Kurz und knapp – darum geht’s

Wien im Ausnahmezustand: Tausende Demonstranten halten die Stadt seit Tagen mit ihrer Wut auf „das System“ in Atem. Die Polizei wirkt überfordert, scheint die Lage nur mit Mühe unter Kontrolle zu haben. Während einer nicht genehmigten Demo im Regierungsviertel kommt es zu Ausschreitungen, anschließend liegt der Student und Aktivist Jakob Volkmann tot am Boden. Wurde er zum Opfer von Polizeigewalt? Für die Wiener Kripo-Beamten Moritz Eisner und Bibi Fellner deutet zunächst vieles darauf hin, doch dann gerät die Polizei selbst in die Schusslinie radikaler Staatsfeinde, die zu allem entschlossen und tatsächlich nur schwer zu fassen sind …
Der neue Tatort Wien ist am Sonntag, den 01.06.2025 um 20:15 Uhr im Ersten zu sehen.

Inhalt der Tatort-Folge „Wir sind nicht zu fassen!“

Hubschrauber kreisen über der Stadt, schwer bewaffnete Polizeieinheiten stehen aggressiven Demonstranten gegenüber, die nicht wissen, wohin mit ihrer Wut. Über die Straßen und Plätze der österreichischen Kapitale schallen Rufe von „Polizeistaat“, „Bevormundung“, „die da oben“. Eine unheimliche Atmosphäre liegt in der Luft, die Regierung hat den Ausnahmezustand verhängt und die Polizei angewiesen, alle nicht angemeldeten Demos strikt zu unterbinden. Und als hätten die Gesetzes- und Demokratiehüter in dieser aufgeheizten Stimmung nicht schon genug damit zu tun, die Situation halbwegs unter Kontrolle zu halten, wird am Rand der Demo ein Toter gefunden: Jakob Volkmann, Mitte 20, Student, ist mitmarschiert im Mob der Wütenden, nun liegt er mit einer schweren Platzwunde am Kopf und blutüberströmt auf dem Pflaster. Doch selbst in dieser Lage behält Bibi Fellner ihren trockenen Wiener Humor: „Deeskalation? Na, das würde unser Toter hier bestimmt anders sehen“, hält die Majorin ihrem Kollegen Markus Schuch entgegen, dem Einsatzleiter, der beteuert, die Situation so weit wie möglich entspannen zu wollen und sogleich darauf verweist, dass die Gesamtverantwortung nicht bei ihm, sondern beim Polizeipräsidenten liegt.

Klar, dass die Nerven bei allen Verantwortlichen blank liegen, doch Bibi und ihr Kompagnon Moritz Eisner haben nun mal einen gewaltsamen Tod aufzuklären, also müssen sie ihren Kollegen von der Schutzpolizei auf die Pelle rücken und den Tatort genau inspizieren. Was hat es etwa mit den zahlreichen Flugblättern auf sich, die überall verstreut am Boden liegen und auf denen nur ein einziger Satz zu lesen ist: „Wir sind nicht zu fassen!“? Nicht das einzige Rätsel im gleichnamigen TV-Krimi. Eher zufällig erfahren die Ermittler Eisner und Fellner davon, dass das Todesopfer beim österreichischen Staatsschutz aktenkundig war. Doch Kollege Schubert, einer der „Schlapphüte“, gibt sich auf Nachfrage äußerst zugeknöpft – was soll man von Geheimdienstlern auch anderes erwarten? Moritz Eisner kann seinen Ärger darüber, dass ihm die anderen Sicherheitsbehörden beim Ermitteln Steine in den Weg legen (so empfindet er es jedenfalls), kaum noch zurückhalten, sehr zum Missfallen seines Chefs „Ernstl“ Rauter. Von der vielbeschworenen „Bündelung aller Kräfte“, um den Mord schnellstmöglich aufzuklären, kann jedenfalls keine Rede sein.

