut, die sich nicht traut«.

führt, »ist unerbittlich« und nichts anderes als ein täglicher Existenzkampf. »Variety«, vor 94 Jahren in New York gegründet, erscheint seit 1933 täglich in Los Angeles, den »Hollywood Reporter« gibt es seit 1930. Beide Blätter sind in den Besitz von Medien-Konglomeraten übergegangen, der »Hollywood Reporter« wird von der niederländischen Verlagsgruppe VNU kontrolliert, »Variety« von dem Medienkonzern Reed Elsevier.

6700 Anzeigenseiten schalteten die Werber im letzten Jahr im »Reporter«, 2000 mehr, behauptet Dowling, als die Konkurrenten von »Variety« vorweisen können. Seit Frau Busch das Blatt führe, sagt der Herausgeber, »hat die Konkurrenz nichts mehr zu lachen«.

Schon als Reporterin war Anita Busch in »Hollywood gefürchtet und bei vielen unbeliebt"("New York Times"), eben weil sie Konflikte mit den Mächtigen der Entertainment-Industrie nicht scheut. »Einschüchtern, manipulieren lass ich mich von niemandem«, sagt sie.

Die Rivalen von »Variety« will sie durch ein Dauerfeuer von Exklusivmeldungen »mürbe machen«, die Konkurrenz »schreckt mich nicht, die stimuliert«.

Auch global will sich der »Reporter« unter ihrer Führung stärker engagieren. Zwei Korrespondenten hat das Blatt inzwischen in Deutschland stationiert, gelegentlich reist der Auslandschef aus Hollywood persönlich an und recherchiert. Ein Objekt seiner Neugierde: die Kirch-Gruppe in München. HELMUT SORGE

* Mit Richard Gere in dem Film »Die Braut, die sich nichttraut«.

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