Ludwig Achim von Arnim

Isabella von �gypten,

Kaiser Karl des F�nften erste Jugendliebe

Erz�hlung

Braka, die alte Zigeunerin im zerlumpten roten Mantel, hatte kaum ihr drittes Vaterunser vor dem Fenster abgeschnurrt, wie sie es zum Zeichen verabredet hatte, als Bella schon den lieben vollen dunkelgelockten Kopf mit den gl�nzenden schwarzen Augen zum Schieber hinaus in den Schein des vollen Mondes streckte, der gl�hend wie ein halbgel�schtes Eisen aus dem Duft und den Fluten der Schelde eben hervor kam, um in der Luft immer heller wieder aus seinem Innern heraus zu gl�hen. �Ach sieh den Engel�, sagte Bella, �wie er mich anlacht!� – �Kind�, sprach die Alte, und ihr schauderte, �was siehst du?� – �Den Mond�, antwortete Bella, �er ist schon wieder da, aber der Vater ist wieder nicht nach Hause gekommen. Alte, diesmal bleibt der Vater gar zu lange aus, doch ich hatte sch�ne Tr�ume von ihm in der letzten Nacht, ich sah ihn auf einem hohen Throne in �gypten und die V�gel flogen unter ihm, das hat mich getr�stet.� – �Du armes Kind�, sagte Braka, �wenn's nur wahr w�re, hast du denn was zu essen und zu trinken bekommen?� – �O ja�, antwortete Bella, �der Nachbar hat seine �pfelb�ume gesch�ttelt, da sind viele �pfel in den Bach gefallen, die habe ich aufgefischt, wo sie in den Wurzeln am krummen Ufer stecken geblieben, auch hatte der Vater, ehe er ausging, mir ein gro�es Brot herausgelassen.� – �Daran tat er recht�, weinte die Alte, �er hat kein Brot mehr n�tig, sie haben ihm vom Brot geholfen.� – �Liebe Alte sprich�, bat Bella, �mein Vater hat sich doch nicht Schaden getan bei den starken Mannsk�nsten? f�hr mich hin zu ihm, ich will ihn pflegen. Wo ist mein Vater? Wo ist mein Herzog?�[452]

– So fragte Bella zitternd und die Tr�nen fielen ihr aus den Augen durch den Mondschein auf harte Steine nieder – w�r ich ein ziehender Vogel gewesen, ich h�tte mich niedergelassen und meinen Schnabel eingetunkt und sie zum Himmel getragen, so traurig und so ergeben in seinen Willen waren diese Tr�nen. – �Sieh dort�, schluchzte die Alte, �auf dem Berge steht ein Dreifu�, dreibeinig, aber nicht dreieinig. Gott wei� nichts von ihm und doch hei�t er das hohe Gericht, wer vor dem Dreifu� vorbei kommt, der kann noch lange leben, das Fleisch, was da die Sonne kocht, das wird in keinen Topf gesteckt, es h�ngt daran, bis wir es abnehmen. Sei ruhig du armes Kind und schrei nur nicht, dein Vater h�ngt da oben, aber sei nur ruhig, wir holen ihn diese Nacht und werden ihn in den Bach werfen mit allen Ehren, wie ihm zukommt, da� er hinschwimme zu den Seinen nach �gypten, denn er ist auf frommer Wallfahrt gestorben. Nimm diesen Wein und dieses T�pfchen mit Schmorfleisch, halte ihm ein Totenmahl in deiner Einsamkeit, wie es sich geziemt.� – Bella konnte vor Schrecken kaum fassen was sie ihr reichte. Die Alte fuhr fort: �Halt doch fest, da� es nicht f�llt, wein dir nicht die Augen aus, denk daran, da� du jetzt unsre einzige Hoffnung bist, da� du die Unsern, wenn unser Gel�bde vollbracht, zur�ckf�hren sollst; denk auch, da� dir jetzt alles geh�rt, was dein Vater besessen, sieh nur in seiner Kammer zu, da hast du den Schl�ssel, da wirst du viel finden. Ja bald h�tte ich es vergessen, als er mir den Schl�ssel gab, sagte er, du m�chtest dich vor seinem schwarzen Simson nicht f�rchten, der Hund w�rde es schon wissen, da� er dir gehorchen m�sse und dich nicht mehr bei�en d�rfe; dann sagte er noch, du solltest nicht traurig sein, er sei lange am Heimweh krank gewesen und nun werde er gesund da er heimkomme. Das sagte er – und da hast du einen Hutkopf voll Milch, die habe ich einer Kuh auf der Weide ausgemolken, die geh�rt zum Totenmahle. Gute Nacht Kind!� – Die Alte ging und Bella sah ihr nach wie einem b�sen Briefe, der ihr vor Schrecken aus der Hand gefallen und den sie doch gern ganz wissen m�chte; sie w�re lieber mitgegangen, aber sie zauderte in ihrer Traurigkeit und scheute das rauhe Volk, was sie da antreffen w�rde, so sehr sie es liebte.

Die Zigeuner waren damals in der Verfolgung, welche die vertriebenen Juden ihnen zuzogen, die sich f�r Zigeuner ausgaben,[453] um geduldet zu werden, schon s�ndlich verwildert; oft hatte Herzog Michael dar�ber geklagt und alle seine Klugheit angewendet, sie aus dieser Zerstreuung nach ihrem Vaterlande zur�ckzuf�hren. Ihr Gel�bde, so weit zu ziehen, als sie noch Christen f�nden, war gel�st, denn sie waren schon aus Spanien vom Weltmeere zur�ckgekehrt; nur der Wunsch nach der neuen Welt hielt sie in der alten, die nur Krieger, keine Pilger hin�bersetzen wollte. Das Zur�ckf�hren nach �gypten war aber bei der zunehmenden T�rkenmacht, bei der Verfolgung �berall, bei dem Mangel an Gelde unendlich schwer. Schon hatte der Herzog, was sonst ihre Nationalbelustigung war, Proben von St�rke und Geschicklichkeit, (wie sie schwere Tische auf ihren Z�hnen im Gleichgewichte trugen, wie sie sich springend in der Luft �berschlugen oder auf den H�nden gingen) alles das, was sie mit dem Namen der starken Mannsk�nste bezeichneten, zu ihrer Erhaltung zu benutzen gesucht, aber von einem Gebiete ins andre zur�ck gedr�ngt, ersch�pften sich diese Erwerbsquellen und auch die Besseren, wenn selbst das Wahrsagen nicht mehr galt, sahen sich gezwungen ihre �rmliche Nahrung zu stehlen oder mit jagdfreien Tieren, wie Maulw�rfe und Stachelschweine f�rlieb zu nehmen. Da f�hlten sie erst recht innerlich die Strafe, da� sie die heilige Mutter Gottes mit dem Jesuskinde und dem alten Joseph versto�en, als sie zu ihnen nach �gypten fl�chteten, weil sie nicht die Augen des Herrn ansahen, sondern mit roher Gleichg�ltigkeit die Heiligen f�r Juden hielten, die in �gypten auf ewige Zeit nicht beherbergt werden, weil sie die geliehenen goldnen und silbernen Gef��e auf ihrer Auswanderung nach dem gelobten Lande mitgenommen hatten. Als sie nun sp�ter den Heiland aus seinem Tode erkannten, den sie in seinem Leben verschm�ht hatten, da wollte die H�lfte des Volks durch eine Wallfahrt, so weit sie Christen finden w�rden, diese Hartherzigkeit b��en. Sie zogen durch Kleinasien nach Europa und nahmen ihre Sch�tze mit sich, und solange diese dauerten, waren sie �berall willkommen; wehe aber allen Armen in der Fremde.

Das mu�te voraus berichtet werden, jetzt zu unsrer Geschichte zur�ck. Ein neuer Haufe, unter denen Happy und Emler, waren vor acht Tagen aus Frankreich ohne alles Geld angekommen, der Herzog entschlo� sich zu ihrem Unterhalt selbst seine K�nste wieder einmal zu zeigen, er ging mit ihnen in ein Wirtshaus, und als[454] er eben zu aller Bewundrung acht M�nner auf Arm und Schultern trug, kam das Geschrei, der Happy sei gefangen, er habe zwei H�hne im Hofe gestohlen und im Fortgehen habe ihn ihr Kr�hen verraten und Michael, der Herzog, sei blo� darum im Zimmer geblieben, um die Leute heranzulocken. Die Genter B�rger verziehen wegen ihres Reichtums keinen Diebstahl; vergebens stellte sich Herzog Michael, als ob er den Happy im Augenblicke erschie�en wollte, er selbst und Emler wurden mit dem Happy verhaftet, und als Diebe zum Strange verurteilt: damals gab es ein strenges Recht gegen die Zigeuner, sie totzuschlagen, wo sie sich finden lie�en. Michael beteuerte umsonst seine und Emlers Unschuld vor dem Gerichte und sprach: �Uns geht es wie den M�usen, hat eine Maus den K�se angenagt, so sagt man: ›die M�use sind's gewesen‹, da geht's an ein Vergiften, und Fangen aller, so sind wir Zigeuner jetzt nirgends mehr sicher als am Galgen!� – Dieser sichre Ort wurde ihm durch das Gesetz und er weinte schmerzliche Tr�nen aus der H�he zur Erde, da� er, der letzte m�nnliche Erbe seines hohen Hauses, so ehrlos und unschuldig umgebracht werde; da schlo� sich seine Kehle bis zum J�ngsten Tage, wo er seine Klage gegen die Unbarmherzigkeit der Reichen vortragen wird, die ein Menschenleben gegen die Sicherung ihrer toten Sch�tze gering achten, da wird das Strick so wenig durch ein Nadel�hr gehen, wie ein Kamel, und so werden die Reichen nicht eingehen ins Himmelreich, wo Bella ihren Vater wiederfindet.

Als Bella wieder zu sich gekommen, rief sie mehr als einmal: �Also das hat mir der Traum bedeuten sollen, da� mein Vater erh�ht wurde, ja wohl ist er jetzt erh�het in den Himmel und wei� von uns nichts mehr oder alles!� – Der schwarze Hund kam jetzt gegen seine Gewohnheit von der Kammert�r, legte sich ihr zu F��en und heulte: �Also du wei�t es auch schon Simson?� fragte sie ihn und der Hund nickte. �Willst du mir k�nftig dienen?� Der Hund nickte wieder, lief ans Fenster und kratzte. Bella sah hinaus, der Schieber war offen geblieben: sie sah die Gestalt ihres Vaters ferngl�nzend schweben, und pl�tzlich sank er hinunter. �Jetzt haben sie ihn heruntergenommen, jetzt halten sie ihm ein Ehrenmahl, ich mu� auch unter freien Himmel zum Totenmahl.� – Mit dem Weinkruge und dem Brote, den schwarzen Hund zur Seite, trat sie in den verw�steten Garten; das Haus war schon seit zehn Jahren der Gespenster[455] wegen unbewohnt geblieben, denn so lange hatten die Zigeuner sich darin eingenistet und den Besitzer, einen reichen Kaufmann der Stadt, der es sich als Sommersitz eingerichtet hatte, daraus zur�ckgeschreckt, bis er selbst wegen eines Bankerotts eingesteckt und sein Verm�gen f�r die Gl�ubiger in bekannter Nachl�ssigkeit verwaltet wurde. Jetzt hatten sie unter dem Schwert der Gerechtigkeit vollkommene Ruhe dort zu hausen, nur durften sie sich am Tage nicht zeigen, w�hrend ihnen Nachts alle Leute aus dem Wege gingen. So trat das bleiche sch�ne Kind wie ein Gespenst zur Haust�re hinaus und der W�chter in den nahen G�rten fl�chtete sich bei ihrem Anblick in eine entfernte Kapelle, um betend den heiligen Schutz des Glaubens zu f�hlen. Bella wu�te nicht, da� sie erschreckte, die Trauer um den Verlust ihres einzigen Gedankens, ihres Vaters, �ber den sie sich ganz vergessen hatte, machte sie stumpfsinnig, sie wu�te nichts als die Regeln der alten Braka genau zu erf�llen; es war ihr das Liebste, da� sie noch etwas zu ihres Vaters Ehre tun konnte. Sie breitete also, wie es bei Totenmahlen ihres Volkes gew�hnlich, ihren Schleier �ber einen Feldstein aus, setzte zwei Becher und zwei Teller darauf, brach ihr Brot f�r beide, go� Wein in beide Becher, stie� mit den Bechern an, leerte den ihren und sch�ttete den Becher des Toten in den schwimmenden Bach, der sich in geringer Entfernung von dem Hause in die Schelde verlor. Und wie sie dies erste Opfer in den Flu� sch�tten wollte, da rauschte es in der Flut und tauchte empor, als ob ein gro�er Fisch, der in dem Strome keinen Raum hatte, auftauchte und emporschw�mme, der Mond trat hinter dem Hause hervor und sie sah ihres Vaters bleiches Angesicht, auf seinem Haupt die Krone, welche ihm die Zigeuner aufgesetzt hatten, ehe sie ihn in das flie�ende Wasser warfen. Und wie die Welle mit dem teuren Haupte kreiste, so ging dem armen Kinde der Kopf um; sie glaubte, er lebe noch, er suche sich aus dem Wasser zu retten, sie sprang hinein und hielt ihn fest, der schwarze Hund hielt aber sie am Rocke fest und stemmte sich gegen das Ufer; so wurde sie in sinnloser Trauer festgehalten und konnte weder den Leichnam ans Ufer bringen, noch mit ihm fortschwimmen ins Meer. Endlich kam Braka zur�ck, und da ihr an der T�re nicht aufgemacht worden, schlich sie in den Garten, wo sie das wunderbare Bild wie versteinert sah, den kr�ftigen Michael im Totenhemde mit der gl�nzenden[456] silbernen Krone, �ber ihm das bleiche M�dchen, die schwarzen Locken �ber ihm hinwallend, an ihrem Kleide gehalten von dem schwarzen Hunde mit feurigen Augen. Die Alte mu�te nach ihrer Art lachen, weil es etwas so Seltsames war, ungeachtet es ihr sehr zu Herzen ging, und sie nicht von Herzen, sondern nur mit dem d�rren Munde wie ein Hungernder lachen mu�te; dann sprang sie hinzu, hob das M�dchen mit Gewalt ans Ufer und sprach: �La� ihn ziehen, er wei� seinen Weg besser als du!� – Bei diesen Worten zog die Leiche still hinunter und der Mond ging unter Wolken und Bella sank in die Arme der Alten.

Vier Wochen des Schmerzes waren vergangen, die Alte konnte ihrer eigenen Sicherheit wegen nicht alle Tage kommen, und Bella langeweilte sich mit dem Hunde, dessen K�nste sie nicht mehr sehen mochte, der ewig schlief, oder, wenn gegessen wurde, wedelte, sich leckte, kratzte; sie kam endlich darauf, womit andere Erben anfangen, den Nachla� der Verstorbenen zu durchsuchen. Sie schlo� die geheime Kammer auf, nicht ohne Schrecken und Ehrfurcht, aber ihre Erwartung war get�uscht; da waren keine seltene Kleider und Kostbarkeiten, meist nur B�ndel von Kr�utern, S�cke mit Wurzeln, einige Steine, lauter Dinge, von denen sie nichts verstand, weil der Vater ihrem kindischen Wesen keine Achtsamkeit f�r das Geheime zugetraut hatte. Endlich fand sie doch in einer Kiste alte Schriften, die sie durchbl�ttern konnte, manche mit k�stlichen Siegeln geziert, auf wunderlichem Papier in fremder Sprache, die sie aber noch nicht gelernt hatte, andre aber niederl�ndisch-deutsch, das sie wohl schreiben und lesen konnte, da ihre Mutter, aus einem alten Hause der Grafen von Hogstraaten mit Michael entflohen diese Liebe zur alten Sprache ihrem Manne und ihrem Kinde zugebracht hatte. Sie nahm diese B�cher und las eben Nachts, denn bei Tage schlief sie, um alles Ger�usch zu vermeiden, als Braka ihr durch eine zahme Ohreule, mit der sie sich seit einiger Zeit herumtrieb, ein dreimaliges Zeichen gab, da� sie eingelassen sein wollte. Bella sprang unwillig von ihrem Buche auf, das merkw�rdige Zauberhistorien enthielt, und wie Braka eingetreten, setzte sie sich wieder stillschweigend dabei nieder, da� die Alte ganz b�se ihre H�nde in die beiden Seiten stemmte: �Nun, kriegt die alte Braka heut keinen Gru�, keinen Ku�, ja wenn die Kinder klein sind, so wissen sie kaum, was sie einem alles f�r Liebes und Gutes[457] antun sollen, aber kaum fangen sie an, was vollst�ndig zu werden, da haben sie keine Ohren mehr f�r alles Gute, was man ihnen tun m�chte; nun den Kuchen sollst du heute nicht bekommen, wenn du mich nicht recht darum bittest, habe darum eine halbe Stunde beim B�cker warten m�ssen, der sollte heute auf des Prinzen Tisch, die Magd wird sich sch�ne wundern, wenn sie beim B�cker zum Abholen kommt und er schon fort ist.� – �Wenn ich dich auch nicht bitte�, sagte Bella, �du hast doch keine Ruhe, bis ich ein St�ck davon gegessen; gib nur her und sei nicht b�se. Ich bin heute bei meines Vaters B�chern gewesen und habe da so sch�ne Geschichten gefunden, da� ich gern ein Gespenst werden m�chte.� Die Alte sah in das Buch hinein und sagte: �Es ist doch sonderbar, da� ich so alt bin und kann nicht lesen, und du bist nur so ein Kuck in die Welt und kannst es schon; nun h�r einmal, wenn du Lust hast ein Gespenst zu werden, du kannst dazu kommen, das f�llt mir soeben ein und wir k�nnen es brauchen.� – �Was ist denn, du siehst ja so bedenklich aus?� – �Sieh nur Bella�, fuhr die Alte fort, �es ist auch keine Kleinigkeit, was dir bevorsteht: denk nur, Prinz Karl ist gestern vor diesem Gartenhause mit seinem Lehrer Cenrio vorbeigeritten und hat gefragt, wie es k�me, da� es so verschlossen und verfallen auss�he. Cenrio hat ihm er z�hlt, wie die Gespenster alle K�ufer und Mieter abgeschreckt h�tten, alles, wie du es wei�t, wie dein Vater einen, der sich durchaus hier nieder lassen wollte, mit Ruten gehauen, die vielen Eulen, die er in einer Kammer eingesperrt hatte und sie einem andern um den Kopf fliegen lie�: nun du wei�t alles; der Prinz aber, statt da� er dadurch geschreckt worden, schwur, da� er ganz allein eine Nacht in diesem Hause schlafen und die Geister bald vertreiben wolle. Was fangen wir nun an, es kann jede Nacht geschehen, da� er in dies Haus kommt, und seine Leute werden die Ausg�nge sicher so besetzen, da� keiner von den Unsern heraus oder herein kann.� – �H�r Braka�, sprach Bella, �den Prinzen m�chte ich doch gern sehen, ich habe so viel von ihm geh�rt, wie sch�n er ist und wie edel, wie er fechten und reiten kann.� – �Du denkst nun schon wieder an den Prinzen und nicht an unsre Not�, fuhr Braka fort; �hast du wohl Geschick das Gespenst zu spielen, das k�nnte dich retten!� – �Warum nicht�, meinte Bella, �aber wie soll ich's anfangen?� und las weiter in ihrem Buche. – �Sieh Kind�, sprach die Alte, �er kann in keinem andern Zimmer[458] schlafen, als in dem schwarzen mit den goldenen Leisten, neben welchem das geheime K�mmerlein deines Vaters versteckt ist, denn die andern Zimmer haben alle mehr Eing�nge, da ist es ihm nicht so sicher, auch steht nur in diesem eine Bettstelle. Nun sieh, wenn du merkst, da� er stille, da� er eingeschlafen, so schleich aus der Kammer heraus, leg dich zu ihm ins Bette und ich schw�r dir, da� er vor Angst davon l�uft und nie wieder kommt, sollte er aber Mut behalten und dich festhalten, sieh, so kostet es dir ja nur eine L�ge, da� du aus Liebe zu ihm eingedrungen und dein Gl�ck ist vielleicht gemacht.� – �Ja Alte�, sagte Bella und las weiter, �wie du meinst, du mu�t das verstehen, ich wei� nichts davon.� – �Aber sag mir nur, wo du das verfluchte Buch herbekommen hast�, fragte die Alte weiter, �wenn ich mit dir ernsthafte Sachen rede, denkst du an nichts, als an das Buch.� – �Ich hab es aus des Vaters Kammer geholt�, sagte Bella, �es liegen da noch mehrere, nimm dir auch eins.� – �Wenn du es erlaubst�, sagte die Alte, �so gehe ich gern einmal herein; ich habe mich immer gef�rchtet es dir zu sagen, ich wu�te nicht, ob dein Vater es nicht verboten.� – �Geh nur�, sagte Bella, �du wirst sonst nicht viel finden.�

Die Alte ging mit einer gescheiten Neugierde; an der T�re bat sie Bella, den schwarzen Hund wegzurufen, der immer vor der Kammert�r lag und niemand als Bella einzulassen Befehl hatte. Bella rief ihn zu sich und die Alte ging ohne Aufenthalt in die Kammer. Als sie drin war, lachte Bella, wies den Hund wieder zur Kammert�r und versteckte sich, um den Schreck der Alten zu sehen; es war ein Prinzessinnenspa�, aber sie war auch liebensw�rdig, wie eine Prinze� und war von je wie eine Prinze� verehrt worden. Nicht lange nachher wollte die Alte mit einem gro�en Kr�uterb�ndel und mit einem Sacke zur T�re hinaustreten, aber der schwarze Hund machte ihr ein Paar feurige Augen und zeigte die Z�hne; sie trat erschrocken zur�ck und rief nach Bella in gro�er Angst. Zu gleicher Zeit h�rten sie ein ungewohntes Getrappel von Pferden vor der T�re, Menschen, welche �ber den Hof kamen, und Bella fl�chtete sich erschreckt mit dem Lichte und den Speisen und mit dem Hunde zur Alten in die Kammer, die sie verschlossen, um dort in aller Stille abzuwarten, ob dies der Prinz gewesen sei, der seinen Kampf gegen die Gespenster ausfechten wollte. Sie hatten sich nicht geirrt, es war Karl, der k�nftige Beherrscher einer[459] Welt, in der die Sonne nie untergeht, in der ersten Frische des vollendenden Wuchses, der in das verlassene Zimmer kam. Bella konnte ihn durch ein verstecktes T�rloch recht deutlich sehen, ihr war nie so etwas vorgekommen; sie hatte nur braune Zigeuner gesehen, lustig und heftig; dieser aber trat so gro�m�tig einher, so sanft in ge�bter Kraft, sie wu�te, da� er es war, der k�nftige Herrscher, noch ehe ihn seine Begleiter als Prinz gegr��t. Sein Hochmut entz�ckte sie, mit dem er Cenrio zur�ck wies, der die Wette zur�cknehmen wollte, weil er behauptete, der Prinz habe durch seine Anwesenheit bew�hrt, da� er sie wirklich ausf�hren wolle. Der Prinz warf aber rasch sein schwarzsammetnes Barett auf den Tisch, breitete seinen Regenmantel �ber die Bettstelle und befahl Cenrio auf die Umgebung des Hauses zu wachen und ihm ein paar brennende Kerzen im Zimmer zur�ckzulassen, er sei m�de. Cenrio empfahl ihm das Zeichen mit der Pistole nicht zu vergessen, wenn er jemand bed�rfte oder im Fall diese versagte, dabei besah er das Schlo�, so w�rde sein Rufen schon gen�gen, da er einen Soldaten unter dem Fenster ausstellen und selbst in der N�he wachen w�rde. Der Prinz meinte, er m�chte sich das Wachen und Bewachen ersparen, in seinem Panzerhemde mit gutem Degen bewaffnet, sollte ihm so leicht niemand gef�hrlich werden; die Ammenm�rchen von Geistern schreckten ihn aber nicht mehr. Cenrio verlie� das Zimmer. Der Prinz st�tzte sich auf die Hand und lallte ein Lied, um wach zu bleiben; dann streckte er sich aufs Bette und sang wieder, indem er einschlummerte; da das Bette der Kammer gegen�ber stand, konnte Bella ihn deutlich sehen und die Worte vernehmen.


Komm lieblich schwarze Nacht,

Und dr�cke schie�ende Sterne,

Wie Siegel deiner Macht,

Als Zeichen meiner Ferne,

In meine mutige Brust,

Da� aller Funken Lust,

Aus k�nftigen Kronen geschmiedet,

Mich wecke, den Dienen erm�det.

Sie sitzt auf dunklem Thron,

Ihr ruhet auf wolkigem Kissen

Die ewig schimmernde Kron. –[460]

O m�cht ich die Liebliche k�ssen!

Und machte der Venus Stern

Die einzige Nacht mich zum Herrn.

Dann k�nnt ich die Erde umwallen,

Mit allen Kronen, – mit allen.


�Der ist einmal ungeduldig, da� er zur Regierung komme�, sagte die Alte mit leiser Stimme zu Bella. Seine Augen sanken nieder und sein Haupt. Er war eingeschlafen und Bella starrte noch immer zu ihm hin und konnte sich nicht satt sehen; die Alte aber hatte schon ihren Anschlag gefa�t. Die Waffen, Degen und Pistole lagen vor dem Bette des Prinzen, die sollte Bella erst leise holen und dann den Geist spielen und sich zu ihm legen; aber nur mit M�he beredete sie das M�dchen dazu, Schuh und Str�mpfe auszuziehen, damit sie leise gehen k�nne und ihr Kleid auszuziehen, damit sie nirgends ansto�en m�ge und mu�te sie fast zur Kammert�r hinaus sto�en, die sie vorsichtig nur anlegte, um ihr den R�ckzug zu sichern. Das alte Weib hatte sicher eine b�se Absicht bei diesem Vorschlage: das Kuppeln war lange ihr Hauptgesch�ft und diesmal konnte sie auf einmal das Gl�ck aus dem niedern Stande emporrei�en. Bella ahndete von dem allen nichts, es war ihr lieb den Prinzen in der N�he zu sehen; darum untersuchte sie nicht lange, ob der Vorschlag der Alten wirklich vern�nftig angelegt sei. Sie trat also mit gro�er Sorgfalt an das Bette des Prinzen, der so fest schlief, da� sie mit Sicherheit seine Waffen h�tte forttragen k�nnen die Alte sah beide mit Freuden an. Bella nach Art der Zigeuner in eine blaue Leinewand statt des Hemdes gewickelt, die von einem goldnen G�rtel festgehalten wurde, hatte die runden blendenden �rme etwas scheu nach dem Prinzen ausgestreckt, die zierlichen leisen Tritte der schimmernden F��e hinziehend zu ihm, aus ihren unz�hligen Locken tausend Gl�ckslose auf ihn taumelnd in tausend s��en Blicken, bis der Mund sich nicht mehr halten konnte und auf den Mund des Prinzen niedersank. Bis jetzt war ihr alles gelungen, der Prinz aber von dem Kusse erweckt, vor den erschreckten Augen von tausend Phantomen seines Traumes, wie mit gl�henden Kugeln umst�rmt, sprang mit h�chstem Ungest�me auf, und st�rzte atemlos schreiend in das Nebenzimmer; seine Pistole, seinen Degen, alles hatte er vergessen, solch ein Grauen wohnt in der[461] Tiefe des hochm�tigsten Menschen vor der unnennbaren Welt, die sich nicht unsern Versuchen f�gt, sondern uns zu ihren Versuchen und Belustigungen braucht. Bella war so entsetzt von seinem Abscheu, da� sie sich stumm und willenlos der Alten �ber lie�, die sie rasch durch die versteckte Tapetent�re in die Kammer trug. Bald darauf kam der Prinz mit Cenrio und einigen Soldaten zur�ck, die in Wahrheit alle gr��ere Lust hatten drau�en zu bleiben, als einzudringen. Wer so etwas nicht empfunden hat, wird es nicht glauben, aber ein Gespenst schl�gt eine ganze Armee in die Flucht, denn was einem braven Manne �berm�chtig furchtbar ist, das ist es im Durchschnitte f�r alle. Der Prinz zeigte noch den meisten Mut; er schwur laut: �So schrecklich die schwarzen Schlangen an dem Haupte waren, ein sch�neres Antlitz habe ich nie gesehen, ungeachtet der ungeheuren Gr��e in dem besten Verh�ltnisse, einen gl�henden Knopf trug es an der Brust; aber jetzt ist nichts hier bei der heiligen Mutter Gottes, leuchtet nur unter das Bette; will keiner dran, so mu� ich's selbst tun: hier auch nichts; so war's denn doch ein Gespenst, Cenrio, und ich habe meinen T�rkens�bel an Euch verloren Cenrio; w��te ich nur, was das liebe Gespenst verlangt h�tte, bei Gott, ich bleibe hier, seht es f�llt mir erst jetzt alles wieder ein. Sind meine Lippen nicht verbrannt, ich schw�re Euch, es hat mich gek��t, da� mir vor Seligkeit das Herz stieg.

Cenrio, ich will hier bleiben, will es fragen, was es von mir begehrt!� – Cenrio schwur, da� er es nach diesem Schrecke des Prinzen seiner Gesundheit wegen nicht zugeben d�rfe, der Prinz selbst, lie� sich nicht lange bitten, diese harte Probe seiner Herzhaftigkeit aufzugeben. Er war nicht besch�mt, da alle bleich und erschreckt umhersahen und beim leisesten Ger�usch zusammenfuhren, auch konnte er jetzt noch, ohne da� Adrian, der bei seinen B�chern sa�, etwas davon gemerkt h�tte, nach Hause kommen.

Die Alte war nicht ganz zufrieden mit dem Entschlu�, indessen wu�te sie das Gute davon doch noch vollst�ndig zu nutzen, um sich und den Ihrigen das Haus zu sichern, denn kaum war die Haust�re von den rasch auswandernden G�sten verlassen, so sprang sie zum Schrecken der guten Bella wie eine Rasende aus der Kammer, schlug mit allen T�ren heftig auf und zu, warf alle Tische um, da� die Abziehenden in stiller Angst ihre Pferde bestiegen und ohne sich umzublicken, nach der Stadt ritten, wo sie auf ewige Zeiten[462] durch vergr��ernde Erz�hlungen den Geisterruf des Gartenhauses best�rkten. Der Prinz mu�te noch in derselben Nacht mit einem Fieber f�r sein Wagest�ck b��en. Der liebliche Kopf der Bella schwebte ihm darin vor, das Fieber verriet ihn, indem es ihm eine falsche Wahrheit zeigte, und er beichtete es mit gro�er Betr�bnis am anderen Morgen dem Adrian, wie er in ein Gespenst verliebt sei. Das war eine k�stliche Gelegenheit f�r diesen, dem Kaiser Maximilian die Sorge f�r das Lateinlernen seines Enkels, besonders �bertragen hatte, ihm zur Bu�e eine gro�e Menge Vokabeln aufzugeben, die auch der Prinz mit einigem Erfolge gegen den n�chtlichen Eindruck brauchte.

Die arme Bella in ihrer Einsamkeit, mu�te ihre erste Zuneigung h�rter b��en. Nachdem es ihr ein paar Tage gen�gt hatte, statt zu schlafen, an ihn zu denken und Nachts von allen Seiten umzuschauen, ob er nicht wieder zum Besuche in ihr Geisterhaus kommen w�rde, nachdem Braka sie ernstlich ausgescholten hatte, da� sie so t�richten Gedanken, die sie vor der Zeit bleichten, ihre frischen Tage hingebe, nachdem sie sich diesen und andern Rat gar oft wiederholt hatte und doch immer wieder verga� und in den beliebten fremden Gedanken abgleitete, fragte sie einmal Braka, ob es denn kein Mittel gebe, wie man unsichtbar werden k�nne, um in der Stadt herumwandern zu d�rfen. Braka lachte und sprach: �Ich wei� kein anderes, als viel Geld zu haben, da kann man eingehen, wo man will, das ist der wahre Hauptschl�ssel, die wahre Springewurzel, bei deren Ber�hrung die T�ren aufspringen. Dein Vater mochte noch wohl andre K�nste gewu�t haben, aber wenn sie nicht in seinen B�chern stehen, so sind sie verloren!� – Bella behielt diese Nachricht still vor sich, sie fiel ihr ins Gem�t, als ob sie dieselbe nie vergessen k�nnte, kaum war die Alte wieder auf den Erwerb ausgegangen, so suchte sie die B�cher wieder hervor die seit dem Besuche des Prinzen in einem Winkel gerastet hatten sie sah bei dieser Gelegenheit, da� die Alte ihr den ganzen Vorrat seltener heilender Kr�uter und Wurzeln fortgetragen hatte, und diese Untreue brachte sie zu dem Entschlusse, ihr nichts mehr von allem zu entdecken, wozu sie die geheimen Kr�fte ansprechen wollte. Aber welcher neue Ekel war ihr in diesen B�chern vorbereitet, viel geheime Regeln, Zeichnungen, von denen sie nichts verstand, den Stein der Weisen zu finden, Geister zu zitieren, Krankheiten[463] zu beschw�ren, das Vieh zu verzaubern, endlich auch ein Mittel Gold zu machen, aber dies Mittel so weitl�uftig, als m��te man zwei Monden anspannen, um zur Sonne zu fahren. So verging ihr eine Woche nach der andern, bis sie in einer Nacht ganz erm�det auf eine ausf�hrliche Nachricht traf, wie Alraunen zu bekommen, und wie diese dienstbar Geld und was ein weltliches Herz sonst begehre mit stehlender untr�glicher Listigkeit zuf�hrten. Aber welche Schwierigkeit sie zu gewinnen, und doch war es die leichteste von allen Zaubereien; die Zauberei braucht die h�rteste Schule, wer sie aushalten kann, m�chte auch wohl in den gew�hnlichsten Gesch�ften ohne alles Geheimnis zu zaubern scheinen. Wer kennt jetzt nicht die Bedingungen einen Alraun zu gewinnen und wer m�chte sich ihnen noch unterziehen, wer k�nnte sie erf�llen? Es wird ein M�dchen gefordert, das mit ganzer Seele liebt, ohne Begierde zur Lust ihres Geschlechtes, der die N�he des Geliebten ganz gen�gt; eine erste unerl��liche Bedingung, die vielleicht in Bella zum erstenmal wahrgeworden war, weil sie von den Zigeunern, die sie bisher kennen gelernt, immer als ein Wesen h�herer Art behandelt worden und sich daf�r anerkannt hatte; die Erscheinung des Prinzen war ihr aber so heilig rein, wie der K�rper des Allerheiligsten in der Messe, vor�bergegangen, zu schnell um ihre Betrachtung zu wecken. In solchem M�dchen, das so m�chtig von der Phantasie in allen Segeln angehaucht wird, soll gleichzeitig der �berm�nnliche Mut wohnen, Nachts in der eilften Stunde mit einem schwarzen Hunde unter den Galgen zu gehen, wo ein unschuldig Gehenkter seine Tr�nen aufs Gras hat fallen lassen; da soll sie ihre Ohren mit Baumwolle wohl verstopfen, und mit den H�nden suchen, bis sie die Wurzel erreicht, und trotz allem Geschrei dieser Wurzel, die keinesweges nat�rlicher Art, sondern ein Kind der unschuldigen Tr�nen des Erhenkten ist, ihr das Haupt entbl��en, einen Strick aus ihren eignen Haaren umlegen, den schwarzen Hund daran spannen, dann fortlaufen, so da� der Hund im Wunsche ihr zu folgen, die Wurzel aus der Erde zieht, wobei er von einer erblitzenden Ersch�tterung des Bodens unfehlbar er schlagen wird. Wer in diesem Augenblicke, dem entscheidendsten seine Ohren nicht wohl verstopft hat, kann von dem Geschrei auf der Stelle unsinnig werden. Bella war wiederum die einzige seit Jahrtausenden, bei der sich alle diese Erfordernisse vereinigten;[464] wer war unschuldiger, als das teure Haupt ihres Vaters Michael, der in rastloser Tat f�r sein armes Volk, in steter M�he und Not f�r die Seinen, um das Unbedeutendste einem Reichen zu entfremden, allzu ehrlich und stolz gewesen war. Welches M�dchen h�tte Mut gehabt in der Mitternacht einen solchen Weg mit �berlegung zu machen, als Bella, die nun schon seit vier Jahren, wo ihre Mutter gestorben, ein verstecktes n�chtliches Leben gef�hrt hatte und mit dem Laufe des Mondes, mit den Sternen zu vertraulich bekannt war, um in der Nacht noch eine besondre Einsamkeit und Traurigkeit wahrzunehmen. Welches M�dchen hatte wie sie einen schwarzen Hund, aus dessen Augen mehr blickte, als sein Mund ausbellen konnte, und wiederum welchem M�dchen war dieser einzige Gesellschafter so verha�t, wie ihr, die ihn seit fr�her Zeit, wo er sie gebissen, nicht leiden konnte, und ihn jetzt noch mehr verachtete, nun er ihr mit einer widrigen Demut diente, und sie doch auf allen Wegen belauerte, und wenn sie recht z�rtlich mit einer Puppe aus alten Kleidern, wie mit dem Prinzen sprach, sie auslachte; auch hatte der Vater immer behauptet, es stecke der b�se Feind in dem Hunde. Welches M�dchen hatte endlich so langes Haar, wie Bella, um es zu Stricken flechten zu k�nnen und welche mochte es, wie sie, ruhig zu dem Versuche hingeben; sie aber wu�te nichts von ihren Sch�nheiten, es war ihr lieb, da� sie k�nftig nicht so lange an ihren Haaren zu k�mmen h�tte und so sank ihr Haar, in dessen glatten Locken sich oft die Sterne wie im Haupthaar der Berenize gespiegelt hatten, im raschen Schnitt einer Schere wie ein schwarzer Schleier auf den Boden rings um sie her, ihrem Hund Simson eine Kette daraus zu flechten, die ihm den Tod br�chte. Sie merkte bald, da� er alles, was sie gesprochen, vernommen habe, denn statt da� er sich sonst kleine Vorr�te an Knochen und Brot im Garten vergrub, so �ffnete er jetzt nach und nach alle diese vergrabenen Sch�tze und fra� uners�ttlich. H�tte jenes sie r�hren k�nnen, so emp�rte sie dies noch mehr; �brigens schien er nicht traurig, aber er sah sie sp�ttisch an und als der erste Freitag kam, denn ein Freitag wird zur Ausf�hrung gefordert, durchkroch er das ganze Haus noch einmal, beroch alle Winkel, und f�hrte sich in seinem Lager gegen seine Art unreinlich auf, welches sie ihm aber diesmal lieber verzieh, als ihrer Alten die Langweiligkeit, mit der sie in unendlichen Erz�hlungen von �hat er gesagt,[465] hab ich gesagt�, ihre ganze verfluchte erste Liebschaft erz�hlte, die Bella leicht um eine der Hauptbedingungen bei der Aufsuchung der Alraunenwurzel h�tte bringen k�nnen, wenn diese nicht aus Ungeduld �ber ihre lange Anwesenheit im Z�hlen der Minuten sie und die Stunden �berz�hlt h�tte, bis es zw�lfe geschlagen, da sprang endlich Bella aus Ungeduld auf, und fing mit der Alten aus �rger, da� sie alles noch eine Woche aufschieben m�sse, den Kranichtanz der Zigeuner an, da� diese endlich ohne Atem in einen Sessel fiel und hustete und schwur, so lustig habe sie auf ihrem Hochzeittage nicht einmal getanzt; dabei nahm sie ein St�ck Lakritzensaft in den Mund, um den Husten zu d�mpfen und trabte endlich mit gro�em Bedauern fort, da� sie schon weggehen m�sse. Etwas Angst hatte Bella doch gesp�rt; nun die Woche vers�umt war, schien es ihr doch besser, da� sie sich noch vorbereiten k�nne und der schwarze Hund schien nicht minder diese Frist zu w�nschen, um noch recht essen zu k�nnen; sie gew�hrte ihm gerne die leckersten Bissen, weil sie wu�te, was er f�r sie tun m�sse, ja zuweilen, ungeachtet ihres Widerwillens gegen das Tier, kamen ihr bei seinem Anblicke Tr�nen in die Augen, doch tr�stete sie sich immer mit dem Zusatze im Zauberbuche, da� treue Hundeseelen, die in solchem Gesch�fte blieben, zur Seele ihrer Herren gelangen, und sie war gewi�, da� sich der Hund beim Vater Michael besser als bei ihr gefallen m�sse.