Gelassener, doch nicht minder entschlossen knöpft sich Bibi derweil die am Einsatz beteiligten Polizisten vor. Besonders der Beamte Jonas Leisch gerät in ihr Visier, hat er doch in brenzligen Situationen schon öfters über die Stränge geschlagen. Seine Bodycam lenkt die Aufmerksamkeit der feinsinnigen Ermittlerin aber auf eine andere Figur: Jessica Plattner, eine Demonstrantin, mit der Leisch während des Einsatzes verbal aneinandergeraten ist. In ihrer ganzen Wut und Aggression wirkt Plattner so überdreht, dass Bibi vermutet, dass sie von etwas ablenken will – vielleicht vom Mord an Jakob Volkmann? Leider verweigert Plattner konsequent jede Kommunikation mit der Polizei, die sie als Teil des von ihr so sehr verhassten „Systems“ ansieht.

In dieser Hinsicht war sich Plattner mit dem Mordopfer Jakob Volkmann einig, der sich ebenfalls in einer kruden Mischung aus Verschwörungstheorien, Elitenhass und Staatsverachtung eingeigelt hat. „KAPO – Kampfbereite Außerparlamentarische Opposition“ heißt die Gruppe rechtsradikaler Aktivisten, der sich Jakob angeschlossen hat und die auf der Beobachtungsliste des Staatsschutzes ganz oben steht. Kein Wunder, dass sich Jakob auch mit seiner Familie überworfen hat, die entsetzt war über seine politischen Ansichten. Nur zu seiner Schwester Miriam hatte er noch gelegentlich Kontakt, die als einzige in der Familie ehrlich um Jakob zu trauern scheint. Und welche Rolle spielt Jakobs Freundin Katja Ralko – ebenfalls Mitglied der „KAPO“ –, die auch an der Demo teilgenommen hat, die für Jakob tödlich endete?

Es sind viele lose Enden, die die Kommissare im ORF-Tatort „Wir sind nicht zu fassen!“ zu einem schlüssigen Bild zusammenfügen müssen. An Druck von allen Seiten mangelt es nicht, seien es die anderen Polizeibehörden, der Staatsschutz oder die hysterisierte Öffentlichkeit, die unbedingt an einen empörenden Fall von „Polizeigewalt“ glauben will. Auch Eisner und Fellner halten dieses Szenario zunächst für wahrscheinlich, doch als ihre junge Kollegin Meret Schande ins Visier der radikalen Staatsfeinde gerät, müssen sie erkennen, dass sie es mit einem scheinbar übermächtigen und zu allem entschlossenen Gegner zu tun haben, der tatsächlich „nicht zu fassen“ ist – oder etwa doch?!

Hinter den Kulissen

Der Tatort „Wir sind nicht zu fassen!“ ist der 36. Fall für die Wiener Ermittler Moritz Eisner (Harald Krassnitzer) und Bibi Fellner (Adele Neuhauser), die sich Ende 2026 in den Ruhestand verabschieden werden, wie der ORF Mitte April bekanntgab. Gedreht wurde im Februar und März 2024 in Wien und Umgebung.

Regisseur und Autor Rupert Henning inszenierte die Tatort-Episode 1304 als rasanten Politthriller, der die Frage aufwirft, welche Folgen drohen, wenn sich Teile der Gesellschaft immer weiter radikalisieren, vernunftgeleitete Diskussionen unmöglich werden und Aggression und Gewalt die Oberhand gewinnen. Henning dazu: „Ich wollte einen spannenden und hochemotionalen Krimi erzählen, der auf staatlicher und auch auf familiärer Ebene den Zustand einer Gesellschaft zeigt, die sich in einem permanenten Ausnahmezustand befindet.“
Auch Hauptdarstellerin Adele Neuhauser empfindet die derzeitige Weltlage durchaus als bedrohlich: „Möglicherweise war ich zu blauäugig in meinem Glauben, dass die Dinge schon einen guten Weg nehmen werden. Da hatte ich noch nicht mit Verrückten wie Trump, Putin und anderen Autokraten gerechnet, vor denen wir uns schützen müssen. […] Demokratie ist das Recht eines jeden Einzelnen auf sein Glück, auf ein friedliches Leben. Dieses Ideal kann nicht überholt sein.“ Umso wichtiger ist es ihr und Harald Krassnitzer, dass sie zwei Kriminalbeamte verkörpern, die angesichts der Bedrohung durch die Extreme nicht aufgeben, sondern die Kraft der Vernunft hochhalten: „Eisner sieht das Geschehen mit professioneller Gelassenheit und bringt auch die nötige Energie auf, um den Gegnern von Demokratie und Rechtstaatlichkeit konsequent entgegenzutreten. […] Er glaubt nicht daran, dass es mit den alten Dogmen funktionieren kann. Für ihn geht es nur über die Vernunft. Wir haben es in Österreich ja gerade erlebt, wohin es führen kann, wenn man auf die hergebrachten Schemata des Autoritären vertraut, um seine Glückseligkeit oder Beruhigung zu finden.“