Endlich kam der zweite Freitag, es war schon kalt geworden, die ruhigen Gew�sser waren d�nn befroren und die Alte hatte sich bei ihr entschuldigt, da� sie in den n�chsten Tagen nicht heraus kommen k�nne; ihr Husten sei aber so stark, sie m�sse sich heimhalten. Alles schien erw�nscht, die Nachbarn waren alle nach der Stadt gezogen, die Nacht war dunkel und der Wind f�hrte die ersten Schneeflocken �ber die trockene Erde. Bella durchlief noch einmal das Zauberbuch, ihr Herz schlug heftig, als es langsam eilf schlug, der schwarze Hund schleppte ihre Puppe, in der sie ihren Prinzen sah und verehrte, herbei, zerrte und bi� darin: das brachte sie zum Entschlu�; diesen Schimpf, den er ihrem Liebling angetan, mu�te er b��en; schnell nahm sie die Stricke, die sie aus ihren Haaren geflochten, und die sie bisher, um der Alten keinen Argwohn zu geben, auf ihrem Kopf getragen und schlug auf ihn. Er wollte zur T�re hinaus, sie �ffnete die T�re und beide waren[466] in die zauberhafte Winterwelt hinaus versetzt, und gingen dem Winde nach ihren Weg, ohne ihn zu kennen, blo� nach der Richtung, um den Berg zu erreichen, auf welchem das Hochgericht gehalten wurde. Diese Stra�e war leer von Menschen, aber mehrere Hunde kamen mit gro�em L�rmen unter den Gartent�ren hervorgesprungen, liefen auf den schwarzen Simson los, aber im Augenblicke, wo sich diese Philister ihm naheten, sah er sie an, zeigte seine Z�hne und die gr��ten, wie die kleinsten Hunde fl�chteten mit einer Angst, den Schwanz zwischen den Beinen in die G�rten zur�ck, da� sie sich selbst unter den T�ren einklemmten und erb�rmlich schrieen. Gleiche Angst zeigten ein paar Stachelschweine, die ihre Stacheln voll �pfel und Birnen, die sie sich in den G�rten angew�lzt und angestachelt hatten, quer �ber den Weg zogen, sich aber bei dem Anblicke des Hundes zusammenkugelten, da� dieser ihnen ihre Beute sehr behaglich abnahm und verzehrte. Bella hatte sich dabei ausgeruht, nun war es ihr aber sonderbar, da�, wie sie jetzt aufstand und sich dem Berge n�herte, ein anderer immer in ihre Fu�tapfen zu schreiten schien und zwar mit solcher Sorgfalt, da� er mit der Spitze seines Fu�es jedesmal die Ferse des ihren anr�hrte, sie wagte nicht umzusehen und lief immer hastiger zu, bis ein Schlag vor den Kopf sie niederstreckte. Der Schlag war indessen nur wenig bet�ubend, sie fa�te Mut, als alles umher still war; sie fa�te um sich, als niemand sie anfa�te, und f�hlte, da� sie gegen einen herabgelassenen Schlagbaum angerannt war; was aber in ihre Schritte so eilfertig getreten, war ein Dornstrauch, der sich an ihr Kleid geh�ngt hatte. Sie mu�te sich �ber ihre Furcht verwundern und nahm sich vor, jetzt aufmerksamer und besonnener zu sein, und verga� es doch bald wieder, als eine Zahl von Pferden, die in einer Koppel lagen, bei ihrer Ann�herung aufsprangen und �ber Busch und Hecken fortjagten. Jetzt war sie oben und sie sah �ber die reiche Stadt hin, wo noch manches Licht brannte, ein Haus war aber hell erleuchtet und da, meinte sie, m�sse der Prinz wohnen: so hatte ihr die Alte sein Haus beschrieben und sie wu�te, da� sein Geburtstag gefeiert wurde. Sie h�tte alles bei dem Anblicke vergessen, selbst die trocknen Gehenkten �ber sich, die einander fragend anzusto�en schienen, h�tte nicht der schwarze Hund aus eigener Lust unter dem Dreifu�e gegraben. Sie f�hlte, was er gefunden und hatte eine menschliche, eine kleine menschliche Gestalt[467] in H�nden, die aber mit beiden Beinen noch in der Erde wurzelte; sie war's, sie war's, die geheimnisvolle Mandragora, das Galgenm�nnlein, sie hatte es gefunden ohne M�he, und in einem Halsumdrehen war der Strick ihrer Haare umgelegt und um den Hals des schwarzen Hundes angeschirrt; dann lief sie in Angst wegen des Geschreis der Wurzel fort. Sie hatte vergessen ihre Ohren zu verstopfen; lief nun so schnell sie vermochte, und der Hund ihr nach; er ri� die Wurzel aus dem Boden und ein erschrecklicher Donnerschlag st�rzte ihn und Bella nieder; doch hatte ihr sichrer schnellf��iger Lauf sie schon funfzig Schritte entfernt.

Das hatte Bellas Leben errettet; doch blieb sie lange ohnm�chtig und erwachte erst, als schon die begl�ckten Liebhaber von ihrem Gl�cke l�ssig heim kehrten, einer von diesen sang ein jauchzendes Lied von seinem feinen Liebchen und von den falschen Zungen, die heimliche Liebe ausschw�tzen; halb hatte er dabei Schlummer in den Augen, und so kam es, da� er sie �bersah. Als sie davon erwachte, wu�te sie nicht, wie sie an diesen Ort gekommen, den sie nicht mehr erkannte; schwach richtete sie sich auf und sah im ersten Morgenschimmer ihren toten Simson. Sie erkannte ihn, erinnerte sich auch allm�hlich, warum sie hergekommen und fand an den Haarflechten, die sie jetzt dem Hunde abnahm, ein menschen�hnliches Wesen, gleichsam einen beweglichen Umri�, aus welchem die edlen Sinne noch nicht hervorgetreten sind, �hnlich einer Schmetterlingslarve: so war der Alraun und wunderbar ist es zu nennen, wie sie auf der einen Seite des Prinzen gar nicht mehr denken konnte, der eigentlichen Ursache, warum sie den Alraun aufgesucht, ganz vergessen hatte, so liebte sie diesen auf der andern Seite mit jener ersten Z�rtlichkeit, welche zart durchdringend seit jener Nacht, wo sie den Prinzen gesehen, in ihr zur Erscheinung gelangt war. Z�rtlicher kann eine Mutter ihr Kind, das sie bei einem Erdbeben versch�ttet glaubt, nicht wieder begr��en, nicht vertrauter, nicht bekannter, als Bella den kleinen Alraun aus dem letzten Erdenstaube an ihre Brust hob, und ihn von allem Anflug reinigte. Er schien von dem allen nichts zu wissen, sein Atem str�mte aus kaum bemerkbaren �ffnungen des Kopfes, nur als sie ihn eine Zeitlang auf ihren Armen gewiegt hatte, bemerkte sie an einem ungeduldigen Sto�e seines Armes gegen ihre Brust, da� er diese Bewegung liebe; auch beruhigte er Arme und Beine nicht eher,[468] bis sie ihn wieder mit schaukelnder Bewegung erfreulich einschl�ferte. So eilte sie mit ihm in ihre Wohnung zur�ck; sie achtete nicht des Hundegebells, nicht einzelner Marktleute, die sich fr�h vor den Toren der Stadt sammelten, um die ersten bei der Er�ffnung der Tore zu sein; sie sah nur auf den Kleinen, den sie sorgsam in ihren �berrock eingeschlagen hatte. Endlich war sie in ihrem Zimmer, hatte ihr Licht angez�ndet und besah das kleine Ungeheuer: Es tat ihr leid, da� er nicht einen Mund zum K�ssen, nicht eine Nase habe, die ein g�ttlicher Atem herrschend und sanft geformt, da� keine Augen sein Innres kund machten und da� keine Haare den zarten Sitz seiner Gedanken umsicherten; aber ihre Liebe minderte das nicht. Sie ging sorgsam zu ihrem Zauberbuche, um sich wieder zu erinnern, was mit dieser gegliederten und beweglichen R�be anzufangen sei, um ihre Kr�fte, ihre Bildung zu entfalten und sie fand es bald. Zuerst sollte sie den Alraun waschen, das vollbrachte sie, dann sollte sie ihm Hirse auf den rauhen Kopf s�en und wie diese aufginge in Haaren, so w�rden sich seine �brigen Gliedma�en von selbst entwickeln, nur m�sse sie an jede Stelle, wo ein Auge entstehen sollte, ein Wacholderkorn eindr�cken, wo aber der Mund werden sollte, eine Hagebutte. Zum Gl�ck konnte sie diese S�mereien alle herbeischaffen, die Alte hatte ihr neulich einige gestohlne Hirse gebracht, Wacholderbeeren brauchte ihr Vater h�ufig zum R�uchern in seinem Zimmer; sie hatte den Geruch nie leiden k�nnen, jetzt war er ihr lieb, denn es war noch eine Handvoll �brig geblieben; ein Hagebuttenstrauch hing im Garten noch voll roter Fr�chte, als die letzte Pracht des Jahres. Alles wurde herbeigeschafft, zuerst die Hagebutte an den rechen Ort eingedr�ckt, sie merkte aber nicht, da� sie ihm diese bald aus Liebe schief k��te; dann dr�ckte sie ihm zwei Wacholderbeerkerne ein es schien ihr, als s�he der Kleine sie an, das gefiel ihr so wohl, da� sie ihm gerne ein Dutzend eingesetzt h�tte, wenn sie nur einen schicklichen Platz dazu h�tte ausfinden k�nnen; aber wo sie ihm am liebsten Augen eingesetzt h�tte, hinten, da f�rchtete sie, m�chte er sich oft wehe daran tun; zuletzt brachte sie noch ein Paar Augen in seinem Nacken an und wir m�ssen ihr eingestehn, da� diese Erfindung nicht ganz zu verachten gewesen sei. So fr�hlich und ernstlich zugleich begann sie dies Werk, ein Wesen zu schaffen, das wie der Mensch seinen Sch�pfer bis an sein Ende sie betr�ben[469] sollte; selbstzufrieden, wie ein junger K�nstler, dem alles �ber Erwartung gl�ckt, besah sie ihr kleines unf�rmliches Ungeheuer und verbarg es in einer zierlichen Wiege, die sie im Hause vorgefunden, wohlbedeckt mit Betten, entschlossen selbst gegen die alte Braka, dies als das erste Geheimnis ihres Lebens zu bewahren.

Braka, die sich am andern Abende durch ihr verabredetes Katzengeschrei kund machte, merkte doch an ihr eine Ver�nderung, und fragte listig nach allen Seiten, insbesondre als sie den schwarzen Hund nicht mehr bemerkte: �Gott sei gelobt, ist der Hund fort! wie ist's gekommen, ich h�tte den infamen K�ter l�ngst totgemacht, wenn ich gedurft h�tte; aber da er vom Vater hinterlassen war, so durft ich nicht; einmal hatte ich ihn doch schon im Sack und wollte ihn ers�ufen, da bi� er mich aber beim Aufheben des Sacks, so scharf in die H�nde, da� ich ihn mit dem Sack laufen lie�: nun sag Kind, wie hast du es angefangen, ihn �ber die Seite zu schaffen?� – Bella sah seitw�rts auf ihre Arbeit nieder, sie sch�lte �pfel, und erz�hlte recht umst�ndlich, wie sie Nachts im Garten gewesen, wie ein sch�umender Hund dort gegen sie angerannt sei, wie sich ihr schwarzer Simson auf ihn gest�rzt und beide einander so grausam zerzaust und herumgerissen, bis der fremde Hund sich gefl�chtet h�tte, worauf der Simson lahm und blutend ihm nachgelaufen und seit der Zeit von ihr nicht wieder gesehen worden sei, vielleicht weil er gef�hlt, da� er toll werde und sie nicht habe verletzen wollen. Eine recht r�hrende Erfindung! Bella hatte sie so wahrscheinlich vorgetragen, ungeachtet es ihre erste L�ge war, da� Braka beruhigt war und sich in Verwunderung �ber das treue Tier und �ber das gro�e Ungl�ck, dem sie entgangen, auslie�. Nun hatte Bella Mut, ihr alles einzubilden, was sie k�nftig von ihrem Wurzelm�nnchen zu sagen n�tig finden w�rde; doch wartete sie ungeduldig, da� die Alte ginge, denn sie f�hlte eine rechte Unruhe, ob noch nichts Lebendiges an ihm wahrzunehmen sei.

Nachdem die Alte ihr Zwiebelgericht, das sie sich bereitet, ausgetunkt hatte, ging sie endlich von dannen. Bella schlo� die T�re und eilte zu ihrer heimlichen Wiege; zagend deckte sie auf und freudig sah sie schon die keimende Hirse auf dem Scheitel des Wurzelm�nnleins, auch die Wacholderkerne hatten sich schon angesogen; es war �berhaupt ein Bewegen innerlich in dem kleinen Wesen, wie Fr�hlings im Acker beim ersten hei�en Sonnenscheine[470] nach dem Regen, es w�chst noch nichts, aber die Erde trennt sich und lockert sich, und wie die Sonnenblicke alles f�rdernd umgehen, so regte sie k�ssend alle Kr�fte der geheimnisvollen Natur auf. Erst nach sp�ter Erm�dung entschlo� sie sich neben ihrem Kleinod schlafen zu gehen, ihre Hand aber lie� sie auf der Wiege ruhen, da� es ihr nicht entf�hrt werden k�nnte. Was wundern wir uns �ber ihre sonderbare Neigung zu der halbmenschlichen Gestalt, nachdem sie zu dem sch�nen F�rstensohne so ausschlie�liche Neigung gezeigt hatte; es ist das Heiligste, diese Anh�nglichkeit an alles, was wir schaffen, und ruft uns, w�hrend wir vor den H��lichkeiten der Welt, und unsren eignen erschrecken, die Worte der Bibel in die Seele: �Also hat Gott die von ihm geschaffene Welt geliebet, da� er ihr seinen eingebornen Sohn gesendet hat�. O Welt bilde dich sch�ner aus, da� du dieser Gnade w�rdig werdest. Vergessen war in ihr aller Eigennutz, wie sie sich durch den kleinen Wundermann zu ihrem geliebten Prinzen wollte hintragen lassen; dieses Wunderkind, in Gefahr errungen, f�llte jetzt alle ihre Gedanken, von ihm tr�umte sie, aber ihre Tr�ume waren nicht gl�cklich; sie sah den vergessenen F�rstensohn vor sich, wie er im Wettstreite mit andern das zierliche Pfeilspiel der Spanier �bte, worin sie durch die St�rke und Schnelligkeit des Wurfs sowohl, wie durch die geschickte Wendung der Pferde, einander zu necken und zu �bervorteilen suchen, aber der Prinz siegte �ber alle, seine Pfeile rissen Sterne vom Himmel und warfen sie wie zierlichen Schmuck ihr auf die Brust. Die meisten dieser Sterne verloschen, einer aber bebte in tiefem Lichte auf der Mitte ihrer Brust; und sie sah immer tiefer hinein, unendlich tiefer und konnte sich nicht satt sehen und dar�ber erwachte sie. Kaum war sie erwacht, so wu�te sie nicht mehr, nach wem sie sich so eifrig gesehnt hatte; ihr war es, als sei es der kleine Wurzelmann gewesen, den sie mit lautem Jubel begr��te, als er ihr ganz vernehmlich, wie ein kleines Kind entgegenwimmerte, mit runden schwarzen Augen sie ansah, als wollten sie ihm aus dem Kopf herausfallen; sein gelbfaltiges Gesicht schien entgegengesetzte Menschenalter zu vereinigen, und die Hirse auf seinem Kopfe, hatte sich schon zu borstigen Locken vereinigt, so auch, was auf seinen K�rper von den Hirsek�rnern heruntergefallen war. Bella meinte, er schreie nach Essen und war in gro�er Verlegenheit, was sie ihm geben sollte, wo sollte sie[471] Milch hernehmen, Sie bedachte sich lange; endlich gedachte sie der Katze, die auf dem Boden gejungt hatte, ein Jubel war ihr diese Erfindung; die Jungen wurden heruntergehet und zu dem Wurzelm�nnlein, das sie schon sp�ttisch ansah, in die Wiege gelegt; die Katze ern�hrte jetzt willig ihn mit den �brigen Jungen und die kleinen Blindgebornen duldeten es, da� der nach allen Seiten sehende Fremdling ihnen voraus, ohne da� es die Alte merkte, die m�tterliche Vorsehung aussog. Bald knieend, bald auf den Knieen hockend, konnte Bella stundenlang diesen Listen ihres M�nnleins zusehen; wo er die andern �berlistete, schien es ihr hohe �berlegenheit, wo er sich feig vor ihren Tatzen zur�ckzog, Schonung und Klugheit; nichts machte aber dem M�dchen so viel Freude an ihm, wie die Augen im Nacken. Schon verstand er sie damit, wenn sie ihm winkte, wo eine der K�tzchen von dem Zitzen heruntergefallen war und legte sich vor, bis er auch daran kommen konnte. Ihre Zuneigung wuchs so schnell, da� sie sich �ber jeden Tropfen Milch kr�nkte, der von den eingebornen Jungen dem Fremdlinge entzogen wurde, da� sie lange mit sich k�mpfte, aber endlich nicht widerstehen konnte, eines dieser Jungen heimlich fortzutragen und nahe am Bach ins Gras zu legen. Dann floh sie schnell, damit es ihr nicht folgte, sie war aber kaum einige Schritte gelaufen, so h�rte sie etwas ins Wasser einplumpen, sie mu�te ihre Augen hinwenden und sah wie der Strom die kleine blinde Katze forttrug. Das jammerte ihr, sie gedachte ihres unschuldigen Vaters, der denselben Weg gezogen, sie h�tte nachspringen m�gen, doch blieb sie am Ufer stehen und f�hlte, da� sie ges�ndigt; der Himmel ward dunkel �ber ihr, die Erde frostig unter ihr und die Luft unstet um sie her; sie schlich ins Haus und weinte. Und als der kleine Wurzelmann mit den Augen im Nacken dies ersah, fing er an der Brust der Katze laut zu lachen an, da� die Katze aufsprang und eins der Jungen mit sich fortzog, das sich ihr in Angst angebissen hatte. Jetzt war das Wurzelm�nnchen auch so mutwillig geworden, da� es sich nicht viel um die milde Nahrung der Milch k�mmerte, zwar sah es schon aus, wie ein altes M�nnlein, das zum Kinde zusammengeschrumpft war, aber es hatte noch alle Unarten der kleinsten Kinder dabei. Gerade weil es sah, da� Bella �ber den kleinen Mord mit ihm z�rnte, dr�ngte es sich immer mehr zu ihr und schlagen konnte sie es nicht und was sollte sie da tun, als es k�ssen[472] und ihm den Willen lassen, der sich durch Hingreifen nach allerlei Wurzeln zeigte, die nicht von ihrem Vater her im Zimmer so umherlagen, sondern von der alten Braka bei ihrer Mauserei aus Unkenntnis weggeworfen waren. Kaum hatte das M�nnlein eine Springwurzel genossen, so fing es an so l�cherlich �ber Tisch und Stuhl, kopf�ber, kopfunten zu springen, da� Bella in Angst die Augen wegwenden mu�te und ihm �ngstlich wie ein Huhn dem ausgebr�teten Entchen nach lief und nach sah, wie sie ihn nirgend fassen und erreichen konnte. Listig wu�te er bald an allen Ecken aufzusuchen, was ihm diente, so fand er bald auch die Sprechwurzel, welche die gr�nen Papageien vom h�chsten Gipfel des Chimborasso in die Ebenen bringen, wo sie die Baumschlangen von ihnen gegen �pfel eintauschen, die am verbotnen Baume gewachsen, wer sie aber den Schlangen abjagt, das kann allein der Teufel und sie von dem zu bekommen, ist schwer und hat schon manchen ehrlichen Erzieher in Verlegenheit gesetzt. Als er diese ekelhafte Wurzel gierig genossen, sprang er auf einen Ofen und wie ein Vogel, dem die beschnittnen Fl�gel wiedergewachsen, zur Verwunderung seines Herrn, pl�tzlich empor auf den Baum vor dem Fenster fliegt und erst spottend sein Lied pfeift, das er von ihm gelernt, eh' er sich von ihm fort im wilden Natursang durch die Luft schwingt, so waren die ersten Worte des M�nnleins ein spottendes Wiederholen ihrer Lehren: �Sei artig, sei gut, sei stille!� – Er konnte nicht aufh�ren, ihr das vorzusagen; sie h�tte ihn gern gez�chtigt, aber er sa� ihr zu hoch. Zuletzt um ihre Geduld ganz zu ersch�pfen, setzte er sich eine alte verrostete Brille auf, und fabelte in leeren spottenden Einf�llen von allerlei Neckerei, die er der Welt antun m�chte, um sich zu unterhalten. Da mu�te sie laut weinen und konnte nicht mehr hinauf sehen, denn das Vertraulichste am Menschen sind die Augen und es ist wohl zum Verzweifeln, wenn die Schw�che der Natur solchen harten f�hllosen Glasglanz zwischen dem geliebten Menschen und uns notwendig macht, und das kann den Scharfsehenden schwindlig machen, wenn er sehen mu�, wie der Sinn, der sonst seine Freude nur in Luft und Licht sucht, jetzt die harte Gewalt der Erde zu seiner H�lfe brauchen mu�, die ihn notwendig mit sich herabzieht und vernichtet. Eine Brille ist das schrecklichste Gef�ngnis, aus welchem die ganze Welt ver�ndert erscheint und nur die Gewohnheit kann den Schreck vor dieser Welt, wie sie[473] dadurch erscheint, aufheben. Wirklich erschrak jetzt Bella bis im tiefsten Herzen vor dem Liebling, der im Luftraume ihrer Sch�pfung verg�ttert gewesen, sie sah ein, da� sie auf ein Mittel denken m�sse, den Alraun zu bezwingen und nahm sich vor, dar�ber mit Braka zu reden. Als sie das still in sich beschlossen hatte, rief ihr das M�nnlein vom Gesimse des Zimmers zu: �H�r Bella, ich habe dich eben mit den Augen in meinem Nacken angesehen, da ahndet mir, du hast mich nicht mehr so lieb, wie im Anfange und wenn ich das gewi� wei�, so ist's um dich geschehen!� – Bella erschrak, wie eine �berwiesene S�nderin, diese Allwissenheit oder vielmehr dieses ahndende Augenpaar in dem Kleinen setzte sie in Verzweifelung, die Angst befestigte in ihr den Entschlu�, sich des kleinen furchtbaren Teufels zu entledigen. Er rief dabei vom Gesimse: �Mir ahndet, du hast etwas B�ses mit mir vor, aber ich will dich schon wieder gut machen.� – Zugleich stieg er herunter, sprang zu ihr auf den Scho� und k��te sie so herzhaft, da� er ihr fast die Haut aufri� mit seiner harten Barthirse, dennoch f�hlte sie eine sonderbare Bewegung ihres Blutes, die sie nicht verstand, �ber die sie auch nicht nachdachte; doch war ihr der Kleine im Augenblicke so lieb und sie erwartete und wu�te nicht was, von ihm.

Eine Woche sp�ter und der Alraun war in seiner Art v�llig ausgewachsen, etwa dreieinenhalben Fu� hoch; Braka hatte schon etwas von ihm gemerkt, auch hatte er nicht Lust sich l�nger einsperren zu lassen, wenn sie kam, vielmehr wollte er sich der Alten recht gl�nzend zeigen, zog ein silbergesticktes altes Faltenkleid von Bellas Mutter an, das ihm Bella nach allen Seiten aufn�hen mu�te, so sa� er eines Abends ganz ruhig in der Ecke und schien zu lesen als Braka eingelassen wurde. Bella sagte, es sei ihre Base, ein sehr reiches M�dchen, die sie zu sich nehme, die auch Braka beschenken wolle. Braka, die ihr Kompliment auch zu machen verstand, wo sie es n�tig glaubte, griff der vermeinten Base nach der Hand, um sie zu k�ssen, war aber doch etwas verwundert �ber die harte, trockene, haarige Wurzelhand und z�gerte mit dem Kusse. Dar�ber wurde der Wurzelmann b�se und gab ihr eine derbe Maulschelle. Braka konnte sich in solchem Falle nicht m��igen, sie stemmte beide H�nde in die Seite und fing so heftig an zu schimpfen, da� die lachende Bella sie kaum mit der Vorstellung beruhigen konnte, die Nachbarn m�chten sie h�ren und dann w�re ihr Zufluchtsort[474] auf einmal verraten. Der Alraun hatte sich aber durch die Schimpfreden nicht weniger in der guten Meinung gest�rt gefunden, er sprang sehr geschickt auf und rings um Braka her und verfolgte sie mit unz�hligen Fu�tritten; dabei fiel ihm der Schleier herunter, sie erkannte ihn gleich f�r das, was er war, und dem�tigte sich erschrocken vor ihm. Als er sie in Ruhe lie�, setzte sie sich ganz zerschlagen auf einen Sessel und rief einmal �ber das andre: �Ach Bella, was hast du f�r ein Gl�ck, solch ein M�nnlein zu haben, das alle Sch�tze finden und heben kann, ja da hatte mein Schwager einen, den nannte er Cornelius Nepos.� – �So will ich auch hei�en�, rief der Kleine, �wo ist der geblieben?� – �Ach�, sagte Braka, �mein Schwager wurde erstochen, das M�nnlein wurde in seiner Tasche gefunden und den Kindern zum Spielen gegeben, die brachten es einem Schweine, das hat's aufgefressen und ist davon krepiert.� – Der kleine Herr Cornelius wurde dar�ber sehr aufgebracht, er verbot es sehr strenge, ihn nicht den Schweinen vorzuwerfen, und lie� sich erkl�ren, was dies f�r ein Tier sei. Braka wollte ihm erst beweisen, da� er sich um die Welt und was darin fresse, gefressen werde und sonst vorgehe gar nicht zu bek�mmern habe, er m�sse Sch�tze graben und sich um weiter gar nichts bek�mmern, als aber der kleine Cornelius wieder sehr grimmig wurde, suchte sie ihn zu bes�nftigen, indem sie ihm allerlei hohe �mter vorschlug, die er verwalten k�nnte. Es war, als wenn er schon einmal gelebt h�tte, so schnell wurde er durch eine kurze Erinnerung mit allen menschlichen Verh�ltnissen bekannt. Bei verwachsenen Kindern findet sich h�ufig ein Ansatz zu dieser fatalen Gescheitheit. Nichts unter allem, was Braka ihm von dem sch�nen Leben eines Kuchenb�ckers oder Kellermeisters vorschwatzte, reizte ihn so m�chtig, als ein Kommandostab, wenn er in gl�nzender R�stung, wie in dem Schlosse ein Feldmarschall abgebildet war, vor tausend Rittern an dem Hause vor�berreiten w�rde und ihren Gru� annehmen, ja er befahl, ihn im Hause nicht anders als Marschall Cornelius zu nennen, und ihm dazu eine R�stung zu schaffen. �Dazu geh�rt Geld�, sprach die listige Braka, �umsonst ist der Tod, Geld, Geld schreit die ganze Welt.� – �Daf�r la�t mich sorgen�, sagte der Kleine, �ich sitze hier so unruhig, es mu� hier in der Ecke der Mauer ein Schatz versteckt sein!� – Mit ihren N�geln h�tte Braka die Steine ausgerissen, wenn sie kein ander Werkzeug h�tte[475] finden k�nnen, jetzt aber lag die eiserne Ofengabel ihr recht angenehm zur Hand vor der T�re, sie war im Augenblicke damit bei der Arbeit; ein Gl�ck, da� der Schatz nur mit einem Stein vermauert war, alle Fu�tritte des Marschalls h�tten sie nicht abgehalten, das Haus zu durchbohren; auch lie� sie sich durch das Kratzen und Bei�en des M�nnleins nicht abhalten, den Kasten voll guter Gold- und Silberm�nzen in Beschlag zu nehmen. Sie setzte sich darauf und hielt dann ihren feierlichen Vortrag: �Lieben Kinder, Jugend hat keine Tugend, Kinder- und K�lberma� wissen alte Leute, ihr wi�t beide noch nicht mit Gelde umzugehen, ihr w�ret verloren und k�met gleich in die H�nde der argw�hnischen Gerichte, wenn ich euch nicht mit Rat zur Hand ginge, darum h�rt meine Meinung, was ihr tun m��t, damit wir in aller Sicherheit des Schatzes froh werden. H�r Bella, du hast mich oft Mutter genannt, das will ich nun in der Welt vorstellen, in die ich dich einf�hre, du aber Cornelius, mu�t dich als mein Neffe, als Vetter meiner lieben Bella, artig auff�hren, so kannst du mit uns vertraulich zusammenwohnen, wir k�nnen dich einem vornehmen Kaiser irgendwo empfehlen, da� er dich zu seinem Marschall macht; eine R�stung k�nnen wir dir gleich kaufen, auch einen Degen und Helm und einen Streithengst, da wirst du eine rechte Freude an dir haben, da werden die Leute auf der Stra�e mit Fingern auf dich weisen und sprechen: ›das ist der herrliche junge Ritter, der Feldmarschall, der k�hne Haudegen.‹ Die M�dchen werden niedersehen und du wirst dir den Schnauzbart in die H�he streichen und mit einem gewognen Nickkopfe vorbeireiten.� – H�tte Cornelius sich umgewendet, so h�tte er ihre Falschheit wohl sehen k�nnen, aber ihm war, seit er lebte, noch nicht so wohl geworden, als in diesen Worten der Alten; er sprang ihr auf den Scho� und herzte und k��te sie, da� Bella aus Eifersucht ihn packte und statt zu k�ssen, ihn bi�. Er verstand keinen Spa� in so etwas, es h�tte viel Streit geben k�nnen, wenn nicht die Alte mit Beratschlagung, was nun anzufangen, hervorgetreten w�re: �Schlagt euch ein andermal, wenn mehr Zeit dazu ist, heute mu� ein Entschlu� gefa�t werden, wohin wir gehen, um mit Ansehen in Gent einzufahren! Da habe ich eine alte Diebshehlerin in Buik gekannt, die schafft am ersten Rat und was wir brauchen, eine Staatskutsche, worin wir den Herrn Cornelius fahren, als ob er in einem Zweikampfe verwundet[476] worden sei und nur allm�hlich genese.� – �Nein�, sagte das M�nnlein, �das will ich nicht spielen, es k�nnte mir wirklich so gehen und warum soll ich mich nicht sehen lassen.� – �Ach�, seufzte Braka heimlich, �der ist auch einer von den Bucklichten, die nicht begreifen k�nnen, womit sie ihre Hemden zerreiben�, laut aber sprach sie: �Seht nur Herr, so auf einem Dorfe sind nicht gleich ritterliche Kleider zu bekommen, die Eurer w�rdig sind, auch m��t Ihr Haar und Bart sorgsam beschneiden lassen, die Leute meinen sonst, Ihr w�rt der B�rnh�uter.� – �Vielleicht bin ich auch von den Seinen�, sagte Cornelius, �wer ist es, wo lebt er?� – �Erz�hl uns von ihm�, bat Bella, �diese Nacht ist fast vergangen, heut k�nnen wir noch nicht scheiden und morgen will ich noch Abschied nehmen von allem, was mir im Hause lieb.� – �Erz�hl�, sagte der Kleine, �oder ich schlage dich.� Braka hub also an, indem sie die �llampe zur Seite stellte und ihr Schnupftuch immer aus einer ihrer H�nde in die andre strich:


Geschichte des ersten B�rnh�uters


�Als Sigismund, der ungersche K�nig von dem T�rken geschlagen worden, ist ein deutscher Landsknecht aus der Schlacht in einen Wald entronnen: da er nun keinen Weg fand, keinen Herren, kein Geld hatte, an keinen Gott glaubte, so erschien ihm ein Geist und sagte ihm, wenn er ihm dienen wollte, so wollte er ihm Gelds genug geben und ihn selbst zu einem Herren machen. Der Landsknecht sagte: O ja, er sei es zufrieden. Nun wollte aber der Geist wissen, ob er wohl einen rechten Heldenmut habe, damit er sein Geld nicht umsonst ausgebe und f�hrte ihn an das Lager einer B�rin, die Junge hatte, und als diese gegen sie ansprang, befahl er dem Landsknecht, ihr auf die Nase zu schie�en. Der Landsknecht vollf�hrte das treulich, scho� ihr in die Nasel�cher zwei Posten hinein da� sie st�rzte. Da solches geschehen war, fing der Geist an mit ihm zu unterhandlen: ›Zieh die Haut der B�rin dir ab, du wirst sie brauchen, gut f�r dich, da� du kein Loch hinein geschossen, denn soll ich dich reich machen, so mu�t du mir sieben Jahre darin, als in meiner Livrei dienen, mu�t in den sieben Jahren alle Nacht eine Stunde um Mitternacht bei meinem Schlosse Schildwach stehen,[477] mu�t in den sieben Jahren dir niemals Haar und Bart und N�gel, weder abschneiden noch reinigen, dich auch nie waschen, abreiben, abst�uben und einsalben; in den sieben Jahren sollst du bei Tage frei Licht, bei Nacht mit Abwechseln, Mondschein, Sternenschein und nichts haben, als guten Wein zum Trinken, Kommi�brot zum Essen; auch sollst du in der Zeit kein Vaterunser beten.‹ Der Landsknecht ging alles ein und sagte zum Geist: ›Alles was du mir zu unterlassen befiehlst, habe ich mein Lebtage nicht gern getan, weder K�mmen, Waschen noch Beten; was du mir zu tun befiehlst, soll mir bei einem guten Glase Wein nicht schwer werden.‹ Darauf zog er seine B�renhaut �ber und der Geist f�hrte ihn durch die Luft auf sein w�stes Schlo�, das mitten im Meere liegt, woselbst er gleich seinen Dienst antrat. Sechs und ein halbes Jahr versah der Landsknecht in seiner B�rnhaut, wovon er den Namen des B�rnh�uters bekommen, seinen Wachtdienst; Haar und Bart waren ihm derma�en gewachsen und verfilzt, da� er von Gottes Ebenbildlichkeit wenig mehr �brig behielt; Petersilie war ihm auf seiner Haut gewachsen, das sah gar erschrecklich aus.�

– Mit einem Schauder sah Bella bei diesen Worten die Hirse auf dem Kopfe des Alrauns, der sehr wohlzufrieden sie durch die Finger gehen lie�, seiner Sch�nheit gegen den unsaubern Landsknecht gewi�. –

�Als nun sechseinhalb Jahr um waren�, fuhr Braka fort, �trat der Geist zu ihm, freute sich �ber sein Ansehen, sagte ihm, er brauche ihn nicht mehr, er wolle ihn wieder unter Menschen bringen, doch mit der Bedingung, da� er sich noch ein halbes Jahr in dieser seiner Verwilderung unter ihnen sehen lasse, zugleich wolle er aber mit ihm abrechnen und ihm den verdienten Geldschatz �berantworten, er m�chte sich damit lustig machen, so gut er k�nnte. Dem Landsknecht war es doch lieb, wieder unter Menschen zu kommen, weil er das Sprechen fast verlernt hatte, er lie� sich vom Geist recht vergn�gt �bers Meer nach Deutschland f�hren, nach Graub�nden, weil es dort in damaliger Zeit am schmutzigsten auf dem ganzen Erdboden war. Dennoch wollte ihn da kein Wirt aufnehmen, bis er eine Handvoll Dublonen und eine Handvoll Piaster einem ins Gesichte warf; der r�umte ihm seine besten Zimmer ein, da� er die gew�hnlichen G�ste von dem Hause nicht zur�ckschrecken m�chte. Als aber der Papst, der mit gemalten Bildern die ganze Christenheit[478] regiert, durch Graub�nden kam, von dem Conzilio nach Rom zur�ck zu reisen, da trat der Geist zu dem B�rnh�uter und malte sein Zimmer mit allen merkw�rdigen Menschen der Welt, sowohl denen, die gelebt, als die k�nftig noch leben werden, wie den Antichristen und das J�ngste Gericht, wor�ber der Wirt sich nicht wenig verwunderte, aber dennoch den B�rnh�uter zwang, die Nacht, wo der Papst bei ihm einkehrte, seine Zimmer einzur�umen und im Schweinestall zu schlafen, den Papst aber legte er in das vom B�rnh�uter sch�n gemalte Zimmer. Als der Papst am andern Morgen aufwachte, war das erste, da� er sich nach dem wunderbaren Maler erkundigte, der das Zimmer so k�nstlich verziert habe. Der Wirt erz�hlte ihm, was er von ihm wu�te und mu�te ihn dann aus dem Schweinestall herauf kommen lassen. Der Papst aber gr��te ihn freundlich, fragte ihn, wer er w�re und der Landsknecht nannte sich B�rnh�uter; darauf fragte ihn der Papst, ob er diese herrlichen Bilder gemalt? ›Wer sonst‹, sprach der B�rnh�uter. Da r�hmte ihn der Papst, als den ersten Maler der Welt und sagte ihm, er habe drei nat�rliche T�chter, die er sehr liebe, die �lteste hei�e Vergangenheit, die andre Gegenwart, die dritte Zukunft, wenn er ihm die so malen k�nnte, da� er w��te, wie jede nach einer Reihe von Jahren auss�he, so wolle er ihm die zur Frau geben, welche ihm am besten gefalle. Der B�rnh�uter versprach alles in Hoffnung auf seinen Geist. Der Papst redete darauf weiter: ›Du k�nntest mir aber leicht einbilden, da� sie sich also verwandeln m�chten und wenn es nicht zutr�fe, h�ttest du doch inzwischen meiner Tochter Liebe genossen, darum stelle ich dich auf eine Probe. Ich zeige dir nur meine j�ngste Tochter Zukunft und du mu�t aus ihrem Anblicke die beiden �lteren, Gegenwart und Vergangenheit malen, bestehst du diese, so ist das M�dchen dein, bestehst du sie nicht, so verf�llt mir dein gro�es Verm�gen, wovon mir der Wirt erz�hlt hat.‹ B�rnh�uter ging alles ein, lief neben dem Wagen des Papstes her und hielt ihn, wenn er umfallen wollte, und so kamen beide ohne Schaden nach Rom. Gleich am Abend stellte ihm der Papst seine Tochter Zukunft vor, die sehr sch�n war, aber zweierlei Farbe von Haaren auf ihrem Kopfe trug; B�rnh�uter verliebte sich gleich, sie aber entsetzte sich �ber seinen Anblick. Als sie fort war, rief er seinen Geist, der mit einem Farbetopfe und einem Pinsel geflogen kam und die Bilder der beiden �ltern Schwestern sogleich[479] anfertigte. Als B�rnh�uter das Bild der Gegenwart gemalt sah, verga� er dar�ber der geliebten Zukunft und weinte, da� er diese nicht bekommen k�nnte. Der Geist tr�stete ihn und sprach: in einem halben Jahre w�rde seine Braut dieser �hnlich und gleich sein, und so h�tte er in diesem Bilde auch das vom Papste verlangte Bild, wie die Tochter in einer gewissen Zeit aussehen werde; in dem Bilde der Vergangenheit, werde er aber gleich sehen, wie die Gegenwart k�nftig aussehen m�sse. – Der Geist malte dieses Bild der Vergangenheit und es gefiel dem B�rnh�uter nicht. Als dieser nun aber vom Geiste verlangte, er solle ihm das Bild der Vergangenheit malen, wie sie k�nftig aussehe, da wischte der Geist seinen Pinsel auf der Wand aus und sagte: ›Entweder so wie die Wolken, da� nichts zu erkennen, oder wie das Bild der Zukunft, das du im Herzen tr�gst, und das ich dir niemals gut genug malen w�rde!‹ Hier verschwand der Geist. Am Morgen zeigte der B�rnh�uter die Bilder dem Papst, der sehr nachdenklich dabei wurde, ihn umarmte und seiner j�ngsten Tochter als Br�utigam vorstellte. B�rnh�uter war so voll Freude, da� er nicht sah, wie seine Braut weinte, als er seinen Ring, der auseinander geschroben werden konnte, mit ihr teilte, und ihr die H�lfte an den Finger steckte. Darauf nahm er Abschied, denn so hatte ihm der Geist in der Nacht befohlen, – ich hatte es zu erz�hlen vergessen – und ritt nach Deutschland zur�ck, um dort in Graub�nden sein siebentes Jahr noch auszuwarten; dann ging er nach Baden ins Bad, wo er zu seiner Reinigung �ber ein halbes Jahr best�ndig im Wasser lag und mit groben Besen abgeb�rstet wurde; ein Dutzend Messer wurden stumpf, eh' ihm der Bart und das Haar abgeschoren waren. Als das beendigt, schaffte er sich die kostbarsten Kleider an und eilte zu seiner Geliebten zur�ck. – Diese war unterdessen in das Aussehen ger�ckt, was die Gegenwart damals hatte, sie war sehr sch�n, aber immer traurig weil sie sich vor ihrem Br�utigam f�rchtete und weil sie von den Schwestern, die keinen Mann bekommen, best�ndig seinetwegen geneckt wurde. Eines Tages rief ein heller Trompetenschall alle drei Schwestern ans Fenster, es zog ein sch�ner fremder Ritter mit vielen Knechten in die Stadt, den sich die beiden �ltesten sogleich zum Mann w�nschten, und o Wunder, der Ritter hielt vor dem Hause still, lie� auch um Erlaubnis bitten, ihnen aufzuwarten. Sie bewilligten es gern und er gab sich f�r einen entfernten Verwandten[480] von ihnen aus, der eine von ihnen zu heiraten begehre und sich deswegen durch einige Gaben empfehlen wolle. Die beiden �ltesten griffen begierig nach den Geschenken, die J�ngste aber blieb einsam wie ein Turtelt�ubchen; die beiden �ltesten bem�hten sich um seine Gunst, sie gefielen ihm aber gar nicht mehr, die Gegenwart sah aus wie damals die Vergangenheit und die Vergangenheit hatte ein verwischtes Gesicht, wie eine Alabasterstatue, die lange unter der Traufe gestanden, die liebe Zukunft aber bl�hte in h�chster Sch�nheit, ihre Haare gl�nzten in gleicher heller Farbe. Dennoch stellte er sich erst den beiden �lteren geneigt, um die Sinnesart der J�ngeren zu pr�fen; als diese aber still und sittig blieb, w�hrend jene stolzierten, erkl�rte er sie f�r seine Braut, indem er ihr die andre H�lfte des Ringes am Finger anschraubte. Da war gro�e Freude in der Verlassenen angez�ndet; der Papst erschien und segnete beide ein. Als aber die Brautleute zu Bette gebracht worden, ergriff die beiden �lteren Schwestern eine Verzweifelung, da� sich die eine erhenkte und die andre in den Brunnen st�rzte. In der Nacht trat der Geist, die beiden toten M�dchen im Arm, zum letztenmal zum B�rnh�uter und sagte: ›Du hast alles erf�llt, was du mir gesollt, ich bin im Vorteil, ich habe mir zwei, du dir eine Tochter geholt. Lebe wohl und bewahre deinen Schatz‹.�


�Aber�, unterbrach sie der Alraun, �warum haben sich denn die Schwestern so ge�rgert, da� sie zu Bette gegangen sind.� – �Weil sich die beiden geheiratet�, antwortete die Braka.. – �Was ist denn heiraten?� fragte der Alraun. – �Das kannst du nicht begreifen�, sagte die Alte. – Der Alraun wollte sich umdrehen, um mit seinen ahndenden Augen sie zu erforschen, aber im Augenblicke schrie er entsetzlich auf und sprang unter den Tisch, der Alten unter den vielgeflickten Rock. �Was ist dir Scheusal!� rief die Alte, sah auch hin, wohin er gesehen und warf sich schreiend �ber den Geldkasten, und Bella legte den Kopf �ngstlich in den Scho� und wagte nicht aufzublicken. – �Lebende Menschen�, sagte eine rauhe Stimme, �sind doch rechte Toren, da h�ren sie mit gro�er Freude meine schreckliche Geschichte an, und mich selbst m�gen sie nicht sehen. Wacht auf aus eurem Schrecken, oder ich schreie, da� die Balken unter und �ber euch biegen und brechen.� – �Nun�, sagte der Alraun unter dem Rocke der Alten, �was will Er B�rnh�uter, ich will[481] Ihm zuh�ren.� – �In welchem Mauseloche steckst du kleiner Knirps?� fragte der B�rnh�uter. – �Wo du gro�er T�lpel nicht stecken kannst�, sagte der Alraun; �mach schnell, es wird mir sonst zu hei� hier, auch bei�en mich die Schmetterlinge, was willst du von uns unsaubrer Gast.� – �Ach�, sagte der B�rnh�uter, �ich habe mich bei Lebzeiten so sehr in mein Geld verliebt, da� ich den Rest hier vermauerte und dabei nach meinem Tode Wache stehen mu�, gebt mir mein einziges Vergn�gen wieder heraus.� – �Gib ihn hin�, fl�sterte die Alte, �so dreht er uns nicht das Genick um.� – �Nein�, rief der Kleine, �du kriegst keinen Heller heraus, du mu�t ihn abverdienen, du bist aber ein starker Kerl, der uns n�tzlich sein kann, in so fern du deinen K�rper noch geh�rig in Stand setzen, ausputzen und beschlagen kannst, um damit auf Erden als unser Knecht zu erscheinen.� – �Ach�, sagte der B�rnh�uter, �was den K�rper anbetrifft, es sind blo� ein paar Verkn�cherungen in den Adern gewesen, woran ich gestorben, die putz ich mit einem scharfen Messer leicht weg, es ist mir nur eine verfluchte Arbeit, so einem kleinen Stehauf, wie du bist, auf der Welt zu dienen: das ist auch noch eine harte Strafe f�r meinen Geiz.� – �Ei was�, sagte der Alraun, und kam unter dem Rocke der Alten hervor, �ich bin nicht eben zu klein, aber du bist zu gro� und ich wei� nicht, was mir lieber w�re; ein Kleiner kann sich einschmiegen und einkriechen, wo ein Gro�er nicht einmal hinriechen darf; kurz und gut, willst du mir treu dienen, so zahl ich dir reichlich alle Woche einen Dukaten, bis dein Schatz wieder beisammen.� – �Ich geh den Vertrag ein�, sagte der B�rnh�uter, �morgen Nacht komm ich mit meinem wirklichen K�rper, wenn ich ihn in der Zeit fertig kriege, zur�ck, neben mir an ist der Diener eines vornehmen Herren begraben, mit dem will ich Kleider tauschen, so macht mein seidner Wams kein Aufsehen und dem armen Teufel g�nn ich die kleine Freude wohl, sich so stattlich begraben zu finden, wenn er am J�ngsten Tage aufsteht, er hat sich immer still und ordentlich bis ein bi�chen Schnarchen neben mir aufgef�hrt.� – �Es ist gut�, sagte der Alraun, �das Weibsvolk hier h�rt dich noch gar nicht sonderlich gerne, dr�ck dich Mensch!� – �Nun adies�, sagte der B�rnh�uter, �es bleibt dabei, aber einen Dukaten Mietsgeld w�rde ich mir wohl ausbitten, ich habe den Totenw�rmern allerlei Kleinigkeiten versetzt, die ich wieder einl�sen m�chte.� – �Da hast[482] du�, sagte der Alraun, und zog mit Gewalt einen Dukaten aus dem Haufen, worauf die Alte lag (die ihm heimlich zufl�sterte: �Gib ihm die H�lfte, es ist auch genug�), �da hast du den Dukaten, f�hr dich ordentlich bei mir auf, es soll dein Schaden nicht sein.� – Der B�rnh�uter verschwand, es dauerte aber noch eine Weile, ehe Braka und Bella aufzusehen wagten. Der kleine Cornelius lachte sie aus, und sie konnten sich einer gewissen Hochachtung gegen ihn nicht erwehren. �Wenn uns der gro�e Kerl nur nicht einmal mit all unserm Hop-hei davon l�uft�, sagte Braka. – �Wie kann er denn�, sagte der Alraun, �es ist ja eben seine gro�e Not, da� er als ein Geist sein Wort halten mu�; ihr Menschen braucht das nicht, wenn ihr euch nicht eurer Seele wegen nach dem Tode f�rchtet.� – �Bist du denn ein Geist oder ein Mensch lieber Cornelius?� fragte Bella. – �Ich�, stammerte der Alraun, �das ist eine dumme Frage, ich bin ich und ihr seid nicht ich, und ich werde Feldmarschall und ihr bleibt, was ihr waret, mit solchen verfluchten spitzfindigen Fragen bleibt mir vom Halse, wenn man dar�ber nachdenkt, so zieht es einem Blasen im Gehirn, wie der Meerrettich auf der Haut.� – �Woher wei�t du denn das vom Meerrettich?� fragte Braka. �Als ich da oben stand unterm Galgen, da stand eine Meerrettichpflanze neben mir, die tat sich immer viel darauf zu gute, da� sie Blasen ziehen k�nnte und da� die Augen bei ihr �bergingen, das nannte sie ihre tragische Wirkung. Gute Nacht�, rief er zuletzt, �Braka auf Wiedersehn! mach dich fort und besorg mir nur recht bald den Kommandostab.� – Als er fortgegangen, beredete Braka alles, was noch zu ihrer Wanderung n�tig, die auf die n�chste Nacht unab�nderlich festgesetzt wurde. Am andern Abende ging Bella noch einmal in den kleinen Garten, was sie erlebt, dr�ngte sich ihr zusammen, jeder Zweig schien ihr bedeutend. Der Nacht wo sie den Erzherzog gesehen, erinnerte sie sich, er selbst war ihr aber ganz entfallen, sie konnte sich nicht denken, wie er ausgesehn habe, auch schien ihr das wenig wert; sie freute sich in die Welt einzutreten, aber sie f�rchtete, die sie umgaben, und das Gef�hl, da� sie ihr zu schlecht w�ren, �berraschte sie sehr schmerzlich; sie sch�mte sich ihrer, weil sie ihren Vater gekannt hatte, und alle Dankbarkeit gegen Braka, alle Freude, die sie �ber das Gedeihen des k�hn und gl�cklich erschaffenen Wurzelm�nnchens hegte, konnte diese Scham nicht unterdr�cken. Es lag ihr die Hoheit ihres[483] �gyptischen Stammes im Blute und sie sah zu den Sternen zutraulich, als zu ihren Ahnen, und f�hlte den Sommer ihres Landes jetzt in dem kalten Oktober, wo der Nil sinkt und alles sich zur Arbeit regt, aber sie wu�te auch das alte Verbrechen ihres Volks, da� sie der heiligen Mutter Maria auf ihrer Flucht nach �gypten kein Obdach geben wollten, als sie mit ihrem seligmachenden Kinde im starken Regen einritt; da erhob aber dieses seine Hand im Kreise und �ber ihnen stand ein Regenbogen, der keinen Tropfen auf sie niederfallen lie�. �Ist unsre Schuld noch nicht geb��t!� seufzte Bella, und rings um den Mond erblickte sie einen wunderbaren farbigen Kreis, da� ihr Herz aufjauchzte und ohne Worte betete. Mit welcher Sehnsucht hat mein geliebter Vater Michael, dachte Bella, nach jenen H�geln geblickt, den ersten Gru� der Morgensonne zu erwarten und ich soll sie hier in der Stille nie wieder sehen. Was haben sie mit mir vor, die mich umgeben, soll ich fliehen in die Weite, soweit meine F��e mich tragen, die Welt ist ja nirgend verschlossen! – Die Sehnsucht nach der Freiheit bewegte sie, da fl�sterte ihr Braka leise zu, die sich ihr gen�hert: �Der B�rnh�uter hat schon alles aufgesackt, der Cornelius reitet auf seinem Nacken, hast du noch was mitzunehmen?� – �Ei freilich�, sagte Bella, �da sind noch meine Puppen und das Zauberbuch.� – �Ach liebes Kind�, sagte die Alte, �das hat der grobe B�rnh�uter aus Unvernunft alles in den Ofen geworfen; sei nur nicht b�se, tr�ste dich.� – Bella sah nieder: �So mu� ich auch das alles verlassen, womit ich gespielt habe.� – �Ja liebes M�dchen�, sprach Braka, und umarmte sie, �ich habe es dir schon seit ein paar Wochen sagen wollen, du bist nun erwachsen, kannst auch alle Tage einen Mann nehmen; freust du dich nicht Blitzm�dchen! Wie ist dein Busen hervorgetreten, wie eine Frucht unter Bl�ttern, und du hast es nicht bemerkt, sieh der Mond hat Platz seine Strahlen hin�berzurollen.� – �Alte, bist du unsinnig?� fragte Bella. – �Ach la� mich�, sagte Braka �es ist Nacht und ich mag auch einmal vergessen, wie ich mich in aller Welt gleich einem Rauchbesen herumgetrieben, alle Spinnweben, allen Schmutz ausgekehrt habe, da� ich schmutzig bin und bleibe. War auch einmal jung und artig, sang mit unsern sch�nen J�nglingen und reimte Lieder, und nun ich dich so sehe und du von allem nichts wei�t, was mit dir geschehen, da denke ich f�r dich und freue mich f�r dich. Sieh du bist nun ein gro�es M�dchen und[484] alle Lust geht dir auf, und wo du hinblickst, jeder f�hlt und will was bei dir, und wenn du nur eine Hand ausstreckst, wird es ihnen hei� in allen Adern, sie stammern und scheuen sich und rasen und herzen, und blickest du einen an und dann den andern, so schlagen sie sich und rechnen ihr Blut f�r nichts gegen dein Blut und vergie�en es f�r dich.� – �Ach Gott�, rief Bella, �welch ein Ungl�ck steht mir bevor, lieber lauf ich davon und verberg mich aller Welt!� – Braka hielt sie und sagte: �Fliehen willst du unartiges Kind, wenn du dir das je unterstehst, ich will dich schon wieder kriegen, da peitsche ich dich mit Brennesseln. Du bist doch noch dumm wie ein Klotz; wenn man der dummen Gans alles Liebe sagt und tut, sie versteht kein Wort; komm jetzt herein, wir haben keine Zeit �brig, ein andermal sag ich dir mehr!� – Sie schob Bella ins Haus, die wunderlich bewegt von dem, was sie geh�rt, noch mehr von dem, was sie erwarten sollte, sich �ber den Verlust ihrer B�cher und Puppen tr�stete, und den B�rnh�uter kaum anstaunte, der in seiner braunen Livrei einem B�ren glich, auf welchem der Alraun, wie ein menschlich angezogener Affe ritt, um sich auf einer Kirmes sehen zu lassen. Braka ging voran, Bella folgte ihr, der B�rnh�uter schlug die T�r zu; alle waren still, nur Braka brummelte vor sich, wenn sie den verschneiten Weg nicht recht erkennen konnte. Auf dem Galgenberge sahen sie gro�en Tanz, sie kehrten sich nicht daran; ein paarmal wurden sie durch Feldh�hner erschreckt, die aus dem Schnee aufflogen. Endlich sahen sie das Dorf Buik in einer Vertiefung liegen und Braka erkannte die Lampe ihrer alten Diebsschwester, der Nietken.

Sie n�herten sich leise einer Gartent�r und Braka machte ihre Gegenwart durch Wachtelgeschrei kund. Es kam ein kleines M�dchen, die sah sie an, machte die T�re auf und f�hrte sie in einen Keller, und durch den Keller die Treppen hinauf, in ein Bodenzimmer, das durch die T�re eines Nebenzimmers erleuchtet wurde. Braka ging unverzagt in dieses zweite erhellte Zimmer, wo eine dicke alte Frau, die in einem sch�nen gr�nen seidnen Kleide einer Platznelke glich, weil sie dasselbe hin und wieder teils mit ihrem roten Gesicht und H�nden, teils mit ihrem rotwollenen Unterrocke durchschimmern lie�, vor einem kleinen Hausaltare kniete, der mit einem sch�nen Bilde der Mutter Maria und vielen bunten Wachskerzen geheiligt war. – �Nun du alter Sausack�, sprach Braka, �betest[485] du wieder, weil du viel getrunken hast und der Schluckauf dir nicht vergehen will.� – Frau Nietken, denn das war die Betende, sah sich um, winkte mit der Hand und betete ihren Rosenkranz emsig fort. Der B�rnh�uter fand sich auch zur Andacht gestimmt, er kniete nieder, auch Bella, die recht sch�ne Gebete wu�te; aber Braka, die alle Schl�ssel und Gelegenheiten des Hauses kannte, nahm eine gro�e Kanne schwer Bier aus einem Wandschranke und trank f�r alle.

Unterdessen war der Alraun �ber allen l�cherlichen Kram im Zimmer, wo alte Tressen, Lappen, K�chengeschirre, Leinenzeug, in abgesonderten Haufen, lag, so verwundert, da� er sich nicht satt daran sehen konnte; alles war ihm neu, aber er wu�te sich bald alles zu deuten. Frau Nietken, die eine Tr�dlerin von sehr ausgebreitetem Handelsverkehr war, versammelte die seltensten Vorr�te von Altert�mern aller Art; da war im Hause auch das kleinste Hausger�t nicht in der Art zusammenh�ngend und dem Hause gem��, wie man es sonst aller Orten findet; sondern aus einer sehr nat�rlichen Auswahl der Leute, die sich immer das Brauchbare aus ihren Ank�ufen herausgesucht hatten, war ihr zum Gebrauche nur das Abenteuerlichste geblieben, was die Laune irgend einer Zeit, oder eines Reichen, f�r einen besondern Fall, geschaffen hatte. Die St�hle zum Beispiel in der Dachkammer, waren von h�lzernen Mohren getragen, �ber jedem ein bunter Sonnenschirm, sie stammten aus dem Garten eines reichen Genter Kaufmanns, der viel Gesch�fte im Afrika gemacht hatte. In der Mitte des Zimmers hing eine wunderliche gedrehte Messingkrone, sie hatte sonst die aufgehobene j�dische Synagoge zu Gent beleuchtet, jetzt steckte ein gewundenes buntes Wachslicht zu Ehren der Mutter Gottes darauf. Der Altar war eigentlich ein abgedankter Spieltisch, an welchem die ledernen Gelds�cke ausgerissen und eine gewesene Salzm�ste, mit Weihwasser gef�llt, eingesetzt war. An den W�nden hingen gewirkte Tapeten, welche alte Turniere darstellten, die Ritter und die eisernen Harnische hingen in Plundern herunter.

Die gute Frau Nietken, die zu ihrem Gesch�ft, das sich auch gelegentlich �ber gestohlne Sachen ausbreitete, die sich in dem Hause gar leicht verstecken lie�en, alles Gaunervolk der Gegend brauchte, war eine Herzensfreundin von Braka, die ihr sehr gut nach dem Maule schwatzen konnte. Kaum hatte sie ihr letztes Ave gebetet,[486] so erhob sie sich in Verh�ltnis zu ihrem dicken Leibe mit gro�er R�stigkeit, stellte sich mit eingestemmten Armen vor Braka hin und sprach: �Nun du alte Vettel kannst wohl gar nicht mehr beten, hat es dir dein Herrg�ttchen, der Teufel verboten? Wann wird er dich holen? Du altes Weib, wirst ja alle Tage runzlichter. Pfui Teufel, wenn ich so auss�he wie du, ich ginge nicht �ber Feld!� – �Du bist sch�n jung�, kreischte Braka, �siehst aus wie mein alter dicker Spitz, wenn ich ihn frisch geschoren; die wei�en Haare wachsen strichweis aus dem roten Gesichte heraus; hast sicher heut zu viel Pfefferwasser getrunken. Kannst du noch russisch tanzen du tolles altes Trompetergesichte?� – �Heida, das geht noch!� trompetete Frau Nietken, und tanzte zu aller Erstaunen, als wollte sie die Beine sich ausschlenkern, rutschte dann auf den Knieen, klatschte an ihr Fleisch, bis alle in ein entsetzliches Gel�chter ausbrachen und sie schwur, da� ihr alle Knochen im Leibe zerbrochen w�ren, und da� sie ein Glas spanischen Wein trinken m�sse.

Nun sah sie erst beim Wein die �brigen an. Als sie Bella erblickte, sagte sie zu Braka: �La� mir die, die soll mir zur Hand gehen; was hast du f�r Schlechtigkeit mit der im Sinn, soll dir die Geld verdienen?� – Braka versicherte ihr mit recht ehrerbietiger Stimme, dies sei ihre Herrschaft. – �Wer ist denn die Kr�te da?� fragte Frau Nietken weiter und wies auf Cornelius. – �Ich bin der Feldmarschall Cornelius�, antwortete der Alraun, �hab Sie mehr Achtung gegen mich, alter Hahnenkamm!� – �Nun�, fuhr sie fort, �der mu� wohl Feldmarschall bei den Unterirdischen sein; wer aber bist denn du alter Zeiselb�r, hast ja eine Livrei, die ich kennen sollte? Ei ja, ich hab sie dem Herren von Floris f�r eine neue gebracht, die er seinem alten Bedienten im Grabe nicht g�nnte Am Ende ist die zum Stehlen auch nicht zu schlecht gewesen; hast du sie aus dem Grabe geholt, du siehst darnach aus!� – Der B�rnh�uter, den sie also anredete, ohne ihr zu antworten, reichte ihr eine derbe Maulschelle, worauf das alte Weib sogleich ganz n�chtern wurde und fragte, was sie bef�hlen.

Braka konnte ihr jetzt alles deutlich machen, was sie an guten Kleidern und Schmuck brauchten, und da� sie in aller Fr�he in ihrem besten Staatswagen nach Gent gefahren sein wollten, um dort irgend ein mietfreies Ritterhaus zu bewohnen.

Die treffliche Frau Nietken hatte es gleich weg, da� viel bei diesem[487] Handel zu verdienen sei, also weckte sie im Augenblicke ihre Leute, und lief treppauf treppab, um das Sch�nste ihnen aufzusuchen. �rme voll Kleider warf sie ins Zimmer, da wurde ausgesucht und zwei Koffer damit gef�llt, mit W�sche konnten sie nur sparsamer versorgt werden, denn die Niederl�nder verkaufen lieber ihr Kleid, als ihr Hemde. Nachdem f�r den Anzug gesorgt war, sprang Frau Nietken herbei mit Kohlen und einem Brenneisen, um die Haare nach damaliger Sitte zu locken. Da half es nicht, da� Bella ihr die nat�rlichen Locken ihrer Haare zeigte, die waren ihrem feinen Geschmacke nicht gut genug; es war dem armen Kinde wie eine Teufelsklaue, die sie gepackt, als sie die Haare, um das hei�e Eisen gewickelt, ihr hei� an die Stirn dr�ckte. Bellas Hinterhaare waren trotz des Abschneidens noch lang genug zur damaligen Lockentracht. Bellas f�rstliches Ansehen hielt Frau Nietken in gewissen Schranken; auch Braka, als sie gewaschen und frisiert war, hatte sich veredelt, sie erschien wie eine sehr ehrw�rdige alte Hofmeisterin, denn als Mutter der sch�nen Bella h�tte man sie wohl nicht durch den Anblick anerkennen m�gen. Die Eitelkeit erwachte in Braka, wie in Bella, nicht schlecht, und als sie erst ihre seidnen Kleider angezogen, stolzierten beide stillschweigend vor den Spiegeln herum.

Aus dem Feldmarschall konnte Frau Nietken am wenigsten machen. Umsonst hatte sie ihm sein grobes Haar gestutzt, er war und blieb nach der ganzen zusammengedr�ckten Gesichtsform, den hohen Schultern und der beengten Sprache ein Zwerg. �H�r Kleiner�, sagte sie �wenn du kein Zwerg bist, so bin ich keine ehrliche Frau!� – �Was�, sagte Cornelius, �ich bin ein Mensch, und du nennst mich einen Zwerg? Was ist denn ein Zwerg?� – �Ich wei� es wahrhaftig nicht�, sagte Frau Nietken, �aber du kamst mir vor wie ein Zwerg ich glaub, du k�nntest dich f�r Geld sehen lassen!� – �Das w�re mir lieb�, sagte Cornelius, �vielleicht!� und meinte in seiner geldbringenden Natur, alles was mit Gelde bezahlt w�rde, sei auch ehrenvoll, und das sei eine Artigkeit der guten Frau.

Am Morgen waren alle ausstaffiert, Cornelius wurde im Schlafrock in die sch�ne vergoldete Kutsche getragen, seinen Kopf hielt die Frau von Braka, Fr�ulein Braka seine Beine, der B�rnh�uter sa� auf dem Bocke: so fuhren sie mit ziemlichem Herzklopfen aus, teils von der Furcht, teils von den Kleidern eingeklemmt, denn der[488] neue Staat wollte keinem recht passen; aber freilich war er auch ziemlich zusammengetr�delt und doch so teuer, da� der B�rnh�uter �ber die Anwendung seines Schatzes heimlich geseufzt hatte. Als sie eine halbe Stunde gefahren waren, fing Cornelius heftig an zu lachen, und sagte: �Die alte Katze meinte, da� sie uns recht geprellt h�tte, ich hab sie aber angef�hrt: in den alten Stiefeln, die sie mir angezogen hat, ist ein sch�ner Schmuck von kostbaren Steinen eingen�ht, wer wei� es, wie sie dazu gekommen, sie hat's aber nicht gewu�t, trennt einmal die Naht ganz zierlich mit diesem Messerchen auf.� – Braka machte sich dar�ber, schnitt die Stulpen auf und fand die kostbarsten Diamantketten zum Halsschmuck; sie griff sich aus Vergn�gen nach alter Gewohnheit in die Haare und verdarb sich damit ihren halben Kopfputz: �Ach wie pr�chtig wird mir der kleiden!� sagte sie, und machte Anstalten ihn um ihren gelben Hals zu legen. Cornelius aber verlangte, da� Bella ihn tragen sollte, und es w�re dar�ber viel leicht zum Streit gekommen, wenn die N�he der Stadt die Aufmerksamkeit der Alten nicht gefesselt h�tte. Cornelius hing der sch�nen Bella die Halskette ungest�rt um, die ihr k�nftig so wichtig wurde. �Seht euch doch um ihr Kinder�, rief jetzt Braka, �euch ist es was Neues und ihr achtet nicht darauf: seht den lieben Reichtum rings an der Stadt, die Frachtwagen ziehen so breit, da� wir ihnen kaum ausweichen k�nnen.� Aber Cornelius und Bella sahen nur nach den zierlichen Reitern, die ihre Pferde tummelten; nach den Schafen, die von den Metzgern zur Schlachtbank getrieben wurden; ein Wagen voll K�lber, die j�mmerlich aufeinanderliegend bl�kten, erschreckte Bella, so auch das L�rmen in den Wirtsh�usern der Vorst�dte, wo der t�gliche Erwerb schon so fr�h Zank und Schl�gerei erweckt hatte.

Endlich kamen sie an die Torwache; ein B�rger trat mit der Hellebarde heran und fragte, woher sie k�men. �Aus dem Lande Hadeln!� antwortete Braka in der Verlegenheit, �ich bin Frau von Braka, dies ist meine Tochter und dies mein Neffe, der Herr von Cornelius.� – �Fahr zu�, rief die Schildwache und der Kutscher brachte sie, w�hrend sie zitternd triumphierten, da� ihnen von der Wache kein Einwurf gemacht worden, nach dem Hause am Markte, das Frau Nietken zu vermieten den Auftrag hatte, wo sie ohne alle besorgliche Ereignisse abstiegen und sich einrichteten.[489]

Die ersten beiden Monate wurden darauf verwendet, ein vornehmes Wesen zu erlernen; es wurden Lehrer und Lehrerinnen angenommen und was sich im Betragen der alten gn�digen Frau nicht schickte, wurde immer dem Lande Hadeln zur Last gelegt, wo das Adeln noch nicht recht tief eingedrungen sei. Bella erschien bald in allen ihren Sitten der feinsten Gesellschaft gleich; sie sprach Spanisch mit Fertigkeit. So verborgen sie sich hielt, war sie doch schon das Gespr�ch der jungen Leute, die alle Tage vor dem Hause vor�berritten, um sie zu sehen und ihre Aufmerksamkeit auf sich zu ziehen. Der Herr Cornelius befand sich am schlechtesten bei seinem neuen Stande, die enge Kleidung wollte ihm gar nicht behagen und das Fechtenlernen machte ihn zum Umsinken m�de. Auf der Reitbahn konnte er es mit allem grimmigen Gesichterschneiden durchaus nicht vermeiden, da� nicht �ber ihn, als �ber ein Wundertier gelacht wurde, die zahmsten Pferde wurden bei seiner ewigen Unruhe wild und warfen ihn herunter. Er aber war nicht abzuschrecken, er stieg gleich wieder auf, und das wiederholte sich oft zehnmal in einer Stunde, kein andrer Mensch h�tte diese St��e aushalten k�nnen. Gl�cklicher war er in seiner �brigen Ausbildung; seinen Lehrer der Rhetorik besch�mte er oft mit seiner Beredsamkeit und �rgerte ihn mit seinen Sp��en. Er konnte den meisten Leuten in ihrer Sprache geschickt nachreden, hatte aber keine eigne Sprache; dennoch machte ihm sein boshafter Wille, der manches Versteckte mit ahndendem Auge auffassen konnte, eine Menge Bekannte, die ihn in Schutz nahmen und alle Leute auf den Fu� mit ihm setzten, da� dem Kleinen nichts �bel zu nehmen sei; ihm wurde jede Stadtgeschichte vorgetragen und er mu�te sie vermehren und mit Einf�llen spicken, so wurde sie weiter in Umlauf gesetzt, da� eine Art von Reibung in der Stadt entstand, die endlich auch den Erzherzog ber�hrte. Der Erzherzog hatte die Nachricht bekommen, da� er wegen eines im Briefe an seinen Gro�vater Ferdinand ausgelassenen Titels von demselben enterbt worden sei, als er eben �rgerlich nach Hause kam, weil er ein tragendes Reh, das er f�r einen Rehbock angesehen, geschossen hatte. Beide Ereignisse hatte der kleine Cornelius gleich in Verbindung gesetzt und bat einen Pagen, er m�chte dem Erzherzog raten, statt beim Gro�vater lieber im Walde einen Bock zu schie�en.