Ausgestrahlt wird der neue Tatort Wien am Sonntag, den 1. Juni 2025 um 20:15 Uhr im Ersten Programm der ARD.

Tatort-Kritik

Die Redaktion von Tatort-Fans meint:
Das Label „Politthriller“ ist mehr als angemessen für diesen temporeichen Tatort, der dem Publikum kaum Verschnaufpausen gönnt in seinem rasanten Wechselspiel von klassischer Ermittlungsarbeit und gleichzeitiger Zuspitzung der Ereignisse. Auch wenn es stellenweise schwerfällt, den Überblick über die zahlreichen Figuren zu behalten: Die radikale Protestszene wird mit ihren Akteuren und Zielsetzungen angemessen realitätsnah dargestellt, und das gilt leider auch für den sehr nachdenklich stimmenden, aber dramaturgisch geschickt eingefädelten finalen Twist. Kleines Manko: die allzu sehr erklärend-didaktisierend anmutenden Rückblenden, die Jakobs Radikalisierung zeigen. Sicher gut gemeint, aber filmisch bestenfalls durchschnittlich umgesetzt. Ansonsten gilt: der richtige Film zum richtigen Thema zur richtigen Zeit, Unterhaltung mit Haltung im besten Sinne.

Besetzung

Oberstleutnant Moritz Eisner – Harald Krassnitzer
Majorin Bibi Fellner – Adele Neuhauser
Kriminalassistentin Meret Schande – Christina Scherrer
Oberst Ernst Rauter – Hubert Kramar
Gerichtsmediziner Prof. Werner Kreindl – Günter Franzmeier
Schubert, Staatsschutz-Beamter – Dominik Warta
Markus Schuch, Einsatzleiter der Polizei – Wolfgang Oliver
Leyla Kiyak, Polizistin – Beritan Balci
Jonas Leisch, Polizist – Noah L. Perktold
Jakob Volkmann, Mordopfer – Tilman Tuppy
Katja Ralko, seine Freundin – Julia Windischbauer
Miriam Volkmann, Jakobs Schwester – Theresa Martini
Nora Volkmann, Jakobs Mutter – Daniela Gaets
Oskar Volkmann, Jakobs Vater – Andreas Simma
Jessica Plattner – Julia Edtmeier
Heiko Tauber – Gerald Votava
Gejza von Rencz – Michael Weger
Alexander Woltschak – Philip Leonhard Kelz
Tanja Eybl – Katharina Farnleitner
u. v. a.

Stab

Drehbuch – Rupert Henning
Regie – Rupert Henning
Kamera – Josef A. Mittendorfer
Musik – Thomas Kathriner
Schnitt – Bernhard Schmid
Licht – Thomas Klicka
Ton – Roland Winkler
Szenenbild – Maria Gruber
Kostümbild – Brigitta Fink
Maske – Tünde Kiss-Benke
Casting – Filmfaces OG
Produktionsleitung – Maja Wieser Benedetti
Produzenten – Constanze Schuhmann, Isabelle Welter, Thomas W. Kiennast, Rupert Henning
Redaktion – Bernhard Natschläger (ORF), Kerstin Bertsch (ORF)