Der Erzherzog erfuhr die Worte und da er leichten Blutes war,[490] so mu�te der Edelknabe den Sp�tter zum Essen laden. Der kleine Cornelius trat innerlich mit einem Beben, aber um so frecher und unversch�mter ins Zimmer; Karl war in der Bl�te seines Lebens und sein Mitleid beschwichtigte den l�cherlichen Eindruck, den ihm der kleine stramme Kerl machte. Karl fragte ihn �ber sein Land aus, der Kleine war unersch�pflich in l�cherlichen Beschreibungen von den Bauern im Lande Hadeln, und jedermann h�tte geschworen, es sei wahr. �ber das ihm reichlich, wie Zuckerwerk zugeworfene Lob, stieg ihm der Mut immer mehr in der Eitelkeit, wie ein Taucherm�nnlein, wenn der Druck der gro�en Hand �ber ihm nachl��t; er fing an von seinem Zweikampfe zu prahlen, den er zur Ehre seiner Damen gegen zwei fremde Ritter bestanden, die er t�dlich verwundet h�tte, wobei er aber selbst an der Brust durchsto�en, so da� er halbtot nach Gent gefahren sei. Als einige nach dem Wundarzte fragten, der ihn behandelt und seiner Zuversicht mit zweifelndem Blick begegneten, ri� er sich die Weste auf, und zeigte seine eingekerbte Wurzelhaut, die jedermann f�r vernarbt ansah. Nach diesem Hauptschlag r�hmte er seine Reicht�mer und seine Familie; die Tante Braka wurde eine so altadlige herrliche Hofdame, voll Erfahrung und Charakter, Herzensg�te, Zartgef�hl und feiner Lebensart, wie Gent noch keine aufzuweisen h�tte. Bellas Sch�nheit �bertraf nach seiner Beschreibung die Helena; dabei erz�hlte er von ihrer Unschuld eine Menge Anekdoten, die allerdings wahr waren, die ihm aber niemand glauben wollte, weil sie ihre wunderliche Erziehung und Natur h�tten kennen m�ssen. Zuletzt gab er zu verstehen, da� er sie heiraten werde. Der Erzherzog bekam einen eignen Anfall von Sehnsucht nach ihr, wie er aber schon fr�h sich zu verbergen wu�te, so suchte er nur durch Spott den Kleinen dahin zu bringen, da� er einmal �ffentlich mit seiner Braut erschiene, und dazu schlug er ihm die n�chste Kirmes in Buik vor, die von allen vornehmen und geringen Gentern gleich zahlreich besucht werde. Der Kleine lie� sich fangen, und gab das Haus der Frau Nietken an, wo er mit den Seinen erscheinen wollte.

Nach dieser Verabredung gingen sie aus einander, aber der Erzherzog, der noch kein M�dchen n�her kennen gelernt hatte und die meisten nicht der M�he wert gehalten, empfand ein solches unwiderstehliches Vorgef�hl, da� er auch ohne Bellas t�glich herrlicher sich entfaltenden Sch�nheit sich wahrscheinlich in ihr unschuldiges[491] und heimliches Wesen verliebt h�tte. Er sprach mit Cenrio, der sein Vertrauen durch Aufopferung seiner Pflicht oft schon bei unbedeutenderem Anla� erkauft hatte, wie sie der strengen Aufsicht des Adrian von Utrecht, des Oberhofmeisters entgehen k�nnten. Cenrio versprach ein altes Buch mit einem falschen Titel einzurichten, da� Adrian glauben k�nne, es sei ein ihm unbekannter Anhang zu den Sentenzen des Petrus Lombardus, �ber die er einen Kommentar schrieb, das solle bei Frau Nietken zum Verkauf liegen, und so werde er sich gleich dar�ber machen, es zu durchlaufen und lie�e sie laufen, wohin ihr Lusten sie treibe. Der Erzherzog war des Vorschlags sehr froh. Nichts schmeichelt einem jungen F�rsten mehr, als in der Befriedigung seiner Leidenschaft die Klugheit l�cherlich zu machen, und nichts verdirbt schneller.

Als die Begeisterung des Wurzelm�nnchens �ber alle Ehre, die er beim Erzherzog genossen, etwas nachgelassen, mit dem Weindunste, der seinen kleinen Kopf eingenommen hatte, so gingen ihm alle einzelnen Reden hindurch, die er mit ihm gef�hrt, da� er sich als Br�utigam ausgegeben, da� er Bella auf der Kirmes ihm zeigen wollte. In eitlem Vergn�gen rieb er sich die H�nde und konnte sich nicht enthalten, alles dem alten B�rnh�uter zu sagen, der, wie alle Bedienten, klug genug war, so dumm er in seinem Dienste sein mochte, seinem Herren den Kutzen zu streichen, aus welchem ihm schon manches Trinkgeld gefallen. Dies vollendete, wozu der Kleine aus Nachahmerei seiner Bekannten schon vorgereift, eine feste �berzeugung in ihm, er sei in Bella verliebt, und bei der vielen Z�rtlichkeit, die sie aus einer Art m�tterlichen Gef�hls ihm bezeugte, glaubte er in ihr ein gleiches Gef�hl voraussetzen zu d�rfen, und hielt seinen Vorteil f�r so gewi�, da� er nicht einmal die ahndenden Augen auf sie zu werfen n�tig fand, um zu unterscheiden, wie sich alles in ihr verwandelt hatte, wie sie nicht blo� mit ihren Augen die Fr�hlingssonne, sondern auch mit ihrem Herzen die Liebe gesucht habe. Er kannte nicht die Macht des Fr�hlings, der aus dem Himmel in alle Fenster ruft: �Ihr M�dchen, schaut euch um nach einem, der mir gleicht.�

Auch Bella hatte die Fr�hlingsstimme geh�rt und lief unz�hligemal von ihrer Arbeit ans Fenster und so kam es, da� seit ein paar Tagen mit ihr eine so gerechte und nat�rliche Ver�nderung vorgegangen war. Sie hatte in der Abwesenheit des Kleinen, der die[492] Zimmer nach der Stra�e bewohnte, einmal gerade zu der Stunde durch die Teppiche der dicht verh�ngten Fenster nur mit einem Auge gesehen, als der Erzherzog mit seinem Gefolge vorbeiritt, aber ein Schlag, m�chtig wie jener, der sie auf dem Galgenberge bet�ubte, doch ohne jenes Schrecken, hatte ihre Erinnerung aufgekl�rt und wie das goldne Vlies an einer starken unaufl�slichen Kette um seinen Hals hing, so war sie an seinen Blicken h�ngen geblieben, das sanfte liebe Lamm, mit ganzer Seele; und alles was sie vor dem Zauberschlage am Galgenberge in ihrer Seele f�r ihn gef�hlt hatte, das war in der Einwirkung seiner hellen Augen ihr wieder ganz gegenw�rtig geworden. Ja, als er vorbei war, schlug sie die H�nde �ber den Kopf zusammen und weinte so heftig, weil ihr alles verha�t war, was sie erlebt, was sie umgab, da� Braka herbeieilte und lange kein Wort ihr entlocken konnte, und endlich selbst mit ihrem Troste in ein geselliges Heulen ausartete. Bella mu�te sich einem in der Welt vertrauen, sie bekannte ihr endlich, wer ihr wieder erschienen, wie verha�t ihr nun dieses Lernen im Stadtleben sei, wie froh sie jetzt im kleinen Hause vor der Stadt an den Bodenfenstern, Fr�hling und Sommer in N�he und Ferne �berschauen k�nne, der jetzt kaum in einzelnen Baumspitzen und abgebrochenen Blumenstr�u�en zu ihnen dringe. �Mutter�, seufzte sie, �wie m�chte ich still ungest�rt in einsamen N�chten durch die Fluren schauen und beten.� – Als Braka das geh�rt, schlug sie lustig in beide H�nde und sprach: �Sieh, verstehst du nun, was ich dir im Garten sagte, ehe wir nach Buik gingen? Nun, wenn's weiter nichts ist, da will ich dir schon Mittel schaffen, die dir besser helfen, als Seufzen und Beten. Du sollst ihn haben, du mu�t ihn haben, denn sieh liebes Kind, das ist schon lange mein versteckter Plan mit dir, den auch die Oberh�upter unsres Volks billigen. Du mu�t von diesem k�nftigen Erben der halben Welt, ein Kind bekommen, das durch die Liebe seines m�chtigen Vaters den zerstreuten �berbleib deines Volkes in Europa sammelt und in die heiligen Wohnpl�tze unseres �gypterlandes zur�ckf�hrt. Also weine nicht, das macht dir die Augen tr�be, ich will ja nichts andres, als was dir lieb ist� – �Aber wie soll ich von ihm ein Kind kriegen,� fragte Bella. �Wird er es mir gleich ohne Umst�nde aus dem Brunnen holen, von dem mir der Vater erz�hlte, wo eines immer mu� die Leiter halten, w�hrend das andre heruntersteigt.� – �Liebes Kind�, sagte[493] Braka mit verschmitzter Bosheit, �wenn du mit ihm allein bist, mu�t du ihn recht dringend darum bitten, wenn er gerade in recht gn�diger Stimmung, so gew�hrt er es dir vielleicht im Augenblicke und du wirst immer stark genug sein, ihm dabei die Leiter zu halten!� – �Ach mein Karl ist gewi� gut, das sagte mir sein Auge, seine Stirn, als er im Vorbeireiten das Barett vor einem alten einbeinigen Kriegsknecht abnahm, er tut's mir gewi� zu Gefallen�, rief Bella; �wir wollen es ihm durch den Kleinen sagen lassen.� – �Um unsrer lieben Jungfrau harte Haut am Fu�e, bitte ich dich�, sprach Braka und hielt ihr den Mund, �sage dem kein Wort, denn sieh, der w�rde es dir in seiner Bosheit nicht vergeben, da� du dich bisher stelltest, als sei er dein Schatz.� – �Mein Schatz, nein, das war er nie�, sagte Bella, �aber er war mir bis zu dieser Stunde lieb; jetzt wollte ich, wir h�tten ihn oben stehen lassen beim Meerrettich, er scheint mir jetzt recht unmenschlich, ich wei� nicht warum?� – �Nun Kind�, fuhr Braka fort, �darin kann ich dir nicht unrecht geben; ich hab mich lange gewundert, wie du so schmeichelnd zuweilen den garstigen Kniehoch auf deinen Knieen reiten lie�est, w�hrend er dir alles gebrannte Herzeleid antat, deine Zeichenb�cher zu Papierknallen zerri�, Suppe auf deine Kleider sch�ttete. Aber sei klug, folge mir, la� dir nichts merken; wenn ich ihm die verfluchten Augen hinten einmal packen kann, rei� ich sie ihm aus, da� er das nicht entdeckt. Er mu� uns Geld und Gelegenheit schaffen, da� wir den Erzherzog sehen; schmeichle ihm recht, da� du ihn liebst.� – �Aber ist das nicht unrecht?� fragte Bella. – �Wie dumm�, rief Braka, �wenn es ein Mensch w�re, ei nun, aber eine alte Wurzel, was kann man da f�r Unrecht tun, eine andre wird mir nichts dir nichts klein geschnitten und gekocht; Ehre genug f�r diese, da� wir mit ihr, wie mit einer Puppe zuweilen umgehen. Nun wei� ich wohl, es wird uns nicht leicht werden, seiner los zu werden, aber da hab ich mein Pl�nchen mit dem B�rnh�uter, der ist des Dienens zum Verzweifeln satt und m�de, und m�chte sich gern wieder zu Grabe legen, der mag ihn mit dem Schatze nehmen. Hat dich der Erzherzog lieb, so brauchen wir keine solche Sch�tze, der wird uns nicht Hungers sterben lassen.�

Bella, in ihrer Ungeduld nach dem Erzherzoge, ging alles ein, sie wollte sich gegen den Kleinen z�rtlich stellen und sie hatte in den n�chsten Tagen schon Gelegenheit dazu, als er von dem Erzherzoge[494] heimgekehrt war und ihr zum erstenmal von der Zukunft redete, wie sie sich in Gent verm�hlen und niederlassen wollten. Braka war gegenw�rtig und fragte ihn listig, wie es denn mit seinem Kriegshandwerk jetzt stehe, ob er bald General oder Korporal sein w�rde. – Er l�chelte selbstzufrieden und gab zu verstehen: Seine Anstellung sei ziemlich unfehlbar, er verm�chte alles �ber den Erzherzog; dann erz�hlte er ihnen, wie er mit diesem eine Zusammenkunft in Buik zur Kirmes verabredet h�tte, sie m�chten sich doch bei Frau Nietken einige artige Zimmer bestellen. – Braka war heimlich erfreut, wandte aber scheinbar ein, da� die Frau sie kenne und sie verraten m�chte, doch freilich sei dies in Gent eben so m�glich und mit Geld lie�e sie sich leicht in ihr Interesse ziehen. Die Lustfahrt wurde also beschlossen und gleich die Schneiderinnen zu einem rechten Feststaate in Bewegung gesetzt; es entstand ein Geschicke nach allen Seiten, da� selbst der arme B�rnh�uter, trotz seiner kalten Leichennatur, schwitzen mu�te. Dieser gute Kerl tat wirklich alles, was man nur von einem lebenden Menschen erwarten konnte, dabei a� er aber so gewaltig, da� seine irdische Natur ein frisches Leben gewann und er sich immer mehr �berzeugte, er werde sie nicht mehr so geruhig zu Grabe bringen, wie sie sonst darin gelegen, auch erhob sich zuweilen ein solcher Streit zwischen dem lebenden und verstorbenen K�rper in ihm, da� es ihm �ber der ganzen Haut zuckte und juckte. Eben solcher Zwiespalt war in seiner Meinung von der Herrschaft: sein verstorbener Leib rechnete sich zu Herren Cornelius, sein neulebender war ganz der Frau Braka und der sch�nen Bella ergeben und achtete den Herren nicht mehr, als einen Gl�ckspilz. Wie nun die eine oder die andre dieser Seiten hervortritt, werden wir ihn bald f�r den einen, bald f�r den andern t�tig sehen; doch verriet er keinen dem andern.

Alles war endlich zur Fahrt bereit. Der Wagen hatte dreifach bezahlt werden m�ssen, solch eine Menge Leute, die sonst im stillen Gewerbe lebten, hatten diesen Tag zum Ausl�ften sich erw�hlt. Da traten so viele verlegne Kleider ans Licht, da l�rmten die Kinder so fr�h im Hause; aber nur die wenigsten konnten sich der Bequemlichkeit eines Wagens erfreuen, die meisten mu�ten sich in langen Reihen einen Weg durch das Korn dr�ngen, um nicht im Staube des Fuhrweges zu ersticken; doch zogen andre diesen vor, weil viele die reichen geputzten Kaufleute und den Adel nicht fr�h genug[495] zu sehen meinten, wenn sie dort alle versammelt w�ren, sondern sie einzeln auf dem Wege dahin zu mustern w�nschten. Insbesondre war aber die Schaulust durch die allgemein verbreitete Nachricht gespannt worden, da� selbst der Erzherzog im gro�en Staate des Vliesordens mit allen seinen Edelknaben und allen Rittern die Lustbarkeit der Buiker Kirmes mit seiner Gegenwart beehren werde, eine Herablassung, die ohne Beispiel war und die Vorsteher des Orts zu der gewaltigsten Anstrengung an Reden und Ordnungsgesetzen, Ehrenpforten und Blumenopfern begeistert hatte. Von einem sichtbaren Punkte zum andern waren Bauern mit Fahnen ausgestellt, durch deren Wink der Ausritt des Erzherzogs kund getan werden konnte; bei jeder Fahne hatte sich ein Haufe Wanderer gesammelt. Dieser Prinz, der weniger mit dem Feste, als mit seiner Liebe besch�ftigt sein wollte, t�uschte aber die allgemeine Neugierde, indem er sich ganz einsam mit Cenrio und Adrian in einer bedeckten Gondel einschiffte, um unmittelbar am Hause der Frau Nietken, wo Cenrio ihnen Zimmer bestellt hatte, abzutreten. Unterweges nahm er zum erstenmal einigen willigen Unterricht in der Dialektik bei Adrian, dem es eine Freude war, als der Prinz den Schlu� erfunden hatte: �Alle junge M�nner sind verliebt, Cajus ist ein junger Mann, also ist Cajus verliebt.� Der genannte Cajus war aber unser Erzherzog selbst, der dabei heimlich mit Cenrio lachte. Der Erzherzog war in den blo�en Gedanken an die sch�ne Unbekannte, die er an dem Tage sehen sollte, so verliebt, da� es ihm wie eine �berfahrt auf dem langsamen Styx zu einem neuen Leben schien, wo alles freier, wunderbarer, lieblicher und schrecklicher ihm erscheinen sollte. Adrian dachte heimlich an das Buch des Petrus Lombardus, wovon ihm Cenrio erz�hlt, da� er es bei einer Tr�dlerin gesehen; Cenrio an die k�nftige Gunst, die seiner warte, wenn der Erzherzog zur Regierung gekommen.

In solchen Gedanken landeten sie im Hofe von Frau Nietken, die, ungeachtet sie von Cenrio wohl unterrichtet war, doch sich stellte, als kennte sie ihre hohen G�ste nicht und es bedauerte, da� ein paar Familien aus Gent ihr Hans in Beschlag genommnen h�tten. Adrian fragte, ob sie nicht in der Bibliothek unterkommen k�nnten, aber Frau Nietken lachte, da� ihr der Kader schwoll: sie h�tte nur ein paar alte wurmstichige Schwarten, die l�gen in einer Bodenkammer, wo sich knapp ein Mensch umdrehen k�nnte. Adrian[496] lie� nicht nach, bis sie dahin gef�hrt wurden; erst dort sagte er ihr, da� ihrem Hause die Gnade heut geworden sei, den Erzherzog zu beherbergen, die Familien aus Gent w�rden wohl aus Achtung gegen ihn ein paar Zimmer nach der Stra�e frei machen. Das dicke Weib schien beinahe in die Kniee zu fallen aus Verwunderung und Demut, k��te die Zipfel der erzherzoglichen Feldbinde und eilte in das Zimmer der Frau von Braka, um ihr anzuzeigen, da� der Erzherzog gekommen, da� sie ihm die benachbarten Zimmer einr�umen, und die T�ren offen lassen wolle.

Der Kleine war in der Zwischenzeit mit dem B�rnh�uter schon auf den Jubelplatz in der Mitte des Orts gegangen, um den Erzherzog zu erwarten, von dem er sich recht viel Ehre versprach. Zu seinem Leid mu�te er dessen Abwesenheit von Edelknaben des Prinzen erfahren, die vor dem Rathause, dessen prachtvoller alter Bau mit gro�en Fenstern und T�rmen, der einzige Rest von der ehemaligen Gr��e des Ortes war, alle Reden der Gemeindevorsteher, die auf den Prinzen berechnet waren, abh�rten. Er wollte gleich nach Hause, um die fehlgeschlagene Erwartung mit dem Prinzen seinen Frauen anzuk�ndigen; aber ein paar Vertraute Cenrios, die ihn auch kannten, nahmen ihn beiseite und sprachen ihm vor, warum er sich jetzt keine ansehnliche Stelle unter dem neuerrichteten F�hnlein vom Prinzen erbitte, den er so gut kenne, und der ihm so gewogen. Der Kleine wurde ganz hei� vor eitler Lust bei diesem erw�nschten Vortrage, der seinen Lieblingsgedanken zu Tage f�rderte, er lie� sich wohlgef�llig mit den beiden in ein Gespr�ch ein, und als sie ihn auf ein Glas Wein in ein nahgelegenes Haus n�tigten, schickte er den treuen B�rnh�uter an seine Frauen mit der Nachricht zur�ck, da� sie den Erzherzog nicht unn�tz erwarten m�chten, er sei ausgeblieben, einige wichtige Gesch�fte hielten ihn mit Edelleuten des Hofes zur�ck, nachher wollte er ihnen die Zeit vertreiben. Die Zeit verging dem Kleinen sehr schnell, denn au�er den schmeichelnden Freunden und dem guten Weine, wirkte auf ihn der Rausch einer unendlichen Volksmenge die sich mit Leib und Seele diesen drei lustigen Tagen aufopfern wollte, und deswegen auch nicht die kleinste Zeit in dem angefangenen Werke zu verlieren strebte. Welche Vorr�te an Fleisch Kuchen und Brot wurden da, teils von den Ankommenden ausgepackt, teils aus den Wirtsh�usern geholt; es war ein Fr�hst�ck,[497] wie sonst ein erstes Mittagsbrot nach den Fasten, und sicher w�re den Hei�hungrigen mancher der ungeheuren Bissen im Halse stecken geblieben, wenn sie nicht eine k�nstliche Schleuseneinrichtung mit Wein und Bier gemacht h�tten, wodurch alles gl�cklich an seinen Ort hinuntergeschwemmt wurde. Die Niederl�nder verstehen so etwas vortrefflich und die St�dter waren in dieser Zeit so �berm�chtig reich durch Handel und Wandel mit aller Welt, da� ihnen alles einl�ndische unmittelbare Landeserzeugnis fast unbedeutend wenig kostete. Einem Reichen war es eine Kleinigkeit, Tausende durch Wohltaten zu s�ttigen, darum gab es eigentlich keine Notleidende in den St�dten und nur Bettler, die in dem m��igen Leben ihre Freude fanden. Aber auch diese entzogen sich zu solchen �ffentlichen Festen ihren Lumpen und trieben als Schauspieler in K�nigstracht ihren Mutwillen vor der Welt, deren Mitleid sie sonst anfleheten. Einige F�sser, die mit Bretter �berlegt waren, dienten ihnen zum Theater, ein Platzknecht, ein langes ausgestopftes Kissen an der Peitsche, hieb auf die Kinder, die in ihrer Neugierde an das Theater heranklettern wollten; zugleich hatte er eine Schellenkappe mit Eselsohren auf dem Kopfe, sprach als Narr im St�cke und mit den Zuschauern. Unser Kleiner war ganz entz�ckt von dem Schauspiele. Die Geschichte des Menschen, der von seiner Frau in einen Hund verwandelt, soviel vergebliche Versuche macht, sich den Leuten als ein vern�nftiger Mensch zu beweisen, zog ihn so an, da� er so nahe kletterte, bis ihm der Platzknecht einen derben Schlag �ber den R�cken zog. Unser Kleiner glaubte sich vor den Augen aller Welt grimmig beschimpft, er zog seinen Degen und ging gegen den Schalksnarren an, der sich sehr l�cherlich mit seiner ausgestopften Wurst gegen ihn verteidigte; alles schrie vor Vergn�gen. Viele, weil sie den Spa� zwischen dem kleinen und dem gro�en Manne f�r eine verabredete Posse hielten, munterten beide auf; die Kinder kletterten auf die Schultern der Erwachsenen, andre stiegen auf Tische und auf die eisernen Stangen zwischen den Bogen des Rathauses, auf die B�ume, woran sie wie seltsame Fr�chte hingen. Die beiden Edelleute sahen diesem Ritterzug ihres Schutzempfohlnen eine Zeitlang mit ungemeiner Freude zu, als er aber dem Narren ein kleines Loch in die Wade mit seinem Degen gestochen, da f�rchteten sie f�r ihn, denn die Zuh�rer waren mit dieser St�rung gar nicht mehr zufrieden[498] und ein Bauer sprach schon davon, ihm Nase und Ohren abschneiden zu wollen. Sie griffen ihn deswegen, steckten ihn unter ihre M�ntel und trugen ihn, so heftig er sich str�uben mochte, in das erste beste Haus, was sich ihnen �ffnete. Der Zufall wollte, da� es das Haus der guten Frau Nietken war, die wegen einer Zahl feiler Stadtjungfern, die ein paar Zimmer gemietet hatten, diese T�re stets offen lassen mu�te, damit die Menschen so unbemerkt wie m�glich einschl�pfen konnten. Welch eine Freude dieser Jungfern �ber die beiden sch�nen Edelleute und �ber den kleinen Zwerg, denn so nannten sie ihn bis er grimmig auf sie einging und sich als einen jungen Offizier ihnen kund gab. Es gab tausend Spa� mit ihm, wir wollen ihn nicht wiederholen; aber der Mutwille der Edelleute, die Frechheit der Weiber und der Hochmut des Kleinen, trieb sich wie Kreisel und Peitsche und wurde der Kleine ungeduldig und wollte ausrei�en, da schrieen ein paar, als st�nde der Narr mit den Bauern noch vor der T�re und wollte ihm die Ohren abschneiden.

Wie benutzten diese Zeit die Verliebten? Der Erzherzog hatte kaum sein Zimmer betreten, so horchte er an der T�re und merkte, da� die beiden Frauen im Nebenzimmer w�ren; er bat Cenrio, ihm einen Bohrer zu verschaffen. Dieser holte in aller Eile den Anbrechbohrer eines Weink�pers, der im Hofe ein Ohmfa� abgezogen hatte: das ging vortrefflich; ganz leise konnte er durch die T�re dringen, bis der erste feine Punkt der Spitze hindurch sah w�hrend sein Auge sich in die breite H�hlung einlegen konnte. Schade war's, da� die M�he unn�tz, denn die T�re war seinetwegen offen gelassen. Wie pochte sein Herz und er wu�te doch nichts davon, als er nun zum erstenmal hindurchblickte, und wie fuhr er zur�ck und f�hlte sich an den Kopf, als ihm das versch�nerte Bild desselben Geistes, der ihn damals im Landhause geneckt hatte, vor�berschwebte. �Cenrio�, sagte er, �wir sind in den H�nden von wunderbaren Geistern, wir glaubten mit ihnen zu spielen und sie spielen mit uns; ich m�chte fliehen, aber ich kann nicht, sie ist zu sch�n!� – Cenrio war verwirrt. – �Es ist derselbe Geist, der mich schon damals im Anfange des Winters im Landhause verjagte, aber er ist menschlich gewachsen, und ich widerstehe ihm nicht mehr; schaff Rat, wie ich sie sprechen kann, ich k�nnte ihr jetzt alles sagen.� – �Ich hab es wohl gedacht�, sprach Cenrio, �zum Gl�ck k�nnen[499] wir frei schalten mit der Zeit; Adrian sitzt eben in der hitzigsten Arbeit, um zu beweisen, da� der von mir geschmiedete Anhang zum Lombardus nicht echt sei; zum �berflu� habe ich noch die T�re seines Vorzimmers zugeschlossen, so da� er uns nicht �berraschen kann. Nun will ich Euch, mein Prinz meinen Vorschlag sagen: das junge M�dchen leidet an Kopfweh, Ihr m��t den Arzt vorstellen, so seid Ihr allein bei ihr, und die Worte werden sich im Pulsf�hlen schon finden.� –

Wirklich war Bella durch die Vorbereitungen zur Fahrt, durch die schlaflose Nacht und die Hitze unwohl geworden, und Frau Nietken hatte eigentlich diese Erfindung gemacht, die beiden Sehns�chtigen zusammen zu bringen. Der Erzherzog hatte sehr bald einen gro�en schwarzen Doktormantel und dar�ber Aderla�kram, Pflasterzeug und Klistierspritze geh�ngt, so trat er zagend in das Zimmer, von Frau Nietken gef�hrt, die ihn f�r einen spanischen Doktor ausgab. Bella erkannte ihn beim ersten Blicke und Neigung und Besch�mung dr�ckten sie eben so nieder, wie Braka die Einwirkung der f�rstlichen Gegenwart; jene verbarg ihr Angesicht im Schleier, diese schl�pfte mit einer tiefen Verbeugung in ein Nebenzimmer. Die beiden Liebenden waren nun allein, und alles konnte sich schnell und gl�cklich erkl�ren und entscheiden, der Erzherzog, welcher aber mit keinem M�dchen vertraulich geworden, brachte kein andres Wort als �Pulsf�hlen� heraus, �Pulsf�hlen� wiederholte er, �Pulsf�hlen� sagte er zum drittenmal. Bella reichte ihm den wei�en runden Arm, er f�hlte an einer Fingerspitze, dann spielte er mit dieser, wollte wieder etwas sagen, wahrscheinlich von der Erscheinung in dem Landhause, brachte aber nichts heraus, als: �Geist, Geist gesehen�; dabei schob er ihr einen Ring an den Finger welches wir als den Triumph seiner �berlegung ansehen m�ssen. Hier endete sein ruhiges Gl�ck, denn mit gro�em Gepolter brach der verfluchte kleine Wurzelmann, der sich bei den M�dchen bespitzt hatte und der Aufsicht der Offiziere entflohen war, ins Zimmer, sprach verwirrt von seinem k�nftigen Regiment und erkannte nicht Bella, die auf dem Sopha lag. Der Erzherzog bekam aber im Augenblicke seine ganze Fassung wieder, er bat ihn, da� er eine Kranke nicht st�ren m�chte, insbesondre da sein Aussehen verriete, er werde nicht lange mehr zu den Lebendigen geh�ren. Der Kleine stutzte, die Edelleute traten herein und best�tigten ihm, er[500] sei sehr ver�ndert und m�sse wohl von der Pest angesteckt sein, weil er sich heute unter so mancherlei Leuten umhergetrieben habe. Bei dieser Vermutung wurde er ganz hinf�llig, die Kraft des Weines und seine Beine wollten ihn nicht mehr halten; der Erzherzog warf ihm geschickt ein gro�es Pflaster, das er in seinem Doktorapparate fand, �ber das Gesicht; der Kleine behauptete, ihm werde ganz dunkel vor den Augen. Die Edelleute versprachen ihm in geheucheltem Mitleiden, ihn nach Hause zu tragen, denn bis jetzt hatte er weder das Zimmer noch seine Geliebte erkannt, und schleppten ihn wirklich aus dem Zimmer. – Braka war in der Zeit auf der Folter gespannt gewesen. Die Liebe des Erzherzogs hatte sich noch nicht erkl�rt und seine Freigebigkeit war nicht so weltkundig, im Gegenteil hatte sie von Frau Nietken erfahren, da� er etwas im Rufe der Knauserei stehe; der Alraun dagegen konnte so viel Sch�tze entdecken, als irgend in der Welt verborgen w�ren, er k�mmerte sich durchaus nicht, wie das Geld verwendet w�rde, so lange es ihm selbst nicht fehlte. St�rten die beiden Liebhaber einander gegenseitig, so entgingen ihr vielleicht alle Hoffnungen f�r die Bequemlichkeit ihres k�nftigen Lebens, und die gro�en Absichten f�r ihr Volk wurden auch nicht erf�llt. Der Erzherzog war jetzt wieder allein mit Bella, er hatte mehr Mut gewonnen, sie aber war besorgt und erz�rnt, wie es ihrem Kleinen gehen m�chte; sie �u�erte das und er nahm es nicht ohne eine kleine Eifersucht auf. Er fragte mit einem gewissen Stolze, ob es ihr Br�utigam wirklich sei, und verlor in Erwartung ihrer z�gernden Antwort, so g�nzlich alle Haltung, da� er seine vorgebliche Doktorrolle aufgab, und sich ihr als Erzherzog darstellte. Sie konnte sich zu wenig verstellen, um sich dar�ber zu verwundern, und so waren sie mit einander in einem Vertrauen, ehe sie einander etwas vertraut hatten. Endlich sagte Bella, da� die Verm�hlung mit ihrem Vetter nur ihrer Mutter nicht ihr Wille sei. Der Erzherzog beschwor sie jetzt dem Willen ihrer Mutter nicht so g�nzlich nachzugeben, da� sie Lebensgl�ck und Sch�nheit der Trauer einer ungl�cklichen Verbindung hingebe; von seiner Liebe schwieg er. Bella stotterte, wie es ihr vorgeschrieben war, da� ihr Verm�gen ganz in der Gewalt dieses reichen Vetters sei, da� sie dem Wunsche ihrer Verwandten sich ergeben m�sse, insbesondre da sie niemand in der Welt kenne, der sie gegen den Zwang derselben sch�tzen m�chte. Der Erzherzog versicherte[501] ihr jetzt, da� jede Kr�nkung, die sie erfahren w�rde, unerbittlich von ihm bestraft und ger�cht werden sollte. Diese Worte f�hrten eine Liebeserkl�rung herbei, die nicht nur die beiden Verkl�rten, sondern auch die horchende Braka von einer schweren Last befreite. Wie schwer fiel es aber pl�tzlich auf das Herz der Alten, als Bella, die von der Liebe zum Erzherzog durchdrungen, jede Falschheit verfluchte, ihm zu F��en fiel und ihn bei seiner Liebe beschwor, sie nicht zu verachten, wenn sie ihn betrogen, sie sei nicht, wof�r sie sich ausgegeben, die Tochter ihrer Begleiterin, sie sei die Tochter – hier erstickte die Stimme in einem Tr�nenstrom. Einer der Edelleute, die den Kleinen begleitet hatten, trat herein, und meldete dem Erzherzog, er m�chte sich in sein Zimmer zur�ckziehen, der Kleine lasse sich nicht mehr halten; sie f�hrten ihn durch Umwege in dasselbe Haus zur�ck, woraus sie ihn fortgef�hrt, er halte sich f�r todkrank. Der Erzherzog sprang fort, entr�stet in seiner ersten Neigung betrogen zu sein. Bella ging in das Nebenzimmer, weil es in ihrem Gem�te noch von den Bl�ttern nachregnete, nachdem der erste Gewitterschauer verzogen.

Der Kleine lie� sich die Treppe vom B�rnh�uter hinauftragen, der �ngstlich nach der gn�digen Frau rief, weil er das Ende seines guten Dienstes f�rchtete. Als Braka kam, rief der Kleine ihr mit schwacher Stimme entgegen, er sei von der Pest so schwach, da� er auf seinen F��en nicht mehr zu stehen verm�ge, alles gehe mit ihm herum, er sehe gar nichts mehr und seinen Gedanken hinke er mit der Zunge so weit nach, da� er es fast aus den Augen verloren, was er eben sagen wolle. Braka stellte sich sehr mitleidig und erschrocken; Bella hatte bei seiner sichtbaren Bl�sse einiges Bedauern. – �Ach�, seufzte der Kleine, �wenn ich nur den Doktor festgehalten h�tte, der mir die Pest gleich angesehen, vielleicht wei� er auch ein Mittel dagegen.� – �O�, sprach Braka, �die Pest habe ich oft schon kuriert, ich lege ein Kraut in lauwarmes Wasser und davon trinkst du alle f�nf Minuten eine Tasse, so wird alles gl�cklich vor�bergehen.� – �Schnell, schnell�, sprach er und versank in einen dumpfen Rausch, w�hrend dessen ihn der B�rnh�uter auszog und auf den Sopha legte, mit Decken wohl verh�llt. Braka fl��te ihm von Zeit zu Zeit eine Tasse hei�es Fenchelwasser ein, wie die kleinen Kinder zu bekommen pflegen. Entsetzliche �belkeiten erweckten ihn, endlich erleichterte sich die Natur von dem �berflusse des Weines, womit[502] die Ehre des Zutrinkens sie �berf�llt hatte; schluchzend und st�hnend sprach er: �Wo mag der Doktor jetzt sein, den ich im anderen Hause sah, w�re der Mann nur zu finden, er k�nnte mir wohl noch helfen, ich habe so ein Zutrauen zu ihm, da er mir die Krankheit gleich angesehen; macht doch die T�re auf�, fuhr er fort, �es wird hier so hei�.� – �Die T�re ist verschlossen�, sagte Bella, �der Erzherzog ist dort eingezogen.� – �Der Erzherzog!� bei diesem Worte sprang der Kleine, wie er war, aus dem Bette, konnte sich aber taumelnd nicht halten, sondern sank in das Waschbecken – �der Erzherzog ist hier, und ich kann ihn nicht um meine Hauptmannsstelle ansprechen, ich vers�ume mein ganzes Gl�ck, wenn ich sterbe.� – Der B�rnh�uter rollte ihn wieder ins Bette, aber der Kleine weinte bitterlich und jammerte nach dem Arzte, den er unterweges gesehen. Braka entschlo� sich endlich, indem sie ihm versprach alle Sorgfalt anzuwenden, den Mann zu entdecken, zu Frau Nietken zu gehen und durch diese den Prinzen noch einmal als Arzt kommen zu lassen. Der Erzherzog zog aber sein Messer gegen diese Frau und befahl ihr mit drohender Stimme, ihm zu sagen, was sie von den Fremden w��te, die vielleicht von einem Feinde seines Hauses zu seinem Verderben gesendet w�ren. Frau Nietken lie� ohne R�ckhalt alle Geheimnisse von sich gehen; sie sagte, da� Braka eine alte Zigeunerin sei, die sie lange gekannt, da� diese in einer Nacht mit der sch�nen Bella und dem Kleinen zu ihr gekommen und sich nach Gent habe fahren lassen, wo sie bekanntlich viel Geld ausgegeben. Ihr Kind sei Bella gewi� nicht, daf�r wolle sie stehen, ob aber das M�dchen aus einem hohen Hause, daf�r wolle sie nicht einstehen, doch sei es so ihre Philosophie. Geraubt sei das M�dchen aber nicht, denn sie habe mit der Alten zugleich befehlend und doch mit Liebe gesprochen, unter sich in einer fremden Sprache, die sie f�r Franz�sisch gehalten. – Dies verwandelte die ganze Ansicht des Prinzen, erst glaubte er sich in der Falle einer Buhlerin, jetzt meinte er ernstlich, da� es die franz�sische Prinze� sein k�nnte, deren Heirat mit ihm von dem franz�sischen Hofe gegen den Willen seines Gro�vaters betrieben wurde. Es ist bekannt, da� sein sp�teres politisches Talent in seinen fr�heren Jahren, die sich ganz zur k�rperlichen Ausbildung hinneigten, wenig durchschien, er hielt so manches f�r m�glich, was ein andrer bezweifelt h�tte und Cenrio war eben mit Adrian zu besch�ftigt,[503] Um ihm zu raten; er nahm also die Bitte, als Arzt wieder zu erscheinen mit einer gewissen Ehrfurcht an, welche die zitternde Frau Nietken sehr �berraschte.

Er machte sich jetzt durch einige Z�ge mit Kohle in den Augenbraunen und vor der Stirn unkenntlicher und lie� sich in das Krankenzimmer f�hren. Der Kleine war entz�ckt ihn zu h�ren; der Erzherzog befragte ihn sehr ernstlich nach allen Kennzeichen. Der Kleine erz�hlte von dem w�sten Kopfschmerz, von der �bligkeit, vom Aufsto�en, von der g�nzlichen Dunkelheit seiner Augen, und wie er �ber sein ganzes Gesicht einen Ausschlag sp�re, (seine Augen im Nacken hervorzubringen, sch�mte er sich vor den Leuten, auch hatte er sich ihrer in der guten Gesellschaft l�ngst entw�hnt); endlich sagte er, da� er sein ganzes Gl�ck vers�ume, wenn er nicht bald hergestellt w�re, weil der Erzherzog im Nebenzimmer seinetwegen angekommen sei und die Stellen im neuen F�hnlein wahrscheinlich in diesen Tagen vergebe; – �Ach lieber Herr Doktor�, rief er in seiner milit�rischen Begeisterung, �wenn ich so wegst�rbe, h�tte mich die Welt nie in dem Glanze und der Herrlichkeit gekannt, wozu meine Abstammung und mein Mut mich berechtigen; oft kommt es mir vor, als wenn b�se Zauberer der wahren Verwandlung meines Lebens entgegenstreben.� – Der Erzherzog h�rte ihn geduldig an, und konnte sich das alles wiederum nicht mit der fremden Prinzessin reimen, es sei denn, da� er ein von der alten Fee verzauberter Prinz sei, wie damals die Geschichten in spanischen Romanen h�ufig umliefen. Dieser Gedanke, zusammengehalten mit der Erscheinung im Landhause, setzte ihn in ein gewisses Staunen, was ihn leicht h�tte verraten k�nnen, wenn der Kleine nicht allzu berauscht gewesen w�re und seine ahndenden Augen h�tte brauchen d�rfen. Endlich fa�te doch der Erzherzog einen Entschlu�, sagte ihm, das Mittel der gn�digen Frau sei wohlerdacht, er m�sse sich jetzt ganz mit Decken �berspannen und einwickeln lassen, um in einer recht gewaltsamen D�nstung den Kern des �bels auszutreiben. Vergebens seufzte der Kleine, er erschrecke vor sich selbst, als wenn er einen gl�henden Ofen anfasse; Braka warf ihm mit beredter Zunge eine Decke nach der andern �ber, band sie zusammen, und entfernte sich mit dem treuen B�rnh�uter unter dem Vorwande, als ob sie dem Kleinen etwas zu seiner Erfrischung schaffen wolle. Der Erzherzog war jetzt wieder mit Bella allein,[504] doch mu�ten sie aus R�cksicht gegen den eingepackten Kranken jedes laute Wort vermeiden; auch war Bella noch sehr besch�mt, als der Erzherzog sich auf ein Knie niederlie� und zu ihr sprach: �In welchem sch�nen Bekenntnisse sind Sie gest�rt worden, Angebetete, ich ahnde, Sie sind eines edlen F�rsten Tochter, ich ahnde alles, was Sie mir zu sagen haben, aber ich w�nschte die Gewi�heit aus Ihrem Munde, die Gewi�heit Ihrer Liebe, die allen Glanz Ihres Standes aufgegeben hat, um dem verha�ten Zwange der Politik zu entgehen. Nichts soll uns scheiden, ich kenne meine Niederl�nder, sie kennen ihre Freiheiten und werden auch meine Freiheit sch�tzen, und selbst, wenn die Gewalt �ber uns siegte, tr�gt uns das Meer zu einer neuentdeckten reicheren Welt!� – Wer k�nnte es Bella verdenken, die von aller Politik Europas nichts wu�te, als da� der F�rst ihr Vater in derselben nicht geachtet, sondern verfolgt worden, da� sie bestimmt glaubte, der Erzherzog habe ihre Abstammung erfahren und erw�hle sie zu seiner Gattin. Sie stand mit ger�hrtem Blicke vor ihm, blickte auf und nieder, und sprach dann gebrochen: Sie habe sich nur einmal verstellen k�nnen und nimmermehr wieder, sie leugne nicht ihre Abkunft, sie leugne nicht ihre Z�rtlichkeit, die er schon fr�her in ihrem heimlichen Aufenthalte in ihr erweckt, die sein Anblick ihr best�tigt habe. – Sie senkte ihr holdes Angesicht, der Erzherzog wollte eben den Rand ihrer Lippen ber�hren, als der Kleine unter den Decken Bewegungen machte, entsetzlich �ber den Magen klagte und zuschwor, er m��te ersticken, ehe er kuriert sei. Der gl�cklich Liebende duldet keinen Leidenden, der Erzherzog sprang hinzu und �ffnete das Gebinde es dampfte als wenn man die Serviette �ffnet, worin ein Pudding gekocht worden; der Erzherzog sah ihn an, schob das Pflaster leicht von dem triefenden Gesichte und versicherte, er sei schon kuriert; er eile jetzt, um ihm noch ein paar st�rkende Mittel zu senden, er m�chte sich inzwischen ruhig halten.

So eilte er fort und der Kleine, dem allm�hlich der Rausch verflogen, der wieder um sich sehen konnte, lag, auf dem Bette mit dem seligen Gef�hle eines vom Tode Erretteten, der sein Leben sehr lieb hat; er nahm Bellas Hand, dr�ckte sie und sprach, da� ihm der Gedanke des Todes darum l�stig gewesen sei, weil er sie h�tte verlassen m�ssen. Er schien so sanft und z�rtlich, da� Bellas alte gleichsam m�tterliche Zuneigung zu ihm nicht erlaubte, ihn[505] zum Vertrauten ihrer neuen Liebe und ihres neuen Gl�cks zu machen. Er k��te sie, wie er gewohnt war, und der Erzherzog, der wieder an seiner T�rwarte, an dem k�nstlich gebohrten Loche, lauerte, ergrimmte, weil er sich von neuem verraten glaubte, doppelt verraten, weil er in seiner Leichtgl�ubigkeit gegen Bella unverzeihlich kindisch und gutm�tig sich erschien. Der Kleine versuchte sich jetzt auf seinen Beinen und er konnte wieder gehen und stehen, ordnete seine Kleider und sagte Bella, sie m�chte jetzt recht artig sein, er werde den Erzherzog zu ihr f�hren, und wenn dieser in recht heitrer Stimmung schiene, sollte sie um die Hauptmannsstelle f�r ihn anhalten, sie m�chte aber recht schmeicheln, das Gl�ck seines Lebens h�nge daran; auch wolle er sie dann sicher heiraten. Sie schwieg verlegen. Er verga� �ber seine kriegerischen Aussichten so ganz alle Krankheitsfurcht und alles �belbefinden vom Trunk, da� er wie vor tausend Mann in dem Zimmer auf und nieder stolzierte und Braka zur T�r hinaus trieb, als diese mit ihrem hei�en Wasser ihm in die Quer kam. So sind die meisten kleinen Leute, das Herz ist ihnen so nahe am Kopf, da� es in den Kopf �berkocht, oder �berdampft.

Unser Wurzelm�nnlein konnte sich nicht mehr halten, er b�rstete sich bald rechts bald links; gleich wollte er dem Erzherzoge seine Aufwartung machen und fiel diesem, der in einem Anfalle der heftigsten Eifersucht Tag und Stunde verfluchte, ins Zimmer. Kaum hatte er sein Anliegen vorgebracht, so �berh�ufte ihn der Erzherzog mit Schimpfreden, nannte ihn einen l�cherlichen kleinen Wurzelburzius, einen Dukatenmacher, ein Alraunchen, da� der Kleine in die gr��te Verwunderung geriet, wie er diese seine Entstehung erfahren habe, und sich eilig davon machte, indem er verlegen ausrief: �Gn�diger Herr, woher wissen Sie das?�

Als er zur�ckgekommen, sagte er nichts von diesem Empfange, nur sah es ihm Braka an seinem ganzen Wesen an, da� er gedem�tigt worden. Er sprach nur, da� er den Erzherzog nicht getroffen, da� er sich bald fort von dem Orte w�nsche, wo ihm in jetziger Pestzeit jeden Augenblick eine neue Gefahr drohe; zugleich erkundigte er sich, ob der Arzt nichts gesendet. Braka, um ihren Aufenthalt zu sichern, ging selbst �ber die Stra�e, in den Laden eines reisenden j�dischen Doktors, kaufte die st�rksten Tropfen, welche manchen Sterbenden schon belebt hatten, und brachte sie dem[506] Kleinen als etwas, das der belobte Arzt im Hause abgegeben. Kaum hatte der Kleine diese H�llentropfen eingenommen, so kam ihm der alte Mut wieder zur�ck. Er h�tte rasend werden m�gen, da� er dem Erzherzoge nicht derb geantwortet hatte; ihm fiel so viel Bei�endes ein, da� er blo� um es ihm oder einem seines Gefolges aufzuh�ngen, sich leicht bereden lie�, den Tag noch im Orte zuzubringen.

Es war jetzt die Zeit des h�chsten Tumultes heranger�ckt. Die Rennen auf ungesattelten Pferden, wo der Reiter einer Gans, um sie zu gewinnen den Faden, der sie an einem Seile aufgeh�ngt h�lt, mit der Schere abschneiden mu�, hatten angefangen; das Wiehern der Pferde, das Lachen der Menge, �ber die get�uschte Zuversicht, die sich im Sande erniedrigt fand, rief alles herbei; auch unser Wurzelm�nnlein f�hrte seine Damen zu diesem Schauspiele. Kaum war er dort, so verlor er aus Eifer die beiden Frauen fast ganz aus dem Gesicht, so da� Braka ihre Pflegetochter etwas �berh�ren konnte. Bella erz�hlte ihr, da� der Erzherzog sie heiraten wolle; Braka sagte, das h�tte seine schlimme Seite, sie k�nnte dar�ber ins Zuchtbaus kommen, aber sie m�chte ihm nur dreist und ohne Umschweife zu verstehen geben, da� sie ein Kind von ihm haben m�chte, da� dies ihres Volkes Gl�ck sei, so w�rde sich alles von selbst ohne weitere Einsegnung finden. Bella versprach nach ihrer Vorschrift ihm alles zu sagen, wenn die Gelegenheit k�me. Diese wurde aber durch den Zorn des Erzherzogs auf eine wunderliche Art herbeigef�hrt. Er hatte seine rasende Eifersucht ohne alle Z�gerung seinem Freunde Cenrio verraten, dem sogleich ein trefflicher Einfall gekommen war. Er hatte bei einem Guckkasten einen gelehrten Juden aus Polen wiedergefunden, der ihm schon fr�her durch seine Kunst Golems zu machen, manche Erg�tzlichkeit verschafft hatte. Diese Golems sind Figuren aus Ton nach dem Ebenbilde eines Menschen abgedruckt, �ber welche das geheimnisreiche und wunderkr�ftige Schemhamphoras gesprochen worden, auf dessen Stirn das Wort Aemaeth, Wahrheit, geschrieben, wodurch sie lebendig werden, und zu allen Gesch�ften zu gebrauchen w�ren, wenn sie nicht so schnell w�chsen, da� sie bald st�rker als ihre Sch�pfer sind. So lange man aber ihre Stirn erreichen kann, ist es leicht sie zu t�ten, es braucht nur das Ae vor der Stirne ausgestrichen zu werden, so bleibt blo� das letztere Maeth stehen, welches Tod bezeichnet,[507] und im Augenblicke fallen sie wie eine trockene Tonerde zusammen. – Der alte Jude wurde herbeigeholt, der Erzherzog verlangte ein solches Bild der sch�nen Bella und er wolle ihn f�rstlich lohnen. Der Jude warnte ihn, er m�chte sich mit solchem Bilde nicht abgeben, in seinem Vaterlande sei manches Ungl�ck damit geschehen: einem Vetter sei der Golem, den er zu h�uslichen Diensten gebraucht, so hoch gewachsen, da� er ihm nicht mehr an die Stirn habe langen k�nnen, um das Ae auszul�schen; da habe er befohlen, er sollte ihm die Stiefeln ausziehen, und w�hrend sich der Golem danach geb�ckt, habe er ihm listig das Ae von der Stirne gewischt, aber die ganze Last der Erde sei auf den armen Vetter gefallen, und er sei davon erdr�ckt worden. Der Erzherzog schwor, da� ein solcher Unfall dem nicht schade, dem er ihn bereiten solle, doch eine neue Schwierigkeit sei zu �berwinden, wie das Bild der sch�nen Bella �hnlich zu machen sei. Der Jude verlangte sie nur einmal in seinen Kunstspiegel einsehen zu lassen, so bleibe ihr Bild darin festgemalt. Der Kunstspiegel steckte in einem Guckkasten und die ganze Kunst war Bella zu demselben hinzulocken. Cenrio, der den Wurzelmann kannte, �bernahm diese Besorgung, ihn und seine Sch�ne zu dem Guckkasten zu f�hren, w�hrend der Erzherzog verkleidet hinter dem Guckkasten versteckt war; alle eilten an ihren Posten. Cenrio traf den Kleinen noch bei dem Pferderennen; er sagte ihm heimlich ins Ohr: er solle sich den Zorn des Prinzen nicht zu Herzen nehmen, ein geheimer Feind von ihm habe dem Prinzen eine verha�te Erz�hlung von seinem Betragen gegen die Schauspieler gemacht; doch sei dieser Eindruck noch zu �berwinden, wenn er behaupte, da� er einmal von einem tollen Hunde gebissen sei. Der Kleine wurde froh und n�tigte ihn bei der Gesellschaft zu bleiben, indem er ihm seine Braut vorstellte. Cenrio sagte ihr manches Artige und bat sie doch ja einem Guckkasten nicht vorbei zu gehen, der eine Welt im Kleinen, alle St�dte, V�lker in bunten Bildern zeigte. Sie gingen dahin, Bella sah zuerst hinein ungeachtet der neugierige Kleine nur mit Mi�gunst diese Artigkeit erlaubt hatte; sie war �berrascht von aller Herrlichkeit, und h�tte gern die ganze Vorstellungsreihe noch einmal �bersehen, wenn nicht des Kleinen Ungeduld sie von dem Glase zur�ckgerissen h�tte. Er war ganz au�er sich �ber alles, was er erblickte: in jeder Stadt dachte er sich als F�rst; sah er fremde Soldaten, so pr�fte[508] er sich, wie er als Heerf�hrer in der Tracht sich ausnehmen w�rde.

In dieser Zeit hatte sich der Erzherzog leise in ein Gespr�ch mit Bella eingelassen. Er warf ihr die sch�ndliche Falschheit vor, mit der sie ihm Liebe geheuchelt, um dem kleinen Br�utigam eine Hauptmannsstelle zu verschaffen. Bella brach in Tr�nen aus und schwor ihm, es sei alles anders, ihre Liebe zu ihm sei ungeheuchelt, ja es sei ihr edelster Wunsch, von ihm ein Kind zu haben, das ihrem Volke Glanz und Freiheit gebe. Diese Freim�tigkeit setzte den Erzherzog in einige Verlegenheit, (sie war tief, innerlich unschuldig, er aber war nur unschuldig aus Stolz); er schwor stammelnd, da� er alles M�gliche tun wolle, ihren Wunsch zu erf�llen, der auch seinem politischen Verh�ltnisse angemessen sei. – Unter solchen Versicherungen f�hrte er sie, ohne da� es der Kleine merkte, w�hrend Braka ihnen Zeichen zum Abzuge gab, ungest�rt von dannen.

Der Kleine hatte diese Welt im Kleinen schon zweimal angesehen, und sie gefiel ihm viel besser als die wirkliche, w�hrend der Jude unter allerlei Gespr�chen mit Cenrio das Ebenbild der feldfl�chtigen Bella bearbeitete. Cenrio bat den Juden, ihm doch nur eine M�glichkeit anzugeben, wie solch ein Bild belebt werden k�nne. Der Jude sprach: �Herr, warum hat Gott die Menschen erschaffen, als alles �brige fertig war, Offenbar, weil das in ihrer Natur lag, als diese von Gott sich losgedacht hatte. Liegt das in ihrer Natur so bleibt's auch in ihrer Natur und der Mensch, der ein Ebenbild Gottes ist, kann etwas �hnliches hervorbringen, wenn er nur die rechten Worte wei�, die Gott dabei gebraucht hat. Wenn es noch ein Paradies g�be, so k�nnten wir so viel Menschen machen, als Erdenkl��e darin liegen, da wir aber ausgetrieben aus dem Paradies, so werden unsre Menschen um so viel schlechter, als dieses Landes Leimen sich zum Leimen des Paradieses verh�lt!� – Als er das gesprochen, hatte der alte Jude sein Werk beendigt, er hauchte die Bilds�ule an, schrieb das Wort auf ihre Stirn, das sich unter Haarlocken versteckte und eine zweite Bella stand vor beiden, die alles durch jenen Spiegel wu�te, was Bella bis dahin erfahren, die aber nichts Eignes wollte, als was in des j�dischen Sch�pfers Gedanken gelegen, n�mlich Hochmut, Wollust und Geiz, drei plumpe Verk�rperungen geistiger, herrlicher Richtungen, wie alle Laster; da� diese hier ohne die geistige Richtung in ihr sich zeigten, das[509] unterschied sie selbst vom Juden, �berhaupt aber von allen Menschen, die sie �brigens so wunderbar t�uschen konnte, wie jenes alte Bild von Fr�chten alle V�gel, da� sie an die Leinewand flogen und davon zu naschen suchten. So naschten auch Cenrio und der alte Jude an dem Bilde, jeder gab ihr einen Ku�, ehe sie dieselbe an den Arm des Kleinen hingen, der endlich sich satt gesehen hatte und seiner Bella durch die �brige Lust des Abendgew�hls, wo jetzt schon manches Messer unter den trunkenen Bauern gezogen wurde, sich nach Hause zur�ckzog. Braka war des Austausches der beiden Gestalten so wenig inne geworden, wie der Kleine. Sie speisten alle drei in einer gewissen Stummheit mit einander, die nach den ger�uschvollen Abwechselungen eines so wunderlichen Tages sehr nat�rlich war. Als sie abgegessen hatten, kam der B�rnh�uter mit einem halbzerkratzten Gesicht ins Zimmer und sprach: �So hat mich das verfluchte Weib, die Frau Nietken zugerichtet, die in ihrer Trunkenheit ein Auge auf mich geworfen hatte und mich nicht loslassen wollte, da ich doch so dringende Neuigkeiten mitzuteilen habe. Sie hat mir verraten, da� der Erzherzog einen Anschlag auf unser Fr�ulein vorhaben m�sse, weil er sich so heftig nach ihr erkundigt habe.� – Golem Bella, die nur bis zu dem Punkte etwas von der wirklichen Bella wu�te, wo sie in den Spiegel gesehen, rief ganz laut: �Wie lieb ist mir das, da werde ich ein Kind bekommen, das mein Volk frei machen wird!� – Braka erschrak �ber diese laute Vertraulichkeit und der Kleine sprang wie ein Rasender auf: �Also du wei�t davon Bella, liebst ihn?� – �Freilich�, antwortete Golem Bella. – Der Kleine ri� sich die Hirsenhaare aus und erstickte fast in gekr�nkter Eitelkeit, endlich brach sein Jammer, nach der Vorschrift seines rhetorischen Lehrers bearbeitet, in folgenden Worten aus: �Warum hast du mich zum Menschenleben aus dem sichern Scho�e meiner Vorwelt durch h�llische K�nste herausgerissen? Ohne Falsch bestrahlten mich Sonne und Mond; ruhig sinnend stand ich da am Tage und faltete Abends meine Bl�tter zum Gebete; ich sah nichts B�ses, denn ich hatte keine Augen, ich h�rte nichts B�ses, denn ich hatte keine Ohren, aber die Anlage zu allem, die ich in mir f�hlte, machte mich so sicher und reich. Meine Augen werde ich mir ausweinen und werde sie vermissen, mein Leben werde ich aufgeben und werde es ewig suchen, aber dieses Suchen soll deine Qual sein; wenn du mich fern von dir glaubst, werde[510] ich bei dir sein. Du kannst mich nicht zerst�ren, wie du mich leichtsinnig spielend geschaffen hast; ich bleibe bei dir, werde die W�nsche deiner Habsucht nach Geld befriedigen, werde dir Sch�tze bringen, soviel du verlangst, aber es wird dein Verderben sein. Du wirst mich von dir werfen, mich vernichten wollen, aber doch bleibe ich bei dir, dir bin ich gebannt, bis eine andre mit noch gr��erem Verrat, als du gegen mich ver�bt, mich an sich kauft. Wehe allen kommenden Geschlechtern! Du brachtest mich zur Teufelei in die Welt, von der ich mich bis zum J�ngsten Tage nicht frei machen kann!� – Golem Bella sprach ihm ganz in der Gesinnung der echten Bella von ihrer Z�rtlichkeit vor, die sie trotz aller Liebe zum Erzherzoge f�r ihn hegte. Der Kleine sah sie verwundert an und sprach: �Du k�nntest mich wieder bel�gen Bella; wer wei�, was diese Nacht mit dem Erzherzog verabredet ist. Gib mir ein Zeichen der Aufrichtigkeit. Der Mond scheint helle, wir fahren in der herrlichsten K�hlung, bis zum n�chsten Morgen nach einem Dorfe, wo wir in aller Stille getraut werden k�nnen, so kehren wir verbunden nach Gent zur�ck, um es bald auf immer zu verlassen, da� der glattz�ngige Erzherzog uns nicht mehr versuchen kann. Wir reisen nach Paris, und ich erbiete meinen kriegerischen Mut dem K�nige von Frankreich, der tapfere M�nner, wenn sie auch klein von Gestalt sind, doch zu sch�tzen wei�.� – Golem Bella schwieg still, sie hatte keinen Willen und keine Redensart auf diesen Fall. Der Kleine legte sich das zu seinen Gunsten aus, und als Braka noch etwas dazwischen reden wollte, zog er seinen Degen und schwor, ihn mit ihrem Blute zu f�rben, wenn sie sich seinem Gl�cke widersetzte. Braka sch�ttelte sich vor Schrecken; sie konnte keinen Bissen essen. Der Kleine befahl dem B�rnh�uter zusammenzupacken, und einen Fuhrmann, es koste, was es wolle, anzuschaffen, der sie nach dem n�chsten Pfarrdorfe f�hre, da in Buik, wegen der Nachtmessen, wohl kein Pfarrer zu einer Trauung bereit sein m�chte. Der B�rnh�uter betrieb alles, aus Furcht vor der trunkenen Wirtin, mit dem gr��ten Eifer und mit der lobenswertesten Verschwiegenheit. Der Wagen stand vor der T�re, alle sa�en darin, ehe Frau Nietken etwas merkte. Ihrem widersinnigen Geschrei zu entgehen, wurde ihr das Dreifache, was sie fordern konnte, zugeworfen; und die sonderbare Gesellschaft, eine alte Hexe, ein Toter, der sich lebendig stellen mu�te, eine Sch�ne aus Tonerde und ein junger Mann aus einer[511] Wurzel geschnitten, sa�en in feierlicher Eintracht, hegten gro�e Gedanken vom Gl�ck des Lebens, das sie eben zu begr�nden fuhren, von Sch�tzen, Heldentaten und Biergeldern, auf die der B�rnh�uter bei dieser Festlichkeit ungemein rechnete. Wie vergebens qu�lt uns das Verh�ltnis zu manchem Menschen; k�nnten wir uns einbilden, er sei ein Toter, eine Erdscholle, eine Wurzel, unser Kummer und unser Zorn m��te verschwinden, wie aller Gram �ber unsre Zeit, wenn wir nur endlich gewi� w��ten, da� wir blo� tr�umten.

Wenn es sich in st�rmender Nacht, zuweilen in Blumenbeeten ereignet, da� ein paar getrennte Blumenkelche zusammengebeugt werden, und sich nicht erkennen, bis der Mond wieder hervortritt, so ist die Freude stumm, die Grillen singen aber davon die lange Nacht bis zum Morgen, wo die V�gel sie abl�sen. Der Erzherzog wollte sich r�chen, wegen des Verrats an seiner Liebe, das machte ihn gegen jede Sorglichkeit Bellas taub, die nicht wu�te, was mit ihr vorgehe, als er sie heimlich auf sein Zimmer, in sein Bette gebracht. Beide waren eingeschlafen, als der Gesang: �De profundis clamavi ad te Domine: Domine exaudi vocem meam�, in der Kirche, die nicht fern lag, sie erweckte: ein Gesang, in den die Haufen auf den Stra�en, die darin nicht mehr Platz finden konnten, einstimmten. Es war eine helle Sommernacht und beide eilten ans Fenster. Bella erwachte erst jetzt aus ihrem Taumel: �Heiliger Gott, ist es schon so tief in der Nacht, wie soll ich in mein Bette kommen, wo bin ich, was ist mir geschehen, was soll aus mir werden?� – Der Erzherzog hatte sie zu lieb gewonnen, seine Freude war ihm zu neu, um sie durch eine Erinnerung an ihre Falschheit zu kr�nken: �Du sollst nun auf immer bei mir bleiben, wir verlassen uns nicht wie Leib und Seele!� – �Ist es wahr?� fragte Bella treuherzig, �da bin ich sehr gl�cklich!� – Der Erzherzog verwunderte sich: �Aber deine Heirat mit Cornelius, willst du die aufgeben?� – �Bin ich nicht dein?� fragte sie. �Soll ich nicht ein Kind von dir haben, das mein Volk zur Heimat f�hrt?� – �Welchem Volke geh�rst du liebes M�dchen�, fragte der Erzherzog, �betr�ge mich nicht; f�rstlich mu� ich dich nennen, aber ich m�chte wissen, ob das Schicksal dir gerecht war und dich einem F�rstenstamme einsegnete?� – �Mein Vater war F�rst Michael von �gypten�, sagte Bella ger�hrt, �ich bin der letzte Zweig des alten Geschlechtes, das sich bei allen Umw�lzungen, oft[512] siegreich, oft fliehend, doch in steter Unabh�ngigkeit erhalten hat, so sagte der Vater. Ich bin das letzte Kind aus meinem Stamme; mein Vater starb in den Verfolgungen, die �ber unser Volk ausbrachen; eine alte Wahrsagung bestimmt, da� ein Kind von mir und einem Weltbeherrscher die letzten Ungl�cksscharen unserer verfolgten Untertanen zum segensreichen Nil w�rde f�hren.� �Ich traue deinen Worten ganz�, sprach Karl, �doch sage an, wie war es m�glich, da dich so gro�er Sinn trug, dich gegen mich mit deinem kleinen Freunde zu verbinden? Wie konntest du dich mir hingeben wollen, ihm eine Anstellung zu schaffen? Nun ich dich hier so sch�n und heilig sehe vor mir stehen, in dem Mondenscheine, da m�cht ich meine Ohren L�gen strafen; doch h�rte ich es, als ich nach deiner Sch�nheit durch die T�re lauschte, und wollte im Genu� mich an dir r�chen; doch hat mich diese Lust bezwungen, und ich bekenne dir jetzt meine Wut!� – Bella verstand ihn nicht, er schien ihr lauter G�te. Sie lachte seines Argwohns und erz�hlte ihm so nat�rlich alles, wie sie durch Braka zu einer Nachgiebigkeit gegen die wunderlichen Launen des Kleinen beredet worden sei; zugleich vertraute sie ihm unter dem Versprechen der Verschwiegenheit dessen geheimnisvolle Entstehung. Der Erzherzog, aus der gewohnten folgerechten Nat�rlichkeit in alle Wunder der Lust und der geheimen Kr�fte in einer Nacht hineingerissen, versank in ein tiefes ernstes Nachdenken; er stand innerlich, wie ein Stern hinaufgerissen, �ber der Welt, mit der er bis dahin fortvegetiert hatte; was er k�nftig t�te und spr�che, alles schien ihm bedeutsam. Er hatte ein reiches Geheimnis, das er sich bewahren wollte und dessen er selbst seinen Cenrio nicht w�rdig achtete: wie er seine Liebe fortf�hren sollte, besch�ftigte ihn mit stillem Ernste. – �Bist du nicht gl�cklich wie ich?� fragte Bella; �alles ist mir so merkw�rdig, und wie alles hat so kommen m�ssen. Denn wie ich mit dir gegangen, ahndete ich von allem dem nichts; und sieh, wie die Spinnweben am Baum im Mondschein sichtbar gl�nzen, w�hrend ich das Tauwerk des Schiffes dort im Dunkel nicht unter scheiden kann: so f�hle ich h�here Wege und ahnde doch nichts, was mir in den n�chsten Tagen bevorsteht. Der Kleine ist b�se, merkt er, da� ich mich ganz zu dir wandte; von ihm kommt unser Reichtum, er wird uns alles versagen, kannst du mich dann ern�hren?� – Der Erzherzog lie� eine Tr�ne fallen: �Ach liebes Kind, durch die H�rte[513] meiner Eltern bin ich sehr beschr�nkt; f�r die t�richte Lust an Pferden habe ich mich tief verschuldet, meine Lehrer d�rfen mir gar kein Geld mehr einh�ndigen, sondern sie bezahlen, was ich brauche. Aber f�r dich schaffe ich Geld, und sollte ich mein k�nftiges Reich verpf�nden.� – Bella k��te ihm die Augen und schwor, es sei nur ein Nachsprechen von ihrer Tante gewesen, wenn sie �ber ihre Zukunft sich so bedenklich gestellt h�tte, wenn sie aus ihrem Herzen spreche, so sei ihr die Art Staat, die sie in Gent um sich gesehen, l�stig, ihr Anzug qu�le sie, und jede Stunde sei zu allerlei Besch�ftigungen, die ihr verha�t w�ren abgemessen. �Was soll ich Spanisch und Latein sprechen? was bedarf ich's ›Amo, ich liebe, amas, du liebest‹ zu lernen? ich wei� ja nichts andres, als da� ich dich liebe und da� du mich liebest.� –

Sie umarmten sich still traulich, als Cenrios Stimme pl�tzlich an der T�re schallte: er sagte, da� Adrian von dem Orte forteile, weil er ein wunderbares Sternzeichen entdeckt. Gleich darauf h�rte der Prinz Adrians heftiges Husten, trieb Bella in das Seitenzimmer, wo der Kleine krank darnieder gelegen hatte, und eilte den eigensinnigen Adrian zu bes�nftigen. Dieser war aber au�er Fassung: er schwor, da� diese Nacht den wunderbarsten Sohn der Venus und des Mars gezeugt habe, er m�sse zu seinen B�chern, um die Beobachtungen weiter zu vergleichen; er meinte im Erzherzoge gleiches Interesse f�r die Beobachtung und h�rte dessen Einw�rfe kaum. Er war ein echter Hofmeister, der in seinem Sch�ler seine Gedanken voraussetzte, und durch ihn seine Zwecke verfolgte. Der Prinz war aber seiner Willk�r ganz �berlassen, und mu�te endlich folgsam sich anziehen, um mit ihm nach Gent zur�ckzukehren. Gern h�tte er seiner lieben Bella noch ein Lebewohl ins Seitenzimmer gerufen; doch f�rchtete er dadurch ihre Verbindung den Ihren zu verraten, da er so wenig von dem Schicksale der Golem Bella, wie von der Abreise seiner Nachbaren in der Eile durch Cenrio unterrichtet werden konnte. Sorgen machte er sich am wenigsten heute, wo sein Herz in den ersten Freuden der Liebe schwebte und nachschwelgte. Die ganze Welt war ihm aufgegangen, er dachte weder an Pferde noch an Jagdhunde, zum erstenmal war ihm die z�rtliche Saite seines Herzens angeklungen, die noch im sp�ten Alter im Lager bei Regensburg bei den T�nen einer sch�nen Harfenspielerin nachklang, als Krankheit und Sorge um seine Lieblingsw�nsche ihn[514] schon von der Welt losl�sten. Vielleicht w�re aus ihm nie der Unerm�dliche, der nach allem griff, alles zu verbinden strebte, geworden, wenn ihn nicht das Geschick so rasch aus diesem Verh�ltnisse, das seine ganze Seele befriedigen konnte, herausgerissen h�tte.

Nachdem das Ger�usch seiner Abreise vor�bergegangen, w�hrend dessen Bella kaum durch die Scheiben ihm tr�be nachzublicken wagte, als das Schiff im Dunkel anfing zu schwanken, die wei�en Segel sich ausbreiteten und die Ruderer endlich das Wasser anregten: Ach, dachte sie, die m�chtige Gewalt des Tauwerks, das sich vorher unserm Blicke verbarg, tritt so schnell hervor, uns zu trennen, wird es auch eine unsichtbare Gewalt geben, die uns wieder verbindet? – Als sie sich in den Gedanken an ihn recht ers�ttigt und gest�rkt hatte, �ffnete sie leise das Nebenzimmer, wo sie mit Braka schlafen sollte, war aber verwundert, die Fenster offen, die Betten geschlossen und den Reisekoffer nicht mehr an Ort und Stelle zu sehen. Sie nahte sich dem Bette der Alten, rief sachte, endlich lauter; aber alles blieb still und sie sah jetzt im Mondenscheine, da� keine Spur ihrer Anwesenheit mehr zu sehen, als schmutziges Wasser im Becken und einige nasse Handt�cher, �ber die St�hle geh�ngt. Bella konnte sich das alles nicht erkl�ren; aber sie hatte auch kein Schrecken dar�ber. Sie ging endlich in das dritte Zimmer, das Cornelius bewohnen sollte, sch�chtern und leise; fand aber auch hier niemand. Erst jetzt machte sie ihre Verlassenheit �ngstlich, sie kannte niemand im Hause, als die widrige Frau Nietken; doch lieber wollte sie heimlich entlaufen, ehe sie ihre Zuflucht zu der genommen h�tte.

Aber Zufall f�hrte sie ihr entgegen. Es wollten sich ein paar alte Edelleute bei Wein und Spiel mit M�dchen erlustigen, und sie hatte keine andre Zimmer frei, als diese von der Brakaschen Familie und von dem Erzherzoge verlassenen. Sie kam mit einem Licht, alles darin aufzur�umen und erschrak, wie vor einem Gespenste, als sie Bella vor sich erblickte. – �Was ist Euch Frau Nietken, wo ist meine Mutter?� – �Ei Jesus Maria�, seufzte die Alte, �da mu� ich doch gleich was auf meinen Schreck nehmen; haben Sie was vergessen gehabt, liebes Fr�ulein? ei, ei, das mu� Sie so lange aufhalten! wie weit waren Sie denn schon? bei mir w�r's so sicher aufgehoben und wenn's ein Scheffel mit Gold gewesen.� Bella konnte sich diese Reden nicht erkl�ren; sie fragte nach ihrer Mutter, wohin sie gefahren[515] und kam dabei in Verlegenheit, wie sie es ihr erkl�ren solle, da� sie nichts davon wisse. Dadurch ward Frau Nietken, die sich sogleich der Ausfragerei des Erzherzogs erinnerte, klug genug, irgend ein geheimes Einverst�ndnis mit diesem anzunehmen, und da sie von diesem oder vielmehr von Adrian, der die Kasse f�hrte, schlecht bezahlt worden, so suchte sie sich durch diese Entdeckung schadlos zu halten. �Ei�, schlo� sie ihre Rede mit einem wunderlich ernsthaften Gesichte, �das h�tte ich von einem gn�digen Fr�ulein mein Seelen nicht gedacht, da� Sie sich so schlecht auff�hren w�rden. Pfui Teufel, mein guter Ruf leidet es nicht, die Jungfer Demut mu� in die Wache; sie soll ausgest�upt werden auf �ffentlichem Markte zur Warnung!� – Bella zitterte in Scham und �rger. Sie sah und h�rte nichts mehr, so aus dem Gl�cke in die entsetzlichste H�lflosigkeit und Verachtung gesto�en, ohne irgend eine Welterfahrung; kaum konnte sie glauben, da� sie dieselbe sei, so schauderte ihr vor ihrem Zustande. Nicht das Ungl�ck, aber die Schande, die ihr so unvermeidlich nahe schien, konnte die Sicherheit ihres f�rstlichen Gem�tes vernichten; sie weinte und warf sich auf einen Stuhl.

Frau Nietken lie� diese Verzweiflung noch tiefer in ihre Seele fressen, um sie zu dem Vorschlage, hier zu bleiben und ein paar alten guten Edelleuten die Zeit zu vertreiben, vorzubereiten. Bella, als sie ihn erfuhr, ahndete nichts Schlimmes, sie meinte allenfalls, da� sie ihnen aufwarten, den Tisch decken solle und entschlo� sich gern dazu, um ungekr�nkt am andern Tage zur alten Braka zur�ckzukommen. Aber alles, was sie an Unmut in sich sp�rte, setzte sie heimlich in Reden um, die sie der alten Braka recht scharf ans Herz legen wollte.

Frau Nietken war sehr vergn�gt, sie so willig zu finden. Als die beiden alten Herren hereintraten, sperrten sie beide �ber die wunderbare Sch�nheit der Bella ihre Augen weit auf, und entschuldigten sich, da� sie in ihr Zimmer gekommen w�ren: wer konnte sich einbilden, in der Gewalt der Frau Nietken eine so junge, bl�hende Sch�nheit zu treffen. Als aber dieser Irrtum berichtiget war, indem Bella ihnen sch�chtern sagte, da� sie zu ihrer Aufwartung bestimmt w�re, so erwachte in dem raschen Liebesfeuer, das Nasen und Wangen der beiden Alten durchgl�hte, eine Eifersucht, den Besitz dieser seltenen Jugend einander nicht zu g�nnen, dergestalt, da� jeder seine Stirnfalten hinaufr�ckte, und einer List nachsann, den andern zu[516] entfernen oder bei der Frau Nietken zu �berbieten. W�hrend sie nun aus hohen Gl�sern den Wein tranken, und mit einander im Brett spielten, benutzte es der eine nach dem andern, w�hrend jener am Zuge, mit Frau Nietken heimlich ein Wort zu reden, die in seliger Erwartung, wie hoch sie die arme Bella in dieser Versteigerung hinauftreiben werde, sehr viele Schwierigkeiten in Hinsicht ihres Besitzes aufzuz�hlen wu�te. Bella war in ihres Stammes Natur zu klug, um die Gefahr nicht einzusehen, worin ihre Liebe und ihre Freiheit schwebten; die alten Herren erlaubten sich schon manche unbequeme Zudringlichkeit, und sie sann auf einen Anschlag, wie sie dem Hause entkommen m�chte. Aber was sie auch erfinden mochte, sie war zu strenge belauscht, und niemand gestattete ihr unter irgend einem Vorwande das Zimmer zu verlassen. Die beiden Alten, je mehr sie tranken, wurden immer heftiger, sie sprachen von ihren Kriegsz�gen, und fingen sich an zu streiten. Die Wirtin f�rchtete, sie m�chten zu den alten rostigen Degen greifen und ihre Tassen und Gl�ser zerschlagen; sie war deswegen sehr erfreut, als sie eine Musikantenbande, wie sie damals h�ufig auf den Kirmessen der Niederlande anzutreffen waren, die vor dem Fenster mit K�chenm�rseln, auf Rosten zum Gesange klapperten, in das Zimmer rufen konnte. Das lustige V�lkchen, unter gro�en M�nteln und Larven versteckt, trat ins Zimmer, sah sich um und sang, wie sie die beiden alten Herren so z�rtlich gegen das junge M�dchen erblickten, vom Gl�ck des Alters, das noch lieben kann und geliebt wird.


V�terchen, saug Jugendmut

Aus der Lippen rotem Blut,

Mische Honig zu dem Wein,

Und er wird dir lieblich sein;

Z�nde auch ein Feuer an,

Da� sich Amor w�rmen kann:

Sieh, der lose kleine Bub

Kommt auf Stelzen in die Stub.


Bella stellte sich bei diesen Worten, als ob sie den alten Herren den guten Willen durch Zuvorkommen erwecken wollte, sie trat zu den Musikanten und sagte, da� sie mit ihnen singen wollte, sie s�nge recht h�bsch, doch m��ten sie ihr Tracht und Larven leihen. Frau Nietken war seelenvergn�gt, da� sie sich so leicht in ihr Schicksal[517] gegeben: �Herzchen, tanz�, sagte sie, �da� die R�cke �bern Kopf fliegen, den Herren will ich ein Glas Malaga einschenken.� – Bella benutzte diese Zeit, einer Musikantenfrau jene kostbare Demanthalskette, die Cornelius damals in dem Stiefel entdeckte und ihr umhing, anzubieten, wenn sie unter ihrer Larve entfliehen k�nnte, und jene an ihrer Stelle zur�ckbleiben wollte. Das Weib war mit dem Gebot sehr zufrieden, sollte es dar�ber auch H�ndel geben; die Musiker waren ihrer sechse, die an Raufereien, wie andere Menschen ans K�mmen, gew�hnt waren, und weil sie nichts als einige alte Lumpen zu verlieren hatten, nur immer dabei gewinnen konnten. Die Umkleidung war hinter dem Schirme bald vollendet, und Bella entwich, w�hrend ihre reiche Haube von Gold und ihre Halskette an dem verlarvten Weibe, den alten verliebten Toren herrlich entgegengl�nzte; das Weib tanzte, und ihre Spr�nge schienen ihnen so reizend, da� einer nach dem andern aufsprang und ihr um den Hals fiel. Endlich entfiel ihr bei diesem abwechselnden Zugreifen die Larve, und die alten Herren erschraken nicht wenig ein fremdes, abgelebtes Gesicht zu sehen, das sie mit rechter Bosheit verlachte. �Wo ist Bella, ihr Spitzbuben?� schrie Frau Nietken, und statt der Antwort, warf sie ein derber Faustschlag des einen Musikanten darnieder. Die alten Herren sprangen zu, aber mit ihnen wurden die r�stigen K�mpfer noch schneller fertig; sie knebelten sie, nahmen ihnen die vollen Geldbeutel, mit denen sie Frau Nietken bestechen wollten, aus den H�nden, verschlossen die T�re und fl�chteten sich aus dem stillen Hause, wo alles von den Rasereien des Tages im Fr�hmorgen darniederlag, in das Freie; sie hatten genug gewonnen, um allen Untersuchungen aus dem Wege zu gehen.

Bella hatte sich unterdes mit einer Schnelligkeit auf den ihr wohlbekannten Fu�pfad nach Gent begeben, da� sie sich nach einer Stunde ganz ersch�pft hinter einen Dornstrauch versteckte, um ein wenig sich zu erholen. Es zog allerlei betrunknes Volk vor�ber, was auch von der Kirmes kam, aber keiner bemerkte sie, nur die Hunde schnupperten und bellten sie an; da aber der Dornstrauch als Grenze einer Feldmark, sie versteckte und auch mancherlei Knochen den gew�hnlichen Gebrauch dieses Ortes verrieten, so gab lange Zeit niemand auf sie Achtung. Sie verfiel in einen tiefen Schlaf, aus dem ihr das Bewu�tsein erst am folgenden Abende wieder kam. Nun konnte sie zwar in dem krampfhaften Zustande, der[518] sich ihrer bem�chtigt hatte, selbst dann noch nicht ein Glied erheben, oder die Augen aufschlagen, doch h�rte sie in einzelnen Momenten, was rings umher auf dem Wege gesprochen wurde. Sie h�rte das Bellen eines Hundes, wie in dichter, nebeldunkler Nacht der verirrte Schiffer davon �berrascht wird, aus einem unbemerkt angen�herten Schiffe; jetzt h�rte sie auch Stimmen, und sie merkte aus der Art, wie sie sprachen, da� es ein Paar Flursch�tzen von den beiden aneinander sto�enden D�rfern w�ren. Der eine sprach: �H�r Peter, das tote Weib liegt auf deinem Grund und Boden.� – �Soll es gelten�, antwortete der, �und wir m�ssen sie auf unsere Kosten begraben lassen, so leg ich hier einen gro�en Stein in die Erde und das St�ck geh�rt unser und die Grenze kommt jenseits.� – �Den Teufel nein�, sagte der andre, �du bist verflucht gerieben und bist noch ein halbwachsener Bengel, ich h�tt' sie euch gern aufgeladen, ja da werden wohl beide Gemeinden die Leichenbestattung zusammen bezahlen m�ssen, das macht viel M�he und Kosten, und gibt sicher noch Streit.� – �H�r Alter�, sagte der andre, �ich hab ein Kunstst�ckchen vom vorigen alten Flursch�tzen, dem rothaarigen Benedikt gelernt, der sagte immer: ›wenn ich einen Toten finde, so seh ich's ihm gleich an, er sieht so gr�mlich aus, bei uns will er nicht gern begraben sein: ei nun, sein Wille geschehe, ich mache ein Kreuz �ber die Schelde, werf ihn hinein und wo er ans Land treibt da will er gern hin, – aber Bub, es mu� niemand sehen‹.� – �H�r Peter, der Gedanke ist so dumm nicht; siehst du niemand, wir fassen zusammen an und tragen sie ins Wasser.� – Bella wollte rufen, aber sie vermochte auch nicht die kleinste Lebens�u�erung zu zeigen; schon griffen die beiden Leute sie an, als der junge Flursch�tz rief: �Halt, la� liegen, was fahrt der Teufel da f�r einen struppigen Kerl vom Galgenberge herunter, la� uns nach den Wiesen gehen, in zwei Stunden ist's dunkel, da sieht uns niemand.�

Bei diesen Worten gingen sie mit einander die Grenze herunter und Bella war von der uns�glichen Angst in einen wunderlichen Traumzustand �bergegangen, in welchem sie den Vater, mit herrlicher Krone auf der �gyptischen Pyramide, die er ihr oft gezeichnet hatte, sitzen sah; seine Beine waren aber an einander gewachsen und seine H�nde an den Leib gelegt, und sie fragte ihn ganz ruhig: �Deine Hand kannst du mir wohl nicht mehr reichen wie sonst?� – �Nein�, sagte er, �sonst h�tte ich dir eben beigestanden; sonst h�tte[519] ich dich fr�her zur�ckgehalten, als du den Alraun gegraben: sei froh, du bist frei von ihm! Du bist gesegnet ein Kind zu tragen, das unser Volk heim f�hrt. Du aber wirst noch Trauer erleben, sei aber furchtlos wie ein Nachttau, welcher der Sonne entgegengeht und sie anblickt, auf da� sie ihn von hinnen nehme.� –

Nachdem dies Traumgesicht ihr entschwunden, wachte sie auf. Die Sonne war im Sinken, und sie konnte sich erheben und f�hlte nur Ermattung noch in allen Gliedern. Sie schlich langsam der Stadt zu, und ging mit einem Seufzer bei dem verlassenen Landhause vor�ber, das ihre Jugend gesch�tzt hatte: es war ihr jetzt zu eng, zu klein, und sie eilte nach dem Hause, wo sie vor drei Tagen mit wunderlichen Erwartungen ausgefahren war. Zutraulich bewegte sie den Klopfer der T�r, es trat ihr die bekannte Magd entgegen, sie fiel ihr um den Hals; diese aber trat zur�ck und kannte sie nicht. Als sie sich nannte, schrie das M�dchen auf, lie� den Blaker fallen und lief hinauf zur Herrschaft und schrie, da� sie es h�ren konnte: �Jesus Maria, da ist noch eine Bella!� – Braka, Cornelius und seine junge Gemahlin, die Golem Bella st�rzten zum Zimmer hinaus, die Ankommende zu beschauen. Wie l��t sich alles gegenseitige Erstaunen malen? Braka wu�te durchaus sich nicht zu fassen; Golem war gleichg�ltig, als w�re sie ihrer Sache zu gewi�, um sich in ihrer eignen Person zu irren. Bella weinte; von der M�digkeit, vom Hunger ersch�pft, hatte sie kaum die Kraft aufzublicken. Cornelius, der sich auf einmal im Besitze zweier Frauen sah, und durchaus jetzt nicht begreifen konnte, wozu er �berhaupt eine genommen, sprang wie ein brennender Frosch, so nennen es die Feuerwerker, zwischen allen herum, fluchte und schimpfte, und wu�te eigentlich selbst nicht, was er sagen sollte. Die Magd und Braka kamen zuerst darauf, unsere Bella m�chte doch wohl die echte sein, aber Cornelius widersprach heftig, weil ihm die geschm�ckte Golem besser gefiel, als Bella in den alten Lumpen der Dorfs�ngerin. Bella bat nur um ein Nachtlager und Nahrung, weil sie ersch�pft sei von M�digkeit; wenn sie am Morgen nicht mehr geduldet werden sollte, k�nnte sie leicht weiterziehen. Aber auch dies wollte Golem nicht leiden, die, wie wir wissen, au�er den wenigen Gedanken, welche der Spiegel von Bella zu ihr �bergetragen, und die ihr eine auswendig gelernte Form waren, ein echtes Judenherz in ihrem K�rper bewahrte, und jetzt[520] in der Furcht die Fremde k�nnte sie verdr�ngen, oder Geld kosten, schrie: da� wenn sie nicht freiwillig gleich das Haus verlie�e, wenn sie ihre tr�gliche �hnlichkeit mi�brauchen wollte, ihres Mannes Liebe zu teilen, so w�rde sie ihr das falsche l�genhafte Antlitz mit den N�geln zerrei�en. �Du Mann�, rief sie, und wendete sich drohend gegen ihn, �da� du noch so dastehst und ihr nicht schon l�ngst das Genick gebrochen, das beweist mir deine Schlechtigkeit, du hast dich auch mit ihr abgegeben, und ich will euch daf�r die K�pfe zusammensto�en, da� euch das K�ssen auf ewig vergehen soll, ihr Ehebrecher!� – Cornelius f�rchtete sich gewaltig vor ihrer St�rke; er stellte sich darum grimmiger, als er es eigentlich meinte, erhob sein St�ckchen und rief: �Erb�rmliches Fr�ulein, ich will dich strafen.� – Braka mu�te �ber sein n�rrisches Hahnreigesicht fast lachen, wie er sich so grimmig anstellte; aber Bella schlich einsam hinunter, Cornelius hieb auf das Gel�nder, trat zur�ck und sagte: �Der habe ich ein paar aufgezogen, daran soll sie ihr Lebtag gedenken.� Golem k��te ihn daf�r und nannte ihn ihren lieben Mann, und er ahndete nicht, da� er die herrliche Bella f�r eine Lehmpuppe verworfen, denn leider hatte ihm Golem Bella in der Nacht der Hochzeit die beiden ahndenden Augen, die er noch immer im Nacken bewahrt hatte, unwissend, weil sie da keine Augen vermutete, eingedr�ckt. Solch Ungl�ck ist leicht bei au�erordentlichen Eigenschaften; ich erinnere mich eines au�erordentlich begeisterten Redners, der diese Eigenschaft ganz verloren, seit die Zuh�rer, um einen Versuch mit ihm zu machen, ihn einmal w�hrend dieser Begeisterung mit kaltem Wasser �bergossen.

Bella war jetzt entschlossen beim Erzherzoge eine Zuflucht zu suchen; sie kannte sein Schlo�, das �ber die andern H�user hervorragte, aus der Ferne, und so heftig ihr das Herz klopfte, ihre Knieen zitterten und ihre Sprache fast versagte, sie brachte es endlich doch beim T�rsteher an, da� sie den Erzherzog notwendig sprechen m�sse. Der T�rsteher, ein alter Mann, war ganz in dem Interesse des alten Adrian, der �ngstlich die Unschuld seines Prinzen bewachen lie�, um seine Lebensdauer zu verl�ngern. Der alte T�rsteher lie� Bella in ein Zimmer treten, ging heimlich zu Adrian und hinterbrachte ihm, da� ein verd�chtiges M�dchen nach dem Erzherzoge gefragt habe. Adrian sa� eben bei seinem Nachtessen, einem feisten Hahnenbraten, auf seinem Studierzimmer, wie er da Abends allein[521] zu essen gewohnt war; er befahl mit zornigen Augenbraunen, das M�dchen hereinzuf�hren. Bella wurde eingef�hrt, aber nach dem Erschrecken �ber die Abwesenheit des Prinzen, machte ihr der Anblick des kr�ftigen, w�rdigen Adrian einen sehr beruhigenden Eindruck. Er sah sie an, und sprach nichts als: �Kurios, kurios!� – Sie sah den Braten, und vom langen Hunger getrieben, r�ckte sie einen Stuhl ihm gegen�ber zum Tisch, schnitt sich ein St�ck ab, und a� mit dem Hei�hunger eines armen Leibes, der seit zwei Tagen nichts genossen. Adrian sch�ttelte mit dem Kopfe, sagte wieder: �Kurios, kurios�, legte ihr dann gekochte Fr�chte vor, die dem Braten zugesellt waren, und schenkte ihr ein Glas Wein ein. �Du bist ein wunderliches M�dchen�, sagte Adrian, �sprich, wann bist du geboren? ich m�chte deine Zeichen erforschen.� – �Ach, w�rdiger Herr�, sagte Bella, �ich wei� es mir nicht mehr recht zu erinnern, ich mu� zu der Zeit noch sehr dumm gewesen sein.� – �Kurios, kurios�, sagte Adrian, �wie hie� aber dein Vater?� – �Ach, mein armer Vater�, sagte Bella, �wenn der das gewu�t h�tte!� – �Kurios, kurios�, sagte Adrian; �nun, ich will deine Geheimnisse nicht wissen.� – �Aber, kommt denn der Erzherzog nicht bald?� fragte Bella. – �Kurios, kurios�, sagte Adrian, �du meinst wohl gar, ich soll dich zu ihm f�hren, das geht nicht.� – �Ei V�terchen�, schmeichelte Bella, �tu's doch, ich mu� ihn sprechen, f�hr mich zu ihm, es macht ihm sicher Freude, ich hab ihn so lieb.� – �Ein wunderliches M�dchen�, fl�sterte Adrian vor sich, �macht mich zu ihrem Liebesboten; wer wei�, ob ich mit dieser Liebschaft nicht des Prinzen leichten Sinn an einen Menschen binden k�nnte; es wird nicht lange mehr gelingen, ihn von dem Umgang mit den Frauen abzuhalten, gar viele m�hen sich um ihn, die ihn auf eitle Wege f�hren k�nnten, und diese scheint noch schuldlos, jung.� Die Religion war in ihm beim Lesen der alten r�mischen Dichter zu einer Art klugen Naturkunde geworden. – �Was sprichst du vor dir, lieber Vater?� fragte Bella. �Ich will dich bald zum Erzherzog f�hren�, sagte Adrian, �wart nur etwas, und bist du m�de, ruhe aus auf meinem Bette, und sprich recht zutraulich, woher du bist, ich will es treu behalten.� – Bella fand ihre ganze Seele gegen ihn erschlossen; sie erz�hlte ihm aufrichtig ihr ganzes Schicksal, nur eins konnte sie ihm nicht sagen, wie sie mit dem Prinzen in Buik zusammengetroffen, sie sagte, da� sie sich im Gedr�nge von der alten Braka verloren h�tte. Nach dieser[522] Erz�hlung versank Adrian in ein tiefes Nachdenken und in mancherlei Rechnerei, wor�ber Bella einschlief. So wie er wieder etwas Merkw�rdiges �ber sie herausgerechnet zu haben meinte, trat er an ihr Bette, lehnte sich sachte �ber, und sah sie verwundert an; �berhaupt war es ihm merkw�rdig, wie ein M�dchen auf seinem harten, geistlichen Lager schlafe.

Endlich h�rte er den Erzherzog, der bei dem Grafen Egmont zu Nacht gegessen hatte, im Schlosse einreiten; er wartete noch einige Zeit, und ging dann fort, ohne da� es Bella bemerkte, ihn in seinem Schlafzimmer aufzusuchen. Cenrio, von seiner Ankunft sehr �berrascht, winkte ihm, leise aufzutreten, weil der Prinz sehr m�de gewesen, und gleich in einen tiefen Schlaf gesunken sei. Adrian ging an das Bette, sah das hellblonde Haar des Prinzen, wie er es gew�hnlich mit einem goldenen Netze umspannte, und zog sich auf den Zehen, mit der Hand Ruhe winkend, zur�ck. Cenrio bi� sich lachend auf einen Finger, und kr�mmte vor Lustigkeit den Leib und hob ein Bein auf; der gef�hrliche Betrug war gelungen, und Adrian hatte die ausgestopfte Puppe f�r den wahren Erzherzog gehalten, der inzwischen seine lebendige Bella vers�umte, um bei der leblosen Puppe Golem Bella, an dem Nachgenusse der Liebe, die ihn das erstemal so reich entz�ckt hatte, zu verzweifeln. Er hatte n�mlich schon am Morgen, jene Golem Bella, die au�er den Liebesgedanken der wirklichen Bella, noch ein gemeines j�disches Gem�t hatte, durch Cenrio bestimmt, seinen Besuch in der Nacht anzunehmen, nachdem das Wurzelm�nnlein mit einem Schlaftrunke, den er ihr mitgeteilt, zur Ruhe gebracht sei. Auch Braka wu�te darum, und sollte in ihrem Bettplatze vikariieren, weil der Kleine so eifers�chtig war, da� er selbst schlafend einen Finger von ihr in H�nden hielt; dies war seine einzige Art ihr zu liebkosen, da� er diesen Finger zuweilen k��te. Der Erzherzog war in das Haus geschlichen, als der Kleine, �ber die zweite Bella noch immer sehr verwundert, kaum zur Ruhe gebracht worden; er mu�te lange harren, ehe Golem Bella sich losmachen und zu ihm kommen konnte, und jetzt war seine Neugierde aufs h�chste gespannt, wie es ihr ergangen, und wie sie dem Herrn von Cornelius verm�hlt worden, was aus der Golem geworden sei, die er vom Juden habe nachbilden lassen, um ihren Mann zu t�uschen. Golem Bella antwortete auf das alles so nat�rlich, da� er keinen Argwohn sch�pfte, sie selbst m�chte[523] diese Puppe sein: insbesondre da er die t�uschende Kunst der Sinne f�r unf�hig achtete, sein scharfes Auge zu t�uschen. Sie sagte ihm, da� Cornelius aus Argwohn gegen sie, als ob sie mit dem Erzherzoge ein Verst�ndnis habe, erst sehr b�se gewesen, und sie dann gezwungen h�tte, sich ihm im n�chsten Dorfe zu verm�hlen, wof�r sie in der Liebe des Erzherzogs eine Entsch�digung zu finden hoffe. Die geheimnisvolle Stunde war nicht zu langen Er�rterungen geschaffen; der Erzherzog hatte die Zauberei spielend herausgefordert, seine L�ste zu beg�nstigen, diesmal t�uschte sie ihn um seine Lust; in der Liebe ist alles so ehrlich, da� jeder Betrug, wie ein falscher Stein in dem prachtvollsten Ringe, das freie Zutrauen st�ren kann, und betrog nicht der Erzherzog Bella, als er sie durch sein Kunstst�ck in seine Gewalt brachte? es war nicht Liebe allein, es war der Wunsch in ihm, sich zu r�chen, weil er sich betrogen glaubte, da� er sie so wild und rasch seiner Lust opferte.

Als der Morgen d�mmerte, und die Kr�hen, die einzigen Singv�gel gro�er St�dte, schrieen, als ihn Cenrio erweckte, da konnte er nicht begreifen, was ihm mitten im Genusse gefehlt hatte; sein ganzes Herz war traurig und schwer, weil es nicht jubeln konnte, wie damals, als er sich von Bella in Buik trennte; ja es war ihm, als sei es ein anderes Wesen gewesen, die bei ihm geschlummert, und w�re sie nicht fr�her fortgeschlichen gewesen, er h�tte sicher die dunkeln Locken von der Stirn erhoben, um das Wort des Todes zu entdecken. Er verfluchte die Nacht, und schwor sich, nie wieder diesen Weg zu gehen, auf welchem er sich verkleidet in sein Schlo� schlich, wo ihm Cenrio erst erz�hlte, welche Gefahr er gelaufen, von dem alten Adrian entdeckt zu werden.

Der alte Adrian war unterdessen in einer viel �rgern Verlegenheit gewesen, gleich nachdem er den ausgestopften Erzherzog verlassen, hatte er sich ernste Vorw�rfe gemacht, da� er auf den Gedanken gekommen, die Liebschaft des Erzherzoges zu beg�nstigen. Er h�tte Bella ohne Barmherzigkeit versto�en, wenn er nicht vorher schon dem T�rsteher h�tte sagen lassen, das Schlo� zu verschlie�en, er habe das verd�chtige M�dchen schon zur Hinterpforte hinausgelassen. Die Nachtposten waren jetzt auf den G�ngen verteilt, und es h�tte ohne ein b�ses Gerede nicht endigen k�nnen, wenn er so sp�t noch ein M�dchen aus seinem Zimmer entlassen h�tte; er mu�te sich also in zagender Geduld f�gen, und der armen, m�den[524] Bella sein eignes Bette zum Nachtlager anweisen, w�hrend er sich selbst vornahm, sich durch ein hartes Bu�lager von jeder Versuchung frei zu halten. Seine Verlegenheit ging aber bald an, als ihm unwiderstehlich nach dem Wasserglase verlangte, das sich Bella an ihr Bett gesetzt: es war das einzige, und es dr�ngte ihn der Durst, da� er aufstehen mu�te, und Bella, vom festen Schlafe r�tlich angew�rmt, schnell atmend in sch�ner Lage erblickte. Ihm war nie solch ein Anblick vorgekommen und er konnte es selbst nicht recht begreifen, warum er so langsam trinken mu�te und gar nicht fertig werden konnte, die einzelne Fliege abzuwehren, die immer zu dem schlafenden Engel zur�ckkehrte; endlich stach ihn selbst eine Art G�tterverehrung, die bis dahin nur ganz �u�erlich aus den r�mischen Dichtern in seine Rhetorik �bergegangen war. Venus war jetzt Fleisch geworden, er rief sie in Horazens Versen leise an, und wer wei� wozu ihn diese l�ppische Schulweisheit verf�hrt haben m�chte, wenn er nicht mitten in seiner Adonisrolle seine Tonsur und sein graues Haar im Spiegel gesehen h�tte. Ihm schauderte, es war ihm, als habe er einen Heiligen gesehen, der sich im Nachtmahlwein vor seinem Tode betrunken. Er legte sich seufzend auf die harte Dielen, konnte aber nicht schlafen, denn seine Gedanken waren immer besch�ftigt, bald reuig, bald s�ndig, bald wie er sich aus der Verlegenheit ziehen sollte, wie er Bella fortschaffen und doch f�r sie sorgen k�nnte; auch war es ihm zu Mute, als k�nnte er sie nicht von sich lassen. Allm�hlich verweilte sein Auge bei den Kleidern eines Knaben, der ihm lange aufgewartet hatte, und den er, wegen seiner T�cken, endlich fortgejagt hatte; diese schienen ihm geschickt, das M�dchen unbemerkt aus dem Hause zu f�hren. Als Bella aufwachte, sich die gro�en Augen rieb und erschreckend fragte, wo sie sei, und fast weinte, hatte der gute Alte erst genug zu tr�sten. Er betete ihr ein Ave Maria, das sie ihm fromm nachsagte, dann erst erz�hlte er ihr, da� sie sich in Geduld f�gen m�sse, er k�nne sie nicht zum Erzherzoge f�hren, das sei gegen sein Gewissen; aber er wolle f�r sie sorgen, ob sie ihm nicht einen Rat geben k�nne, wo sie unterzubringen, da er niemand kenne. Sein voriger Knabe, der habe bei armen verwandten gewohnt und sei Morgens und Abends gekommen, um sich zu erkundigen, ob er f�r ihn etwas zu laufen, oder sonst zu verrichten habe, wenn sie dessen Kleider anlegen wolle, k�nne sie ihm dieselben Dienste, welche ihm die vornehmen[525] Hoflakaien immer unordentlich versorgten, in den Kleidern des Knaben verrichten. Bella nahm alles an, was ihr der Alte riet, denn sie sah die M�glichkeit den Erzherzog in dieser Verkleidung zu sehen, und das war jetzt ihr einziges Verlangen; sie eilte zum Ankleiden des neuen Staates, aber ihr fehlte alle Kenntnis, wie sie diese verschlitzten und vielfach mit Haken und �sen verbundenen Beinkleider und den Wams anlegen sollte, so da� ihr der alte geistliche Herr nicht ohne Lachen dabei helfen mu�te. Sie erz�hlte ihm, da� sie wieder nach dem Landhause zur�ckkehren und sich dort verstecken wolle; ihre Haut wisse sie durch Pflanzens�fte so zu br�unen, da� niemand sie f�r ein M�dchen halten sollte. Adrian sah wohl die Klugheit ihres Volks bei allen ihren �u�erungen, aber er f�rchtete sich doch vor Verrat, und war gar sehr erleichtert, als er sie aus dem Schlo� entlassen �ber den Platz hinschreiten sah, wo die Buben, welche einen Reifen trieben, ihr in der Meinung zuriefen, es sei ihr alter Kamerad, der vorige Knabe Adrians.

Das war seine letzte Angst, f�r diesen Tag; nachher eilte er zum Erzherzoge und als er ihn noch schlafend fand, der die Nacht vers�umt hatte, sch�ttelte er ihn auf und hielt ihm eine lange Strafrede, �ber die Tr�gheit, da� in ihr, wie in einem bodenlosen Meere kein Anker der Tugend fassen k�nne, sondern verloren gehe. Den Abend habe er ihn nicht st�ren wollen, denn die Stunden vor Mitternacht seien der edelste Schlaf, wo eine einzige f�r K�rper und Seele mehr wert, als zwei nachher; jetzt aber, wo ihm die Sonne in die Nasel�cher scheine, sei das Schnarchen etwas ganz Ungeziemendes. – Er konnte stundenlang so fortreden und brachte diesmal den Erzherzog aus einem Schlaf in den andern, so da� der alte Herr endlich unmutig aufstand und Cenrio die Beweise vortrug, da� jenes vermeinte Werk des Petrus Lombardus, was er in Buik aufgefunden, entweder erdichtet oder aus einer Zeit des Verfassers sei, wo er seinen Geist und seine Grunds�tze schon aufgegeben h�tte. Cenrio tat verwundert, heimlich lachte aber der Schelm, da� die alte Scharteke dem gelehrten Manne so viel Studium gekostet; er fragte ihn dann nach der merkw�rdigen Sternenjunktur, die er in Buik beobachtet, worauf ihm Adrian deutlich machte, da� in der Nacht ein m�chtiger Herrscher im Morgenlande gezeugt sei, wo aber, das k�nne er nicht herausbringen. Auch hierin fand sich Cenrio heimlich wieder viel besser unterrichtet, ungeachtet ihm einige Dinge[526] im Kopfe herum gingen, die er nicht bequem reimen konnte, vielleicht weil die Natur blo� Assonanzen machen wollte, er hatte nicht herausbringen k�nnen, wo die Golem Bella geblieben; auch wu�te er nicht, wie Bella wieder zur alten Frau von Braka zur�ckgekommen, nachdem sie von dieser in den Armen des Erzherzogs zur�ckgelassen; Dinge, die er aus Zeitmangel und aus �berflu� an Zeugen mit dem Erzherzoge noch nicht �berlegen konnte. Nachdem der Alte das Zimmer verlassen mit den Worten: �Kurios, kurios, ich g�be was darum, dies Wunderkind zu entdecken!� – so wendete Cenrio seine Fragen an den Erzherzog, der nicht wenig erstaunt war, da er selbst in seiner Lust nach einer verlornen Bella geschmachtet hatte. – �Gewi� ist jene verloren, die ich liebte, die im Tor meines Lebens wie die zarte Morgenr�te vor der hellen Sonne verschwunden ist, statt des G�tterbilds habe ich eine irdische Gestalt umarmt, die mich in niedrer Glut an sich zieht, und vor der mein Herz zur�ckweicht. Ach da� Millionen auf mich blicken! – D�rft ich ein armer Pilger werden, wie wollte ich die Welt durchirren, meine Klagen allen Winden singen und sie aufsuchen, der ich ewig geh�re, und wenn ich sie nicht f�nde, als Einsiedler in den stillen Kapellen des Monserate vertrauern: Cenrio, das w�re, was ich mir w�nschte und da ich es nicht erreichen kann, da werde ich auch vieles nicht erf�llen, was die Welt von mir will.� – Cenrio geh�rte zu den verkehrten F�rstenhofmeistern, die jeden ernsten Gedanken, wie eine Zugluft von dem verehrten jungen Leben abhalten m�chten. Sie wollen sie im Genusse bilden und der Genu� eines F�rsten ist so beschr�nkt und die Entsagung so �berschwenglich; der Scherz bleibt vor ihrer T�r stehen und der Ernst herrscht wie ein alter Geist im Schlosse. Cenrio versprach dem Erzherzoge in Buik alle Erkundigungen einzuziehen um das R�tsel zu erkl�ren, und eilte dahin.

Unterdessen wurde der Herr von Cornelius bei dem Erzherzoge angemeldet, und dieser nahm ihn an, weil er der Golem zur Sicherheit ihres Verh�ltnisses versprochen hatte, ihm eine Anstellung zu schaffen, in so fern er von vielen Herren seines Standes ein Zeugnis br�chte, da� er ein Mensch sei.

Der kleine Kerl war schon den ganzen Morgen herumgelaufen und hatte sich die Meinungen der Herren, ob er ein Mensch wirklich sei, aufschreiben lassen, sah aber zu seinem Erstaunen, da� bei allen[527] mehr oder weniger Zweifel dar�ber obwalteten. Die Zeugnisse waren immer nur bedingungsweise ausgestellt, so sagte von ihm der Baron Vanderloo: Wenn er hinter einem Tische s��e, w�rde man ihn schon f�r einen ordentlichen Menschen passieren lassen, er d�rfe aber niemals aufstehen wegen unverh�ltnism��iger K�rze seiner Beine, welche ihm �hnlichkeit mit einem verkleideten Dachshunde gebe. – Herr von Meulen erkl�rte, er w�rde durchaus untadelhaft sein, aber seine Mutter m�sse einen zu hei�en Leib gehabt haben, dar�ber sei er, wie ein allzu scharfgebacknes verbranntes Brot aufgerissen und zusammengekrochen. – Graf Egmont schrieb auf den Umlaufzettel: Da es eine Hauptkunst sei, dem Feinde in gewissen Kriegsf�llen seine St�rke zu verbergen, so k�nnte er sehr n�tzlich in einer Hosentasche jedes t�chtigen Soldaten angestellt werden, seine Muskete auf dessen Hosenknopf anlegen und den Feind durch einen ganz unerwarteten Schu� aus den Hosen des Soldaten erschrecken. – Diese und �hnliche Meinungen, die jeder ihm, als sehr g�nstig f�r seine Anstellung eingeredet hatte, brachte der Kleine jetzt dem Erzherzoge, der sie mit verbissenem Lachen durchlas, und ihm dann eine ihm angemessene Anstellung in einem Regimente versprach, das er bald errichten wolle, und wozu er eine neue Art von Helmen erfunden, die durch eine Schelle sich h�rbar und durch zwei lange Ohren sichtbar machten. Der Kleine war �ber die nahe Erf�llung seiner W�nsche entz�ckt; er hatte noch nie einen Schalksnarren gesehen, als in Buik, und da hatte er ihn f�r eine milit�rische Person gehalten und die Gewalt seiner Waffen gegen ihn versucht. Er war deswegen auch sehr bereitwillig, den Erzherzog bei sich zu empfangen, der sich nach seiner jungen Frau erkundigte und sie kennen zu lernen w�nschte. Derselbe Tag noch wurde zu einem Feste bestimmt, das Herr von Cornelius in seinem Hause geben sollte. Der Erzherzog f�hlte, trotz der unbefriedigten Nacht, trotz der Vermutung, eine Zaubergestalt treibe ihren Spott mit seiner Liebe, eine unwiderstehliche Begierde zu diesem Golem. Es war ein Drang andrer Art, als er geahndet, aber er konnte ihn doch nicht abstreiten, nicht zur�ckweisen; auch konnte er nicht leugnen, da� diese Empfindung etwas Bestimmtes, etwas M�gliches forderte, w�hrend jene sich vielleicht ins Unendliche traumartig ausbl�hte; ja in diesem Zwiespalte seines Gem�tes schien ihm das Wesenlose, das Ungewisse in jenen[528] hohen Freuden leer und ver�chtlich gegen diesen erkannten Sieg seiner Sinne.

Bella war am Morgen traurig den Weg nach dem Landhause gewandelt, wo sie durch einige bekannte L�cher in der Gartenmauer unbemerkt einzuschl�pfen hoffte. Es begegnete ihr aber in der N�he des Kirchhofes der arme B�rnh�uter, der sich beim �berz�hlen seines verdienten Schatzes im Sarge etwas zu lange verweilt hatte; als er Bella erblickte, konnte er sich der Tr�nen nicht enthalten, sondern fa�te ihre Hand und fragte, was die liebe junge Herrschaft mache, er habe es gleich bemerkt, da� sie von einer falschen nachgebildeten Figur verdr�ngt sei, aber aus Furcht seinen Dienst zu verlieren, habe er nichts zu sagen gewagt. Bella bat ihn zu schweigen: seit dem Empfange in dem Hause habe sie einen unwiderstehlichen Widerwillen gegen Braka, Cornelius und alle bekommen, da� sie sich nie entschlie�en k�nnte, ihre f�rstliche Freiheit dem Zwange der Stadt zu unterwerfen; sie wolle wieder in ihrem alten Hause leben, bis sie freie Leute ihres Volkes antreffe. Dann fragte sie ihn aus, wie sich alles begeben und warum er an dem Abende nicht erschienen. Da erz�hlte er ihr, da� er von der falschen Bella ausgestellt worden sei, um den Erzherzog durch die Hintert�re einzuf�hren, der erst sp�t anlangen konnte. Bei diesen Worten verschlo� Bella den Mund des B�rnh�uters; sie wollte nichts mehr h�ren, nachdem diese unselige Betr�gerin ihr auch das letzte, was sie auf Erden reichlich tr�stete, die Liebe des Erzherzogs entwendet hatte. Der Jammer f�llte ihre Seele, und es fiel ihr wie ein Stein vom Herzen, als sie weinen konnte; sie hing sich an den B�rnh�uter und lie� ihn wohl eine Stunde nicht los; ein Gl�ck da� den Weg wenig Leute gingen, es h�tte sonst Aufsehen gemacht. Der B�rnh�uter war bald in ein neues Rechnen in Gedanken gekommen, wie lange er noch dienen m�sse, und so lie� er die Tr�nen an sich vor�bergehen, wie eine M�hle den sch�nsten Wasserfall, sie ist zufrieden, da� nur ihr Rad dabei gehen kann. Zuletzt, als er f�rchtete zu sp�t zu kommen, wu�te er sich nicht anders loszumachen, als da� er eine Pflaume, die wurmstichig vom nahen Baume gefallen war, aufdr�ckte und sprach: �Wieviel gl�cklicher ist doch solch eine Made, als wir Menschen, je l�nger sie lebt, je s��er wird die Frucht am Baume, was ich aber als eine Undankbarkeit an dem Tiere betrachte, ist wohl, da� sie alles in ihr Zimmer[529] macht und sich dadurch ihren eignen Lebensgenu� verdirbt.� – Der einf�ltige Kerl dachte nicht, da� sein eignes Sammeln im Leben nichts anders gewesen war, als was die Maden in der edlen Flocht anh�ufen. Bella war zu traurig, um ihn darauf aufmerksam zu machen; sie lie� ihn aber los und er verlie� sie eilig mit den heiligsten Versicherungen, er wolle f�r eine Kleinigkeit jede Nacht zu ihr kommen, und einholen, was sie brauche.

Sie dachte nicht, was sie noch brauchen k�nne; ihr fehlte alles. Gleichg�ltig gegen alle Welt ging sie ohne eine Vorsicht zu brauchen, nach dem Gespensterhause und �ffnete die T�re in der ihr bekannten Art. Keine Betrachtung �ber die Ver�nderlichkeit ihres Schicksals, st�rte sie; ganz entehrt f�hlte sie sich, seit der Erzherzog sie nicht mehr liebte, ohne Sicherheit und W�rde; sie wollte ihn vergessen und doch war es ihre Angst, wo er eben sein m�chte. Auch war es dieser Gedanke mehr als der Hunger, der sie Abends nach dem Schlosse zur�ckf�hrte, wo sie aber diesmal Adrians Zimmer verschlossen fand, weil er mit einigen Geistlichen darin disputierte. Als sie unbestimmt auf dem dunklen Gange des Schlosses stand, kam der Erzherzog und hielt sie in der schwachen Beleuchtung f�r den ehemaligen Knaben Adrians, den er sich durch kleine Geschenke lange zu eigen gemacht hatte, er rief ihm zu, eine Fackel zu nehmen und ihm nach dem Hause des Herren von Cornelius vorzuleuchten. Bella erf�llte eilig seinen Befehl, z�ndete eine Fackel und ging voran. Der Erzherzog war in heftiger Bewegung: ein geheimer Freund war aus Spanien mit der sichern Nachricht angekommen, sein Gro�vater k�nne nur wenige Tage noch mit dem ihn lange bedrohenden Tode k�mpfen; umsonst suche er dem Tode zu entfliehen, und ziehe aus einer Stadt in die andre, wie andre Kranke aus einem Bett in das andre. Carvajal, Zapara und Vargas h�tten ihm endlich die N�he seines Todes vorgestellt, und er h�tte sein Unrecht gegen Karl zu verbessern, statt Ferdinands den Kardinal Ximenez zum Reichsverweser ernannt, und die rechtm��ige Erbfolge Karls unangefochten gelassen. Der magnetische Kreis der nahen Herrschaft bewegte Karls herrschendes Gem�t so unruhig, wie ein Nordlicht die Magnetnadel; dabei war er so in sich versunken, da� er keinen Blick auf Bella warf, sondern ohne darauf weiter zu achten, dem Schein der Fackel nachlief und Bella befahl, vor dem Hause bis zu seiner Heimkehr zu warten.[530]

Die arme Bella! sie l�schte ihre Fackel wie ein guter Genius, der nicht mehr helfen kann. Der ernste Blick und Ton des Erzherzogs, hatte allen ihren Mut, ihn anzureden, niedergeschlagen; sie gab ihn ihrer Liebe verloren und war in sich still versunken, als sie das Geschrei einer Musikantenbande aus ihrer Schmerzenstiefe erweckte. Sie h�rte nichts von dem Liede, womit sie sich eine Gabe aus dem erleuchteten Hause zu erflehen suchten; die Erinnerung ihrer Retter aus den H�nden der Alten stieg in ihrem Herzen auf, zugleich die Erinnerung jener �berstandnen Angst; sie zagte f�r ihre Zukunft und wu�te doch nicht, was sie noch verlieren k�nnte. Es wohnt aber in den Menschen, die zu einer gro�en allgemein wirkenden �u�erung von hoher Hand vorbereitet, sie noch nicht erkennen, eine erhaltende Kraft, die ihnen im gew�hnlichen Kreise das Ansehen der Zaghaftigkeit geben kann; ihren gro�en Lauf ahndend, scheuen sie die hemmende Kraft des Schlechten und nur ein ganz erfassender Glaube kann ihnen in den Unbedeutendheiten des Lebens die Zuversicht und Dreistigkeit geben, die ihnen im Gro�en nie fehlt. Bella f�hlte ungeachtet ihrer Vernichtung, einen erhaltenden Wunsch in sich. Ihre H�lflosigkeit und was ihr im Gedr�nge der Menschen, die Nachts in der Hauptstadt umherschw�rmten, geschehen k�nnte, erschreckte sie; sie verkroch sich zwischen den S�ulen einer kleinen Kapelle der heiligen Mutter, die neben ihrem ehemaligen Hause ganz verlassen unerleuchtet stand. Diese Bande von Musikern, welche sich vor dem Hause h�ren lie�, unterschied sich aber gar herrlich von jenen rohen S�ngern auf der Kirmes. Es waren weder Bettler, noch Diebe sondern junge Leute aus allen St�nden, die sich Abends zusammenfanden mit ihren Lauten, und allerlei Lieder, so gut ein jeder sie wu�te, absangen. Was sie einnahmen, verjubelten sie entweder zusammen gegen Morgen, ehe sie von einander schieden, oder sie schenkten es den M�dchen, die sie mitzugehen beredet hatten. Diese S�nger waren in den St�dten so beliebt, da� die Eltern ihre Kinder Abends nicht ehe zu Bette bringen konnten, bis der Zug vor�bergegangen, und wenn auch die Knaben den Trommelschlag vorzogen und ihm nachliefen, der Abends den Torschlu� verk�ndigte, die kleinen M�dchen h�rten lieber die S�nger und folgten ihnen bis an die Stra�enecke. Mancherlei freche und traurige Lieder waren unbemerkt vor Bellas Ohren vor�bergegangen, als ein junger[531] fahrender Sch�ler sich vor der heiligen Mutter hinstellte, da� die hellerleuchteten Fenster des Hauses, sein trauriges Gesicht erleuchteten; dann sang er ein Lied, das damals allgemein gesungen wurde und in seinen Schicksalen vielleicht eine besondre R�hrung vorfand:


Die freie Nacht ist aufgegangen,

Unsichtbar wird ein Mensch dem andern,

So kann ich mit den Tr�nen prangen

Und hin zu Liebchens Fenster wandern.

Der W�chter rufet seine Stunden,

Der Kranke jammert seine Schmerzen

Die Liebe klaget ihre Wunden,

Und bei der Leiche schimmern Kerzen.

Die Liebste ist mir heut gestorben,

Wo sie dem Feinde sich verm�hlet,

Ich habe Lieb in Leid geborgen,

Ihr Tr�nen mir die Sterne z�hlet.

Wie herzhaft ist das Licht der Sterne,

Wie schmerzhaft ist das Licht der Fenster,

Ein dichter Nebel deckt die Ferne,

Und mich umspinnen die Gespenster.

Im Hause ist ein wildes Klingen,

Die Menschen mir so still ausweichen,

In Mitleid mich dann fern umringen:

So bin ich auch von eures Gleichen?

Mich hielt der Wald bei Tag verborgen

Die schwarze Nacht hat mich befreiet.

Mein Liebchen weckt ein sch�ner Morgen,

Der mich dem ew'gen Jammer weihet.

Wie oft hab ich hier froh gesessen,

Wenn alle Sterne im Erblassen,

Ach alle Welt hat mich vergessen,

Seit mich die Liebste hat verlassen:

Nichts wei� von mir die gr�ne Erde,

Nichts wei� von mir die lichte Sonne,

Der Mondenglanz ist mir Beschwerde,

Die Nacht ist meiner Tr�nen Bronne.[532]


Hier hielt er inne, schlug seinen Mantel �ber die Arme, zog eine kleine Laterne hervor, holte eine brennende Kerze heraus und stellte diese vor das Bild der heiligen Mutter; dann sang er in ver�ndertem Ton:


Nichts wei� von mir die liebe Mutter,

Nichts wei� von mir der gute Vater,

Doch z�nd ich ein Licht der heil'gen Mutter,

Doch glaub ich an einen himmlischen Vater.


Als das Licht den jungen Mann erhellte, da erinnerte sie sich, ihn mehrmals vor ihrem Hause erblickt zu haben, wenn sie zuf�llig nach der Stra�e gesehen. Nicht ohne Grund glaubte sie sich die Ursache seiner Trauer, weil er sie verm�hlt glaubte. Welche treue Liebe war ihr unbekannt geblieben, w�hrend der Liebling ihres Herzens, dem sie sich so ausschlie�lich hingegeben, sie in leichtsinniger T�uschung verlassen hatte. Sollte sie sich ihm, wie ein Almosen hingeben? Sie war sich nichts mehr wert! sie konnte ein frommes Leben mit ihrer Liebe retten. Schon wollte sie zu dem Betenden hinspringen und sich ihm zu erkennen geben und ihrem Hause und ihrem Volke entsagen, als der Mond an dem hohen pyramidalen Kirchturm, der vor ihr wie ein Schatten stand, wie das Licht eines Leuchtturms emporstieg, und sie dachte der Pyramiden �gyptens und ihres Volkes, und die Gedanken machten sie ihres Schicksals fast vergessen. Inzwischen trat ein Knabe, der mit einem Teller, worauf ein Licht geklebt war, im Kreise herumgegangen war, auch zu ihr; sie sah auf dem Teller au�er einigen Birnen und �pfeln, Gaben der Kinder, kleine Ersparnisse vom Abendbrot, nichts liegen. Sie f�hlte einen qu�lenden Durst und meinte, es werde ihr geboten, nahm einige Birnen und f�hrte sie zum Munde. Der Knabe sah sie verwundert an, dann sagte er ihr, sie m�chte bezahlen. Sie griff in Verlegenheit nach den Taschen und meinte darin Geld zu finden; es war aber nur ein abgerissener Knopf, den der vorige Knabe darin vergessen. Als sie ihn auf den Teller legte, lachte der Knabe, und rief die lustige Bande herbei. Da hie� es gleich, wenn er kein Geld zum Zahlen habe, m�sse er ein Lied zum besten geben. Bella verging fast in Angst; kein Lied wollte ihr einfallen, sie wurde gezogen und bedr�ngt. Endlich stie� sie an einen Stein und da sang sie im Schmerz:[533]


Wer sich an den Stein gesto�en,

Springt in die H�h

Mit Ach und Weh:

Wollet ihr das Tanzen nennen?

Wen die Liebe hat versto�en,

Singt in die H�h

Mit Ach und Weh:

Wollet ihr das Singen nennen?

O Schmerz wie soll ich dich singen,

Du bist mir zu schwer!

O Herz wem soll ich dich bringen,

Dich will keiner mehr;

Verlorn ist Lieb und Ehr.


Bella hatte diese Worte mit solcher Angst ihrer Kehle entpre�t, da� der traurige S�nger vom Gebete aufgestanden war, und ohne sie anzusehen, den Teller mit Fr�chten und Geld in ihr Barett sch�ttete, das sie sch�chtern halb vor ihr Gesicht wie ein Becken mit Weihwasser hielt, ihre Tr�nen waren hineingeflossen; h�tte er sie erkannt, er h�tte ihr mehr, er h�tte ihr alles gegeben, denn er war ihr eigen. Aber so sch�n ist eine fromme Neigung, da� sie selbst da wohl tut, wo ein h�heres Geschick ihr keine Erf�llung gestattet. Der arme Sch�ler f�hlte sich durch die kleine Wohltat, er wu�te nicht wie erleichtert. Seine Bescheidenheit erlaubte ihm nicht, dem er wohl getan, ins Auge zu sehn, darum zog er die Bande mit seinem sch�nen Gesange weiter, da� sie den armen Burschen, daf�r hielt er Bella, nicht weiter mit Anforderungen zum Singen �ngstigten.

Als Bella allein war, warf sie sich an die Stelle nieder, wo der arme Sch�ler im Staube geknieet hatte, wo er sein Licht und einen Blumenstrau� zur�ckgelassen. Die Blumen dufteten so angenehm zu ihr und die heilige Mutter sah so liebreich zu ihr herab, da� sie f�hlte, die S�nde ihres Volkes sei vergeben: �Heilige Mutter�, seufzte sie, �hast du verziehen unsre Missetat, nimmst du uns auf nachdem wir dich versto�en?� – Da glaubte sie die heilige Mutter nicke ihr freundlich zu, und ihr Herz schwamm in Andacht so selbst vergessen, da� sie den Schwarm der G�ste kaum wahrnahm, die um Mitternacht das Haus verlie�en.

Ein paar trunkene Edelknaben des Erzherzogs erz�hlten, da� sie den kleinen Cornelius, als er vom Mohnsafte eingeschlafen, unter[534] den Ofen gesteckt und ihn an den vier Ofenf��en mit Armen und Beinen schwebend angebunden; es sei schade, da� man noch nicht einheize, er w�rde sonst den Gesang der M�nner im feurigen Ofen sehr nat�rlich anstimmen k�nnen. So gingen sie vor�ber, ohne Bella zu bemerken, die sie ebenfalls nicht beobachtete, und endlich als das kleine Licht des Sch�lers erloschen war, gleichsam mit offenen sehenden Augen in eine andre Welt getragen wurde. Sie sah ein Kind in ihrem Scho�e, das dem Erzherzoge gleich, vor dem sich zahlreiche V�lker beugten; sie war ganz verloren in dem Anblick.

Aber mitten aus diesem Entz�cken, weckte sie die geliebte Stimme des Erzherzogs mit den Worten: �Wach auf Knabe, z�nde deine Fackel und leuchte mir vor!� – Sie taumelte auf und sah Golem Bella, die mit einem Lichte ihn bis vor die T�re begleitet hatte. Sie war in einen schwarzen Mantel geh�llt. Der Erzherzog, den die sinnliche Gewohnheit mehr ergriffen, den die h�heren Forderungen der Liebe in der Unruhe weniger gest�rt hatten, n�herte sich ihr und sprach: �Also morgen Abend bin ich wieder bei dir, und �bermorgen wieder, und so alle N�chte, ja auch die Tage, wenn ich erst ganz frei der Herrscher eines m�chtigen Volkes bin, das wie wir die Torheiten des Lebens in freudigem Genusse vergessen soll!� – �Vergi� nicht die Perlen, die du mir versprochen�, sagte Golem. Bella hatte jetzt an ihrem Lichte ihre Fackel entz�ndet. Ihr Barett lag noch mit den Fr�chten in der Kapelle und da ihre Knabenkleidung vom Mantel bedeckt war, so erschrak der Erzherzog, der sie ganz wie am Fr�hlichte in Buik wieder erkannte, fuhr mit seiner Hand gegen seine Stirne und rief: �Heiliger Gott es sind ihrer zwei!� – �Mu� ich dich wiedersehen du Vorgeschaffene Gottes, mu� ich an dir schaudern, da� ich nicht lebe�, schrie Golem und stach mit einer pfeilf�rmigen goldnen Haarnadel nach ihr. Der Erzherzog aber, dem alles im Augenblicke schrecklich klar wurde, was er sich bisher abgestritten hatte, hielt Golem Bella bei den Haaren zur�ck, deren Flechten niederfielen; er sah die Schrift auf der H�he der Stirn, das Aemaeth, l�schte die erste Silbe rasch aus, und im Augenblicke st�rzte sie in Erde zusammen. Der Mantel lag �ber der formlosen Masse, als ob eine Magd, die in der Stadtsandgrube sich Sand ausgegraben hat, weggerufen wird und ihren Mantel dar�ber legt, damit kein andrer ihr den Haufen wegnimmt.[535]

Aber weder der Erzherzog noch Bella hatten ein Verlangen nach diesem irdischen Schatze. Der Erzherzog hob Bella rasch auf, da� ihr die Fackel aus der Hand fiel, und trug sie in seinem Mantel nach dem nahen Brunnen, wo er des klaren Wassers reinigende Kraft �ber sein Antlitz und seine H�nde hingehen lie�, gleichsam um jede Spur dieser falschen Ber�hrung mit der Erde zu tilgen. Und als er sich in Unschuld gewaschen, k��te er die geliebten Lippen der echten Bella, bekannte ihr, wie diese Irrungen veranla�t worden w�ren, und bat sie, ihm ihr Geschick und was sie in diese Kleider gebracht, zu bekennen. Bella sah sich wieder in dem Besitze des verlornen Schatzes und doch atmete sie noch schwer und h�tte doch gern ganz froh und heiter sich angestellt. Es waren dieselben geliebten Z�ge, aber ohne den farbigen Fruchtstaub, den das Anfassen der neugierigen Welt so leicht von dem unschuldigen Leben hinwegwischt, was uns Weintrinkern, wie ein edles Fa� vorkommt, das mit einer geringeren Menge unedlen Gew�chses aufgef�llt worden: der Wein ist darum doch klar, edel, aber nicht mehr rein. Karl war heiter, aber er wollte es auch sein, um seine Verirrung auszutilgen, der er doch zuweilen nachg�hnte, und als ihm Bella ihre Geschichte erz�hlte, da wurde ihm das Ereignis mit dem alten Adrian so hervorstechend in seiner absichtlichen Laune, da� Bella ihm ihre uns�gliche Trauer und ihr Entsagen und ihren Wunsch nach �gypten nicht mitteilen konnte. Karl, den mitten in Liebkosungen die Freuden naher Herrschaft beunruhigten und erkalteten, beschlo� dem Adrian, den er zur Bewachung des Ximenez nach Spanien senden wollte, nach dieser feierlichen Bestallung einen lustigen Streich zu spielen, damit er das Ende seiner Hofmeisterschaft deutlich f�hle.

Es sollte n�mlich in dieser Nacht ein gro�er Staatsrat gehalten werden, worin Adrian pr�sidierte; am Schlusse desselben sollte Bella hereintreten und ihn verklagen, da� er sie verlasse und ein Gericht der Liebe �ber den Kardinal verlangen. Bella, die den Erzherzog so heiter sah, wollte gern an ihres Karls Seite ihre �berstandene Trauer vergessen, wenn sie gleich zu diesem Scherz allzu beklommen war; sie glaubte es aber ihre Schuldigkeit, alles Kr�nkende zu vergessen, insbesondre da der Erzherzog ihr versprochen, f�r sie und f�r ihr zerstreutes Volk nachher etwas Bedeutendes zu tun.[536]

Nach dieser Verabredung gingen sie still ins Schlo� zur Hintert�r ein. Der Erzherzog g�nnte Bella auf seinem Bette einige Ruhe, gab ihr Erfrischungen, und verlie� sie endlich recht ungern, um �ber die Schicksale der Welt zum erstenmal einen Rat zu h�ren und eine Tat auszuf�hren. Die Versammlung bestand aus Adrian, Chievres, Wilhelm von Croy, dessen Neffen, und Sauvage. Als der Erzherzog eintrat, bemerkte er, nicht ohne Regung seiner Eitelkeit, die verschiedne Art, wie sie ihn jetzt begr��ten. Jeder spekulierte in seinem Herzen, welche Vorteile ihm aus diesen nahen Ver�nderungen erwachsen m�chten. F�r sie war Ferdinand, der Gro�vater nicht blo� krank, sondern schon tot, begraben und vergessen; alle bem�hten sich den jungen Erzherzog, der ein blindes Vertrauen in ihren guten Willen setzte, gegen die Spanier einzunehmen, die nur ihre Rechte und ihren D�nkel nicht den Ruhm und die Macht ihrer K�nige zu f�rdern suchten. Der Erzherzog lie� sich leicht von etwas �berreden, was er immer geglaubt hatte; der fr�her von Chievres ersonnene Rat, den festen und treuen Adrian dem Ximenez an die Seite zu setzen, wurde angenommen, und Adrian sollte schon am n�chsten Morgen sich nach Spanien einschiffen, ohne die sichre Nachricht von dem wirklich erfolgten Tode des alten K�nigs abzuwarten.

Als dieses abgetan und alle sich entlassen glaubten, sagte Karl ernsthaft, da� er jetzt, wo er sein eigner Herr werde, ein Strafgericht �ber seinen gewesenen Hofmeister Adrian er�ffnen m�sse, insbesondre, ob derselbe seine geistlichen Gel�bde der Keuschheit gewissenhaft erf�llt habe. Alle sahen sich verwundert an, und Adrian, der einen solchen Ton im Erzherzoge nicht geh�rt hatte und seiner Unschuld sich bewu�t glaubte, verlor so g�nzlich sein kaltes Blut, da� er zornig ein geistliches Gericht verlangte, um sich der strengsten Pr�fung zu unterwerfen. – �Wir wollen nicht richten�, sagte Karl, �sondern nur die Zeugen verh�ren, denn diese k�nnte Uns die geistliche List entziehen!� – Bei diesen Worten gab er das verabredete Zeichen und Bella trat in der Livrei des Kardinals sch�chtern in die Versammlung. Der Kardinal wird im Augenblicke sichtbar rot; die �brigen wissen nicht, was der Knabe vorzubringen habe, bis der Erzherzog den Kardinal auf sein Gewissen fr�gt: Ob dieses sein Diener? Ob es ein Knabe? Ob er es gewu�t, da� es ein M�dchen? Ob dieses M�dchen nicht in seinem Bette[537] geschlafen? – Adrian hatte seine Fassung so ganz verloren, da� er kein Wort vorbringen konnte; keine von den vielen Spitzfindigkeiten, die er in seinem Leben durchdisputiert hatte, fiel ihm zu seinem Schutze ein. Er sagte endlich, da� er nichts antworten wolle, es sei eine Verschw�rung gegen ihn, seine Gutm�tigkeit werde hart bestraft. L�nger konnten weder der Erzherzog, noch Bella seine Verlegenheit ansehen. Der Erzherzog nahm Bella lachend in seinen Arm und rechtfertigte ihn vor der Versammlung, indem er sagte, da� er ihn angef�hrt habe, da� er ihm eine Geliebte zur Aufwartung gegeben, um sie sich selbst n�her zu r�cken. Adrian atmete wieder nach dieser Rede; die Versammlung r�hmte das fr�he Liebesgeschick des Erzherzogs. Chievres, der Karl gern zum Liebhaber seiner Frau gemacht h�tte, um ihn desto mehr in seine Gewalt zu bekommen, versicherte laut, er w�rde seine Frau nicht mehr mit ihm allein lassen. Der Erzherzog bat unterdessen Bella, da� sie zur Frau von Chievres, die im Schlosse wohnte, gehen und sich recht kostbar m�chte ankleiden lassen, dann sollte sie mit derselben in die Versammlung zur�ckkehren, noch habe er einige Akten f�r Adrians Abreise zu unterzeichnen.

Diese Ausfertigungen waren nur ein Vorwand, sich selbst eine Zeit der �berlegung zu verschaffen; streitige W�nsche teilten seine Seele: was er der Liebe, was er seinem Stande schuldig, ob er eine Herzogin von �gypten heiraten d�rfe, ob es nicht seinen Thron unsicher mache. Diese Beratung in ihm, war noch nicht beendigt, als Bella in einem prachtvollen silbernen Kleide, das mit roten Blumen bestreut zu sein schien, auf ihrem Haupte eine kleine goldne Krone, an der Seite der Frau von Chievres, ins Zimmer trat, und die Bewunderung aller, durch ihren sichern Anstand gewann, so da� Sauvage und Croy einander zufl�sterten, es m�sse wahrscheinlich eine F�rstin sein, die Karl heimlich zu heiraten beschlossen habe. Karl beugte sich vor ihr, f�hrte sie auf seinen hohen Stuhl und versuchte zu sprechen, aber die innere Bewegung machte es ihm unm�glich. Chievres bemerkte diese Unbestimmtheit, und glaubte, ihm einen Gefallen zu tun, wenn er ihm Zeit verschaffte, darum trat er zu ihm und erz�hlte, da� Adrian fortgegangen sei, weil ihm der Schreck �ber seinen gef�hrdeten Ruf auf seinen Magen gewirkt h�tte. Dieser l�cherliche Erfolg seines Mutwillens l�schte f�r einen Augenblick das tiefere Gef�hl Karls. Der Streit[538] schien ihm geschlichtet, er schien ihm unn�tz. Vielleicht wirkte auch die Ersch�pfung der t�tigen Nacht, als er zur Versammlung sagte: �Ich erkenne �ffentlich Isabella, die Tochter des Herzogs Michael von �gypten, – als einzige Erbin dieses Landes, als F�rstin aller Zigeuner in allen L�ndern diesseit und jenseit des Meeres, und gebe ihr die Freiheit, sie alle nach �gypten zur�ckzuschicken, insofern sie selbst nur Unsrer Liebe bleiben will.�

Bella, die von der Rede nur wenig vernommen hatte, weil sie sein herrliches Ansehen dabei, seine W�rde mit freundlichen Blicken bewacht hatte, fiel ihm nach deren Ende, um den Hals; das befreite Karl von aller Sorge, da� sie eine Heirat mit ihm fordern m�chte, und er k��te sie mit doppelter Z�rtlichkeit. Die Versammelten baten um den Handku� und Chievres, der gern den Neigungen seines Herrn zuvorkommen wollte, erflehete seiner Frau die Gunst, da� die Prinze� von �gypten k�nftig bei ihr wohnen sollte, bis ihr ein eigner Palast geschafft worden sei. Karl bewilligte aus Gnade, was er fr�her f�r eine Gnade der Frau von Chievres sich erbeten h�tte. Bella ging mit ihrer neuen Mutter nach der andern Seite des Schlosses, Karl sprach noch einige Worte mit den Versammelten. Es war schon sp�t am Morgen, als sie auseinander gingen. Die V�gel sangen ihr Lied und die politischen Menschen gingen zu Bette. Karl aber streckte sich auf eine Rasenbank im Schlo�garten, wo ihn Bella aus ihrem Zimmer ersah und nicht einschlafen mochte.

Schon war in dem Hause des Herrn von Cornelius die gr��te Verwirrung ausgebrochen; sein Toben unter dem Ofen, nachdem er den �rgsten Rausch ausgeschlafen hatte, rief alle Bewohner in den abenteuerlichsten Nachtkleidern zusammen. Alle waren mehr oder weniger betrunken gewesen, da� sich niemand um den Herrn bek�mmert hatte, sogar der B�rnh�uter, da� er diese Nacht vergessen nach seinem Schatze im Sarge zu sehen. Der Kleine, der schwebend angebunden hing, und unter sich die Fliesen sah, die ein Meer mit Schiffen darstellten, glaubte in seinem Halbrausche, er fliege �ber dem Meere und wollte sich damit sehen lassen. Als ihm aber die Bande gel�st wurden und er mit der Nase auf dieses Meer fiel, da glaubte er sich verloren. Diese Ideen verwirrten ihn immer fort, als er schon aufgehoben und gereinigt war. Endlich sah er alles ein und verlangte in sein Schlafzimmer; aber neue[539] Verwirrung entstand, als nichts von seiner Frau zu sehen war, als das verwirrte Bette. Das war allen ein R�tsel, selbst der alten Braka und der Magd, die recht gut wu�ten, da� nicht alles sei, wie es sein sollte. �Sie ist wegen ihrer Tugend gen Himmel gefahren, mein Six, das Fenster ist offen�, rief Braka, und das staunende Wurzelm�nnlein sah ihr an dem Fenster nach, ob nicht ein Paar Beine am Himmel zu sehen. Braka tr�stete sich mit dem Gedanken, da� der Erzherzog f�r ihr gutes Unterkommen gesorgt haben m�chte. Das Wurzelm�nnchen, dem eine Schwalbe etwas in den Mund fallen lassen, sprang in liebender Verzweifelung vom Fenster zur�ck, um in tausend l�cherlichen Spr�ngen wie unsinnig durchs ganze Haus zu laufen. Als er die T�re noch offen fand, tobte er gegen den B�rnh�uter; als er aber den Mantel der Geliebten und darin eine Masse ordin�ren Leimen fand, da wu�te er nicht warum, aber diese Erde gewann er so lieb, als sei es die Verlorne; er sammelte sie sorgf�ltig, trug sie in sein Zimmer, k��te sie unz�hligemal und suchte sie wieder in eine Gestalt zu formen, die der Verlornen �hnlich w�re. Die Besch�ftigung tr�stete ihn, w�hrend unz�hlige Boten von ihm den Auftrag erhielten, das Land zu durchsuchen, um von ihrem Aufenthalt, wenigstens von dem Wege, auf dem sie entflohen, Nachricht zu bringen. Aber keiner wu�te ihm eine Auskunft zu geben, bis endlich Braka, die sich alles Vorteils beraubt glaubte, der ihr aus der Liebe des Erzherzogs zur Golem Bella noch zuwachsen sollte, ihm die Nachricht brachte, Isabella, die F�rstin von �gypten, welche auf dem Schlosse angekommen und der zu Ehren alle Zigeuner Freiheit erhalten, sich �ffentlich wieder zu zeigen und ihr Brot zu erwerben, sei seine verlorne Frau. Der kleine Mann stand in Verwunderung wie erstarrt, dann g�rtete er sich mit seinem Schwerte und eilte nach dem Schlosse, um vom Erzherzoge hier�ber eine Auskunft zu fordern.

Der Erzherzog lie� ihn gern vor sich kommen, h�rte ihn an, sprach, da� er die F�rstin vor seinen Richterstuhl fordern wolle und versammelte deswegen mehrere Herren um sich her. Der Kleine war nicht wenig eitel, da� seinetwegen solch ein Aufsehen gemacht w�rde; er stand so ritterlich in den Schranken, machte so stolze Augen, da� er wie durch eine doppelte Brille sehend, Isabella kaum erkennen konnte, als sie in einem roten Samtkleide[540] mit Hermelin besetzt, Frau von Chievres in einem wei�en Damast, auf dessen vorderer Fl�che Adam und Eva unter dem Apfelbaume gewebt waren, in das Zimmer traten und die f�r sie bestimmten Pl�tze einnahmen. Der Erzherzog verlangte jetzt von dem Herren von Cornelius Nepos, da� er seine Klage vortrage. Dieser hatte nicht umsonst Stunden in der Rhetorik genommen, das wollte er allen zeigen und bew�hren; sehr pathetisch ergriff er die ehelichen Mitgef�hle der Versammelten, sprach von dem ersten Gl�cke der Verm�hlten und von der seligen sorglosen Ruhe, in welche es alles Streben aufl�se, um in dem Erstgebornen das Herrlichste darzustellen, was die ungeschw�chte Kraft in ungest�rter Leidenschaft hervorbringen k�nne, weswegen auch die Menschheit alles, was sie unteilbar erblich verliehe nicht dem zweifelhaft gr��eren Talente unter den Kindern eines Vaters �berlassen m�chte, sondern dem Erstgebornen, der in den allgemeinen Gesetzen der Natur das �bergewicht seines Lebens begr�ndet finde. Auch diesen seinen k�nftigen Erstgebornen, die Freude des Landes Hadeln, wolle ihm der Leichtsinn seiner entlaufenen Frau entziehen, nicht zu gedenken, wie diese jetzige Unruhe schon seinem ersten keimenden Leben nachteilig sein m�sse. – �Der Teufel hat aus dem kleinen Kerl gesprochen�, sagte Chievres leise, �mich r�hrt doch sonst so leicht nichts, aber er macht einem seine Not so plausibel.� – Der Kleine fuhr fort: �Wie soll ich aber mein Ungl�ck beschreiben, als ich in jener Nacht, wo das Gl�ck meines Lebens mir entf�hrt wurde, selbst in bangem Bette auf weitem Ozean segelte und an einem andern Bette Schiffbruch litt, – gewi� eine Vorbedeutung der Schicksale meines Ehebettes, – was mich dann aufweckte; worauf ich mich wie einen Adler mit ausgebreiteten Fl�geln �ber dem Meere zur Sonne schwebend erblickte, welches doch sicher die Herstellung meines Gl�ckes bezeichnet.�

�Ja, wahrhaftig�, fiel hier Frau von Braka ein, die als Zeugin gerufen worden, �es war doch ein schlechter Streich von den jungen Windbeuteln, die ihn unterm Ofen angebunden hatten, denn sehen Sie ihn nur an, es ist doch immer nur ein schwacher verbogener Mensch, wie leicht h�tte er sich einen Schaden tun k�nnen, da� ihm das Hinterste nach vorne umgedreht worden w�re.� – Diese gutm�tige Rede versetzte die Versammlung in ein allgemeines Gel�chter und der Kleine erboste, da� er seinen Degen[541] gegen sie zog, der ihm aber noch fr�hzeitig genug von einem Hellebardierer abgenommen wurde. Jetzt ward er in aller Form des Gerichts von Cenrio verh�rt, eben so Braka, bis sie eingestanden, da� sie unter einem angenommenen Namen in der Stadt gelebt. Von den Anforderungen an Bella, wollte aber keiner abgehen; sie baten den Priester kommen zu lassen, welcher die Verm�hlung eingesegnet h�tte. L�nger konnte sich Bella nicht halten; sie fragte sie mit Unwillen, ob sie es vergessen, wie sie von ihnen zum Hause hinausgetrieben worden, nachdem sie von ihnen in Buik den H�nden einer verruchten Kupplerin �berlassen geblieben; sie fragte, ob sie das an dem Kleinen verdient, als sie ihn aus einer unf�rmlichen Wurzel zu einem kleinen Menschen emporgetrieben?

Der Kleine und Braka gerieten in die gr��te Verlegenheit; Braka hatte indessen bald ihre �berlegung flott gemacht; sie setzte schnell zur Partei der Bella �ber und sagte: Was sie gesprochen, sei aus Furcht vor dem kleinen M�nnchen ihr in den Mund gekommen, sie m�sse jetzt eingestehen, da� irgend eine falsche Gestalt unter dem Namen Bella dem Alraun verm�hlt worden sei, die jetzt, sie w��te nicht wie, verschwunden sei; diese echte Bella m��te sie aber als F�rstin verehren, wie sie ihr seit fr�hern Jahren gedient habe. Dabei heulte sie wie eine Meute Hunde, die ihr Fressen erwarten, und warf sich vor Bella nieder.

Der kleine Wurzelmann tobte jetzt wie ein Rasender, warf seinen Handschuh hin und schwur, da� er mit jedem fechten wolle, der ihm seine Frau streitig machen, oder ihn f�r einen Alraun erkl�ren wollte. Chievres erkl�rte jetzt, da� erst dieser letzte Punkt berichtigt sein m�sse, ob er ein Mensch, um ihm ritterlichen Zweikampf einzur�umen, ferner ob er ebenb�rtig und christlicher Religion sei. Der Kleine behauptete, er habe einen Diener, B�rnh�uter genannt, der dies alles, was ihm hier abgestritten, bescheinigen w�rde, man m�chte nur erlauben, da� er den herbeiholte. Dies wurde ihm bewilligt.

In der Zwischenzeit kam durch Brakas Geschw�tzigkeit an den Tag, wie der Alraun alle verborgnen Sch�tze zu heben wisse, und aller Orten dergleichen angetroffen habe. Chievres horchte hoch auf, und sagte zum Erzherzoge: �Gott segnet Ihre Hoheit mit einem Finanzminister, in der kleinen Person dieses Alrauns, der Ihre k�nftige Gr��e fest begr�nden kann; unabh�ngig von den Launen der[542] St�nde schafft er Eurer Hoheit, k�nftig die Mittel jede T�tigkeit f�r sich zu benutzen. Er wird die Seele des Staates; sein Genie wird g�ttliche Rechte und menschliche W�nsche, die ewig einander widersprechen, ausgleichen k�nnen. Lange lebe der Erzherzog und sein Reichsalraun!� – Dem Erzherzoge wurde in diesem Augenblick die k�nftige Klugheit, die ihn in allen Verh�ltnissen leitete, vorahndend; er nickte Chievres wohlgef�llig zu, und sann darauf, wie er das kleine n�tzliche Wesen sich verbinden k�nne. Chievres stieg in seiner Gnade und in seinem Zutrauen durch die unersch�pfliche Erfindungskraft seiner Klugheit.

Der Erzherzog begr��te diesmal den Kleinen sehr freundlich, als et mit dem B�rnh�uter hereintrat, der die zur�ckgelassenen Kleider und das angefangene Bild der Golem Bella trug. Der Kleine hatte dem armen Kerl den ganzen Rest des Schatzes auf einmal zu geben versprochen, insofern er ein recht kr�ftiges Zeugnis ablegte, da� es nur eine Bella gebe, da� diese ohne alle Veranlassung nach ihrer Verheiratung aus dem Hause entwichen und eine Masse Leimen, von ihren Kleidern und ihrem Mantel umh�llt, zur�ckgelassen habe; zugleich solle er beschw�ren, da� er des Alrauns Eltern gekannt, die im Lande Hadeln als gute Christen und alter Adel bekannt gewesen. Der alte tote geizige B�rnh�uter hatte ihm das alles versprochen; er trat vor und begann die verabredete L�gengeschichte. Wie aber Braka oder Bella ihn zur Rede setzten, so antwortete der neuangefressene Teil seines Leibes, gleichsam die verbesserte Ausgabe seiner Natur ganz entgegengesetzt mit einer helleren Stimme: �Mensch – Nichtmensch, Bella verheiratet – Bella aus dem Haus gejagt�, durchkreuzte sich so gewaltig, da� sein Zeugnis, nachdem die Richter mehrere Bogen beschrieben, in Null aufging. Der kleine Mann wurde fast unsinnig aus Ungeduld; entri� dem armen ganz in sich zerrissenen B�rnh�uter die Kleider und das Lehmbild, jagte ihn mit Fu�tritten zur T�r hinaus, und schwur ihm, da� er den Schatz jetzt statt ihn auszuliefern in alle Welt als Almosen zerstreuen wolle; da� der B�rnh�uter umsonst bis zum J�ngsten Tage von einem Herren zum andern sich verdingen solle, um ihn zusammenzubringen; da� er umsonst f�r einen alten Taler einen Herren dem andern verraten werde; umsonst im Kriege von einem zum andern �bergehe, um das Werbegeld zu stehlen; seine bessere frische Natur werde das sch�ndlich gewonnene Geld zur gro�en[543] Qual seines alten Leibes verschenken und verschleudern, und so werde er am J�ngsten Tage, noch so arm, abgerissen und trostlos, wie im gegenw�rtigen Augenblicke erscheinen.1 Nachdem der Kleine diesen Fluch ausgesprochen, wendete er sich in trostlosem �rger zu der Lehmfigur. Chievres fragte ihn, wen diese Gestalt bezeichne, Der Kleine wies auf Bella und weinte bitterlich; wer h�tte aber in der langen Gurke, welche die Mitte des breiten Erdenklo�es bezeichnete, die feine zierlich geschwungene Nase der sch�nen Bella erkannt. Seiner Art Liebe gen�gte aber vorl�ufig dieses Bild; es war zum Erstaunen, wie z�rtlich er den, von seinen Tr�nen angefeuchteten Ton ber�hrte. Der arme Prometheus! Oft sah er Bella so grimmig an, da� der Erzherzog f�rchtete, er m�chte ihr das Feuer ihrer Augen ausstechen, um es seinem Erdenklo�e einzupfropfen. Dann f�rchtete wieder der Erzherzog, er m�chte mit seinen H�nden in dem Ton einwurzeln und seine geldbringende Weisheit in der R�ckkehr zur Wurzelnatur aufgeben. Er und Bella hatten l�ngst erraten, da� dies der irdische Rest des Golems sei und ihnen graute davor.2

Bella lachte nicht des Bem�hens im Kleinen, dies Bild ihr �hnlich zu schaffen. Die gutm�tige Bella f�hlte Mitleiden; sie bat diese �ffentliche Versammlung zu endigen, denn sie m�sse sich endlich[544] doch sein Ungl�ck wieder selbst vorwerfen, denn ihr Vorwitz habe ihn aus dem ruhigen Scho� der Erde gerufen. �Der Kuckuck mag's da ruhig gewesen sein�, sagte der Kleine, indem er sich aus Widerspruchsgeist verschnappte, �die Maulw�rfe, die Reitw�rmer, die Ameisen haben mich da noch viel �rger geschoren, als ihr alle zusammen.� – Chievres sagte, da� diese Anerkennung hinreiche, und verlie� mit den �brigen Herren von Hofe das Zimmer. Der Erzherzog klopfte nun dem Kleinen auf die Schulter und sagte ihm: Er m�chte jetzt an den Unterschied, welchen die Geburt, die ihn aus einer Wurzel, Bella aus einem F�rstenstamme hervorgehen lassen, mit ernstem Gem�te denken; eigentlich der Mann von Bella zu sein, w�re ihm nun unm�glich, denn wie in der Bibel st�nde: �und der Mann soll dein Herr sein�, so w�rde das Volk, das ihr gehorchte, ihn nie an ihrer Seite dulden; was aber m�glich w�re und schon viel wert, er sollte ihr an der linken Hand angetraut werden, und mit ihr in einem Hause unter dem Titel ihres Feldmarschalls wohnen, doch von Tisch und Bett geschieden sein; nur m��te er geloben, um sich dieser Auszeichnung w�rdig zu machen, mit unerm�dlichem Flei�e alle verborgnen Sch�tze aufzusuchen, und ihm, als dem Sch�tzer des k�nftigen Zigeunerreichs, zu �berliefern. Der Kleine besann sich, endlich rief er: �Bravo, so ist's mir ganz recht, und ich m�chte Eurer Hoheit um den Hals fallen, wenn Sie nicht so gro� w�ren. Habe ich mein eignes Schlafzimmer, so werde ich ruhig liegen; ich wei� so nicht, wozu das Schlafen soll. Meine verlorene Frau, wenn es diese nicht ist, lie� mir keine Ruhe, und hat mir ein Paar ganz neue Augen gekostet, die ich noch im Nacken sitzen hatte und mit denen ich voraussehen konnte, wenn ich sie vorzubringen vermochte. Das Zusammenessen hat mir auch bei meiner vorigen Frau, wenn es diese nicht ist, niemals sonderlich behagt, ich mochte schreien, so viel ich wollte, sie nahm die besten St�cke, und wenn ich nicht ruhig sein wollte, schlug sie mir mit den hei�en Knochen, item mit dem Suppenl�ffel ins Gesicht.�

Als Bella sich dem Vorschlage ebenfalls gef�gt hatte, so schickte der Erzherzog zu demselben Pfarrer, der den Alraun schon einmal getraut hatte, und lie� drohen, ihn bei Wasser und Brot wegen der heimlich vollzogenen Einsegnung, gefangen zu setzen, wenn er eine zweite feierliche Einsegnung zu verrichten sich weigerte. Die arme Seele war zu allem bereit, und Abends in einer Versammlung[545] von wenigen Vertrauten des Erzherzogs, wurde die Verm�hlung an der linken Hand gefeiert, welche sowohl die untergeordneten Seelen, wie Braka, Cornelius Nepos und den geizigen Pfarrer, als auch die H�upter unsrer Geschichte, den Erzherzog und Bella mit einander in ein ruhig begr�ndetes Verh�ltnis zu setzen versprach. Doch Bella weinte w�hrend der Verm�hlungsfeier so heftig, so unwillk�rlich, da� sie keine Einwilligung geben konnte; umsonst fragte Karl z�rtlich nach der Ursache ihrer Tr�nen, aber sie wu�te keine, als da� ihr eine kleine Katze eingefallen, die sie einmal des Alrauns wegen ers�uft hatte: diese S�nde h�tte sie vergessen zu beichten. Da sie keine Einwendung gegen diese Hochzeitzeremonien machte, so wurde die Hochzeit als beendigt angesehen, und der Kleine bezeigte noch an dem Abend seine Dankbarkeit gegen den Erzherzog, indem er aus einer zugemauerten Nische des Schlosses einen Schatz an M�nzen und goldnen Ketten befreite, der �ber zweihundert Jahre darin geruht hatte.

Der Erzherzog, als er am Abende mit Bella allein war, f�hlte sich ganz unerwartet durch die Erinnerung an die Golem Bella, wie sie in Erde zerfallen, so gest�rt und Bella konnte die alte ganz hingebende Vertraulichkeit so wenig in sich finden, da� beide froh waren, ihre Betten einander nicht so nahe wie in Buik gestellt zu sehen. Der Erzherzog versank in einen sch�nen Traum: es war ihm, als s�he er mit den prachtvollen Goldketten, die ihm der Alraun gefunden, die spanischen Gro�en, die selbst vor dem K�nige mit bedecktem Haupte zu erscheinen wagten, zur Erde gedr�ckt; es war ihm, als k�nnte er viele tausend Soldaten mit diesen Ketten ziehen und �berall, wohin er mit ihnen zog, wurde ihm gehuldigt. Sein Nebenbuhler unterdessen, der doch aus einer Regung seines Bluts nicht schlafen konnte, f�hlte sich wieder zu dem Leimen, der jetzt seines Wurzelherzens einziger Schatz geworden war, zur�ckgetrieben, und in der Begeisterung �ber sein Gl�ck gelang es ihm diesmal besser; alles bildete sich unter seinen H�nden so �hnlich, da� er entz�ckt den Besitz dieses selbstgeschaffnen Weibes, jedem von Gott geschaffenen vorzog, das sich unm�glich den wunderlichen Gedanken eines solchen am Sonntage Quasimodogeniti Gebornen f�gen konnte. Bella aber geno� wohl in dieser Nacht des h�chsten Gl�ckes von allen, als ein wunderbarer Klang, sie in der Mitternachtsstunde ans Fenster rief. Sie h�rte die Sprache ihres Volkes,[546] dessen zerstreute F�hrer, nachdem der Erzherzog ihnen eine Freiheit des Aufenthalts in den Niederlanden gew�hrt hatte, zu der anerkannten F�rstin ihres Volkes geeilt waren, sie mit einem Gesange n�chtlich zu begr��en, ihr Treue und Liebe bis in den Tod zu schw�ren. Wir wollen es versuchen, diese herzliche Begr��ung in einer �bersetzung wiederzugeben, nachdem wir vorher noch �ber die Einrichtung ihres Tanzes gesprochen haben. Sie hatten ihre H�nde und Kleider mit einer Phosphoraufl�sung getr�nkt, die in jener Zeit nur ihnen bekannt war; sie leuchteten in Dampfwolken, und wo sie einander ber�hrten oder an einander strichen, wurde dies, Leuchten zu einem hellen Glanze, der einige Zeit nachw�hrte und w�hrend dessen der Gesang einfiel:


Geb��t sind alle S�nden!

Wir steigen aus den Flammen,

Und werden uns zusammen,

Bei unsrer F�rstin finden;

Wir wecken die Sch�ne,

Mit leisem Get�ne,

Es klinget die Krone

Vom Zepter ber�hret,

Der endlos regieret

Vom Vater zum Sohne,

Im Herrschergeschlechte

Nach g�ttlichem Rechte.


Es f�llt des Herbstes Odem

Das Aug mit hei�en Tr�nen,

Das Herz mit heil'gem Sehnen

Nach unsres Landes Boden.

Jetzt sinken die Wogen,

Die alles umzogen;


Die schaffende Stunde

Durchspielet die Felder,

Und bl�hende W�lder

Entsteigen dem Grunde,

Und zahllose Kinder

Besingen den Winter.


Komm Bella, f�hr die Deinen,

Wir schw�ren dir die Treue,[547]

Komm eil mit uns ins Freie,

Vom Schlo� aus toten Steinen;

Wie schwarz sind die Mauern,

Da wohnet das Trauern,

Wie klirren die Waffen

Der lauernden Wachen;

Wie freundlich wird lachen

Des Morgens Erschaffen,

Wir folgen im Zuge

Den V�geln im Fluge.


Wohl geh�rte auch Bella zu einem Geschlechte der Zugv�gel, die trotz aller z�rtlichen Pflege und Liebe durch den Menschen, wenn sie die Stimme ihrer Br�der aus den L�ften vernehmen, nicht widerstehen k�nnen. Gibt es doch arme V�lker am Eispol, denen die Freuden und Erfindungen unserer Zone kein Gefallen abgewinnen, und die beim Anblicke eines Schwanes sich ins Wasser st�rzen und mit ihm nach ihrer Heimat zu schwimmen w�hnen; wie viel m�chtiger wirkt die eigent�mlich �berlegene Natur in dem stolzen Herrschersinne nach, aus welchem Bella hervorgegangen. Sie war doch in Europa wie die fremde Blume, die sich n�chtlich nur erschlie�t, weil dann in ihrer Heimat der Tag aufgeht. Ihre Sehnsucht, ihre Wehmut �berstr�mten sie grenzenlos, sie konnte nicht bleiben und wu�te doch nicht warum; sie liebte den Erzherzog, wie sie ihn jemals geliebt, aber sie f�hlte, seit er eine andre wie sie geliebt, da� sie seine erste Liebe mit sich tr�ge in die Ferne, und erst jetzt gestand sie sich, da� diese scheinbare Verm�hlung, so wenig dabei die Reinheit ihrer Sitte leiden konnte, sie tief gekr�nkt habe, weil ihr Karls Gesinnung sich nicht heilig und ewiglich, wie ihr f�rstlicher Sinn gemeint, mit ihr zu verm�hlen, deutlich daraus hervorgegangen sei. Was galt ihr seine Klugheit, wie er den Reichtum sich verbinden und benutzen wollte; sie kannte nur die Herrlichkeit der Armut, die alles besitzt, weil sie alles verschm�hen kann: sie kannte nur ihr Volk, das jede Bezahlung von ihren Herrschern verschm�hte und jede Tat f�r sie als sch�nsten Gewinn achtete. Sie nahete sich im innern Kampfe dem Bette des Erzherzogs, sie k��te ihn; w�re er erwacht, sie h�tte nicht von ihm lassen k�nnen; aber er stie� sie im Schlaf von sich: ihm tr�umte, als ob die goldne Kette, worin er die V�lker f�hrte, ihm selbst, der sie hielt, immer enger[548] sich um den Fu� wickelte, da� er dadurch zu fallen f�rchtete; darum stie� er sie von sich. Sie aber f�hlte das im bewegten Gem�te anders und sprang leicht aufs Fenster und zu den Ihren herab, ohne zu denken, ob ihr Sprung hoch oder nieder; aber das Gl�ck ihres Volkes wollte sie unverletzt erhalten. Ihre Zimmer waren im ersten Gescho� und der fahrende Sch�ler, den seine Liebe und Traurigkeit, nachdem er sie im Schlosse erkannt, des Nachts unter ihr Fenster getrieben, fing sie in seinen Armen auf. Die Zigeuner erkannten sie, setzten ihr die Krone auf, gaben den Zepter ihr in die Hand und zogen, ohne da� die Wachen etwas bemerkt hatten, stillschweigend mit ihr und dem fahrenden Sch�ler, da� er sie nicht verraten konnte, vors Tor, wo sie auf leichten Pferden, auf verborgenen Pfaden aller Nachforschung entgingen.

Als der Erzherzog aus dem b�nglichen Schlusse seines Herrschertraumes zum Lichte aufwachte, das allen Tr�umen mit den kecken Worten entgegenzutreten scheint: �Ihr seid nicht wahr, denn ihr besteht nicht vor mir!� da meinte auch er, alles Traurige, was ihn bedroht, sei ein Hirngespinst gewesen. Wer spinnt aber im Innern unsres Hirnes; Der die Sterne im Gew�lbe des Himmels in Gleichheit und Abwechselung bewegt! Der Schatz des Erzherzogs lag unversehrt vor dem Bette, er spielte leise damit, um Bella nicht zu erwecken. Aber der gesch�ftige Drang des Tages nahte immer tosender auf allen Stra�en, und Bella erwachte immer noch nicht; er rief, er sah nach ihrem Bette, aber er fand sie nicht. Er durchlief �ngstlich das Haus; aber Bella war nicht zu errufen. �Pfl�ckt sie mir einen Blumenstrau�, unsern Morgen zu schm�cken? Ist sie in der Fr�hmesse, und dankt Gott f�r ihr Geschick?� – Beides widerlegte die n�chste Stunde, und der Erzherzog befragte ohne Erfolg die Wachen; lie� Braka vergebens rufen. Die alte Braka weinte ernstlich um die sch�ne Bella, alle sch�ne Aussichten schwanden ihr. Wie aber Weiber im Ungl�cke sind, der vornehme Stand h�lt die Zunge ihres Unwillens nicht zur�ck, ihr Kopf f�llt sich so ganz mit einem Gef�hle, da� sie jeder R�cksicht vergessen: statt den zornigen ungeduldigen Erzherzog zu f�rchten, machte sie ihm die bittersten Vorw�rfe, da� seine Grausamkeit, Bella mit dem Kleinen zu verheiraten, sie zur Flucht veranla�t h�tte. Der Erzherzog schwieg besch�mt, er f�hlte, da� sie recht hatte, da� seine t�richte Klugheit ihm das K�stlichste entrissen, was sein ganzes Leben ausgestattet[549] h�tte; er f�hlte sich so ver�chtlich vor den Augen der Alten, als der kleine Alraun nimmer vor seinen Augen gestanden. Er befahl Braka sich zu entfernen und gebot ihr nachher ein Gnadengehalt anzunehmen, und es in der N�he seines Hofes zu verzehren, damit er jemand h�tte, mit dem er von seiner Bella reden k�nnte. Seine unz�hligen Boten, die Deutschland durchstreiften, kamen ohne Nachricht zur�ck; sein Gro�vater Maximilian, der etwas von seiner Leidenschaft vernommen, hatte sie aller Orten abweisen lassen. Erst sehr sp�t, nachdem Isabella mit den Ihren l�ngst weitergegangen, erfuhr er, da� sie im B�hmerwalde von einem Prinzen entbunden worden, der in der Taufe den Namen Lrak (der umgekehrte Name des Vaters Karl) erhalten h�tte, und da� der fahrende Sch�ler, der mit den Zigeunern entwichen, durch Bellas Gunst, unter dem Namen Sleipner, einer ihrer Anf�hrer geworden sei.

Das Warten auf diese Nachrichten, war die Ursache seines unbegreiflichen Z�gerns, ehe er aus den Niederlanden nach Spanien ging, wo sein Gro�vater inzwischen gestorben war und die gewaltsame Klugheit des Ximenez, ohne seine Gegenwart, leicht b�rgerliche Kriege veranlassen konnte. Als er diese Kunde von Isabellen erhalten, w�re er ihr gern nachgezogen, aber wo sollte er sie treffen? wie sollte er den Jugendtr�umen seiner Herrscherlust entsagen? Doch ward ihm die Krone, die er bis dahin blo� als Schmuck angesehen, zu einem dr�ckenden Gewichte und die Feierlichkeiten, die ihm bis dahin die Zierde der Tage geschienen, zu einer verlornen Zeit, wie das Stundenschlagen, das mit seinem Klange die ruhige Folge sehnender Gedanken unterbricht. Irren wir nicht so l��t sich manche seiner Launen, an denen seine wichtigsten Unternehmungen scheiterten, aus diesem ersten Mi�griffe seiner Klugheit erkl�ren: diese Gleichg�ltigkeit, womit er das Regierungswesen zuerst behandelte, wie er Chievres und die Seinen in der ver�chtlichsten Bestechlichkeit Spanien verderben lie�; die Sinnlichkeit, in der er sich oft zu vergessen suchte, und worin er die St�rke seines Leibes fr�her ersch�pfte; alles Unbefriedigte und Unbefriedigende in seinem Leben. Er bedurfte der Zeit, gro�er Ereignisse, wie die Eroberung von Neuspanien und seine Ernennung zum Kaiser, und einen unerm�dlichen Gegner, um nicht fr�her in einen �berdru� gegen alle Regierungsgesch�fte zu versinken;[550] endlich bedurfte er auch des Alrauns, um seine �bereilende T�tigkeit, in Wirkung zu setzen.

Was wurde aus diesem Nebenbuhler seiner Liebe? Der Kleine hatte nach allen Kr�ften seiner nun doppelt verlornen Gattin nachgeforscht, aber vergebens; doch fand er fr�her als Karl eine Beruhigung, indem er mit rastloser T�tigkeit an der Beendigung des Bildes der sch�nen Bella arbeitete. In seiner unruhigen Betr�bnis kam Karl eines Morgens auf sein Zimmer, begr��te das �hnliche Bild mit einem Schrei der Verwunderung, und trug es ohne der Bitten und Drohungen des Kleinen zu achten, auf sein Zimmer. W�hrend er es da mit Blumen bekr�nzte und knieend es begr��te, vernahmen die Bewohner des Schlosses ein unertr�gliches L�rmen im Zimmer des Kleinen; mit Fluchen des Kleinen hatte es angefangen, bald waren immer mehr Stimmen darin geh�rt worden. Als die Wachen das Zimmer erbrachen, geschah ein heftiger Schlag, das Zimmer roch nach Schwefel, der kleine Wurzelmann lag zerrissen und ohne Bewegung auf dem Boden. Als er heimlich begraben, glaubte sich Karl von ihm befreit, die Menschen glaubten ihn g�nzlich zerst�rt, er aber war in seiner Wut d�monisiert und der Kaiser wu�te bald, da� er, ohne eine gro�e Bu�e, von seiner �berl�stigen Gegenwart nicht wieder los und ledig werden konnte.

Umsonst wechselte er Wohnort und Kleider, umsonst versuchte er sogar den afrikanischen Himmel; wenn er ihn auf immer gebannt glaubte und es bewegte irgend ein b�ser Wunsch sein Gem�t, gleich war der Alraun ihm nahe, bald in der Gestalt eines Heimchens; das hinter dem Ofen ihm zurief, wo er Geld und Gelegenheit dazu finden k�nnte, bald als eine Spinne, die von der Decke des Zimmers sich auf seine Schreibereien herablie�, bald als eine Kr�te, die ihm im Gartengange entgegentrat, oft schnurrte er ihn auch an, als ein fliegender K�fer, Abends und Nachts schrie er wie ein wilder Vogel. Karl horchte und gehorchte nur zu oft dieser Stimme, wehe uns Nachkommen seiner Zeit. War ihm vieles durch diesen geldbringenden Geist m�glich, so mu�te er dagegen fr�her seine Herrscherbahn schlie�en, um in heiligem Leben, in Bu�e und Gebet, jeden b�sen Wunsch zu bannen.

Zu Gent, von den Erinnerungen seiner ersten Liebe und ihres Untergangs abget�tet, beschlo� er seinen eignen Sonnenuntergang zu feiern: Hier entlie� er seinen Sohn Philipp mit vielen Tr�nen,[551] auch von den Gesandten nahm er Abschied und lebte bis zu seiner Abfahrt nach Spanien in der tiefsten Einsamkeit eines gesonderten Lebens. An seinem Geburtstage nahm er Besitz von dem f�r ihn eingerichteten Hieronymitenkloster St. Just in Spanien: er dachte, da� dieser Tag den Alraun auch auf die Welt gesetzt, der seine irdische Bahn verletzt hatte, und sprach, da� er an eben dem Tage, da er auf Erden sei geboren worden, auch dem Himmel wolle wieder geboren sein. Sein ernstes Gebet ist ihm erf�llt worden, seine blutige Gei�el, die nach seinem Tode als ein Heiligtum bewahrt worden, bezeugt, wie schwer es ihm geworden, sich den gewohnten Lieblingsgedanken zu entschlagen; wir aber, deren Voreltern durch sein politisches Glaubenswesen, so viel erlitten, die vom Alraun schn�der Geldlust fort und fort gereizt und gequ�lt worden, und endlich selbst noch an der Trennung Deutschlands untergingen, welche er aus Mangel frommer Einheit und Begeisterung, indem er sie hindern wollte, hervorbrachte, wir f�hlen uns durch das erz�hlte Mi�geschick seiner ersten Liebe, durch diese Reue mit seiner Natur vers�hnt, und sehen ein, da� nur ein Heiliger auf dem Throne jene Zeit h�tte bestehen k�nnen.

So f�hlte er sich selbst auch gerechtfertigt, als er, um sein Herz zu pr�fen, ob er bereit sei, zu dem gro�en �bergange, der selbst dem abgelebten Alter �berraschend ist, mag es sich durch Betrachtung vorgew�hnen, oder in erk�nstelte T�tigkeit ihn �bersehen wollen, sich ein pr�chtiges Grabmal in der Klosterkirche nach eigenem Plane bauen lie�, das in kunstreichen Galerien, welche mit den Bildnissen seiner Vorg�nger bedeckt, zur Spitze anlief, wohin sein eigener Sarg gestellt werden sollte. Er f�hlte sich gerechtfertigt, als er sich nun lebend in diesen Sarg legte, von Trauergesang, Glockengel�ut und schwarzen Kerzen begleitet, sich einsam hinaufstellen lie� und durch die irdisch geschlossene Decke der Kirche Isabella erblickte, wie sie ihm tr�stend und liebend an den Gefilden der ewigen Gedanken begegnete, wo die Irrt�mer des Menschen mit der Last seines Leibes in Staub zerfallen. Sie winkte ihm und er folgte ihr bald und sah ein helles Morgenlicht, worin Isabella ihm den Weg zum Himmel zeigte, und fragte die Anwesenden, ob es schon so hoch am Tage sei? Der Erzbischof sagte aber, es sei Nacht. Da befahl er seinen Geist in Gottes H�nde und starb.

Befragen wir unser Herz, wie wir sterben m�chten: sicher wie[552] Karl, die Geliebte unsrer Jugend, als einen heiligen Engel zwischen uns und der Sonne, von der wir scheiden, weil sie uns blendet; gleichsam wie einen farbigen Vorhang, da� selbst die Schatten der blumenpfl�ckenden und nichts fassenden H�nde gef�rbt erscheinen. Jenes Leichenbeg�ngnis Karls mu� uns nicht wie eine wunderliche Schauspielerei erschrecken. Derselbe Gedanke, der bei dem Beherrscher einer Welt zur Tat wurde, bewegt viele Gem�ter, die ein ernstes Leben gef�hrt haben; aber er bleibt Gedanke und verwandelt sich sonst h�ufig in eine Sorgsamkeit in der Anordnung des wirklichen Leichenbeg�ngnisses, worin sich selten Eitelkeit, h�ufiger der Wunsch �u�erte, ein Leben, das nach gewissen festen Grunds�tzen gef�hrt, in derselben Gesinnung zu schlie�en. Unsre eitle Zeit verachtet jede Leichenfeier, bei unsern frommen Voreltern war oft ein anst�ndiges Leichentuch einzige Mitgabe der Braut und ein prachtvoller Sarg schlo� ein bescheidnes Leben. Wer wagt das Sonderbarkeit zu schelten? Es war Neben�u�erung jener Einheit, die uns in aller ihrer Geschichte anspricht, aber noch lebendiger in den Denkmalen ihrer vielhundertj�hrigen Andacht, die in den Kirchengeb�uden alter deutscher Zeit vor uns steht. Welche Einheit und Ausgleichung aller Verh�ltnisse, wie fest begr�ndet alles an der Erde und doch alles dem Himmel eigen, zum Himmel f�hrend, an seiner Grenze am herrlichsten und prachtvollsten geschlossen. Zum Himmel richtet die Kirche, wie betende H�nde unz�hlige Bl�tenknospen und Reihen erhabener Bilder empor, alle zu dem Kreuze hinauf, das die Spitze des Baues, als Schlu� des g�ttlichen Lebens auf Erden bezeichnet, das als die h�chste Pracht der Erde, die sich dadurch zu unendlichen Taten begeistert f�hlt einzig mit dem Golde gl�nzt, womit kein andres Bild oder Zeichen neben ihm in der ganzen heiligen Geschichte, die der Bau darstellt, sich zu schm�cken wagt.

Nicht nur �ber Kaiser Karls Leichenbeg�ngnis, auch �ber sein Leben hat die Nachwelt ein langwieriges Totengericht gehalten, aber nur die Mitlebenden k�nnen einen Herrscher am Ende seiner Laufbahn w�rdigen, und wie lehrreich scheinen darin die Totengerichte der alten �gypter, sie geh�ren aber nicht in unsre europ�ische Welt. Noch jetzt finden wir sie in Abyssinien, noch jetzt werden die Nachkommen unsrer Isabella auf dem Throne den Tag, nach ihrem Tode in dem Eingange der Pyramide, die ihnen[553] als Grabst�tte dient, �ffentlich ausgestellt, und jeder ist verpflichtet auszusagen, was er �ber den Verstorbenen denkt. Auch �ber Isabella hat dieses Totengericht gesprochen; noch jetzt sprechen die Abyssinier von diesem Totengerichte, das sie bei ihrem Leben noch �ber sich halten und aufzeichnen lie�; sie zeigen noch jetzt ihr Bild bei den Quellen des Nils, wie sie da alle in einem Siebe vereinigt, durch das sie als unz�hlige Quellen zur Erde laufen, zum Zeichen, wie sie zwar die getrennten V�lkerst�mme der Abyssinier oder Zigeuner vereinigte, aber nicht hindern konnte, da� sie durch innern Streit auseinander liefen. Wir danken diese Nachrichten dem ber�hmten Reisenden Taurinius, dessen eigene Worte wir hier mitteilen wollen: �Isabella, die ber�hmte K�nigin, berief ihren Sohn Lrak, den sie von Karl nach der Voraussagung Adrians empfangen, ihren Feldherrn Sleipner, der als ein armer fahrender Sch�ler aus Gent mit ihr fortgezogen war, ferner alle Ehrenm�nner und Vorsteher des Volks, nach dem Eingange der gro�en Pyramide an den Quellen des Nils, welche sie sich zum Grabmal erbaut hatte. Es war am 20. August 1558, an demselben Tage, wo ihr geliebter Karl sein Leichenbeg�ngnis bei lebendem K�rper, mit offenen Augen feierte, gleichsam in einer heimlichen Ahndung, als wollte sie mit einem gleichen ernsten Vorbilde vom Leben scheiden. Sie erkl�rte dort, indem sie von allen freundlichen Abschied nahm und den trostlosen Sleipner auf den Himmel verwies, wo seine Liebe eine reiche Belohnung finden w�rde, und ihren Sohn an ihr Herz dr�ckte. Da, sage ich, denn also habe ich es mehrmals erz�hlen h�ren, erkl�rte sie, da� sie sich zu krank und hinf�llig f�hle, um der Regierung l�nger vorzustehen, und weil sie jetzt aufh�re zu herrschen, und gleichsam aus der Welt gehe, so w�re es ihr sehnlicher Wunsch und ihre letzte Bitte, da� die alte heilige Sitte des Totengerichts nicht bis zu ihrem wirklichen leiblichen Tode ausgesetzt bleibe, sondern da� ein jeglicher jetzo gleich, w�hrend sie sich in ihrem Sarge ausstrecke, vor�bergehe und seine Meinung nach geleistetem Eide, wahr und unverhohlen �ber sie ausspreche. So hatte sie sich erkl�rt, und da keine Bitten, keine Tr�nen ihr diesen Entschlu� auszureden vermochten, so schritt man also gleich zur Eidesleistung. Die K�nigin legte sich unter unz�hligen Tr�nen in ihren Sarg und ein jeglicher trat seiner W�rde gem��, wie er pflegte, vor sie hin und lie� sein wohl�berdachtes Urteil,[554] also, da� sie es deutlich vernehmen konnte, in das k�nigliche Buch eintragen. O welch ein seliger Tag f�r die Reine! wie leicht war der Tadel gegen die Vorw�rfe, die sie sich selbst gar oft soll gemacht haben. Der Priester, der mir das Ausf�hrlichste dar�ber mitteilte, las mir, wie ihr dabei geschehen und wie selig sie w�hrend des Totengerichts verstorben sei, wie folget, aus einer alten Pergamentrolle vor, woraus ich es sogleich in unsre deutsche Muttersprache zu �bersetzen wagte, wobei mir aber zuweilen copia verborum gefehlet hat, weswegen ich es nochmals von Magister Uhsen wieder �bersehen und sehr verbessern lassen: ›Sie versank w�hrend des Totengerichts in ein freudiges Anschauen. Aus dem Nebel, der das herrliche Land, das sie geschaffen, bisher noch gedeckt hatte, traten ihr erst die nahen seligen G�rten hervor, darinnen die gl�cklichen Kinder ihres umgetriebnen Volkes wieder ruhig spielten; darinnen die Brunnen sprangen, wo sonst die Krokodile im d�rren Sande sich gesonnt hatten; darinnen rote und blaue V�gel sangen, wo sonst die Schlangen gezischt hatten. Weiterhin erschien ihr die gr�ne Wiese voll Blumen und die L�mmer mit ihren Glocken bewegten sich langsam klingend zwischen den Halmen, wo sonst der Tod unter dem grundlosen Moraste auf alles Lebende lauerte. Dann aber str�mte der Flu�, der Flu� aller Fl�sse vor�ber, das unschuldige Metall der Oberwelt gl�nzend poliert, wie ein Schwert; von den Rudern der Schiffer flei�ig geh�mmert, wo sonst nur der Fisch in seichter Fl�che zu schwimmen wagte. Aber das Herrlichste lag dr�ben, und jenseits und wie sie in tiefer Seele an dem Gedanken sich entz�ckte, ihrem geliebten Volke in unabl�ssigem Bem�hen alle einzelnen Steine zu den Pal�sten k�nftiger Macht behauen zu haben, da gl�nzten ihr dr�ben schon die Schl�sser und Kirchen k�nftiger Herrlichkeit im aufgehenden Lichte. Sie n�herte sich verwundert dem Strome und sah nur nach dr�ben, wo sich die geahndete Erf�llung in sichrer Wirklichkeit zeigte und so st�rzte sie in den Strom und ward von ihm hin�ber gef�hrt und war dr�ben‹ – mit diesem Bilde suchte ein frommer Zeuge ihres Todes die Seligkeit ihres sterbenden Angesichtes auszudr�cken und zu erkl�ren.�

Liebreiche Isabella! wir haben Dich schuldlos erfunden im kleinen Kreise Deiner Jugendliebe, warum sollten wir zweifeln an den Erz�hlungen[555] der Reisenden, da� Du auch auf der H�he eines Thrones, im �berblick einer Welt, Dir selbst treu geblieben bist: denn was ist diese Welt gegen diese Treue, die unwandelbar bleibt, wo sie einmal bew�hrt ist. Deine Liebe ist nicht untergegangen in ihrer Verschm�hung, der eine sollte sie nicht begreifen, nicht w�rdigen, nicht bewahren, da� sie �bergehe zu einem Volke, welches in Deiner Liebe sich befreite. Kein Leiden, keine Reue, kein Zweifel wird Deinen Blick zur�ckgewendet haben zu dem, den Du verlassen, weil er Dich aufgegeben hatte; was in reiner Seele die Begeisterung eines Augenblickes tut, bleibt ihr notwendiges Gesetz in Ewigkeit. Reines Bild des jugendlichen Lebens, wir blicken zu Dir und flehen, reinige uns von eingebildeten Leiden der Liebe und von angebildeten S�nden der Zeit; das Totengericht der Menschen soll uns nicht schrecken, aber wer scheut nicht die Totenrichter in sich selbst, die unerbittliche Strenge der Gedanken, die sich nicht t�uschen lassen, wo wir andern gen�gen, aber nicht der eignen Kraft; heilige Isabella, wehe Himmelsluft auf meine hei�e Stirne, wenn ich Gericht halte �ber mich selbst! – Am Himmel steht ein drohender Komet und gl�het den Herbst zum Sommer, wozu wird er den Fr�hling entbrennen? Sei getrost liebe Seele, sei getrost du Welt, dir ist viel vom Herren verhei�en.


Mit diesem Gebete aus der Eingebung des Kometen, der an dem Tage sich der h�chsten N�he zur Erde freute und im Rheine zu uns, in allen Wasserspiegeln der Erde, zu den unz�hligen Bewohnern derselben, seinen Blick und seinen Einflu� verdoppelte, schlo� ich die Erz�hlung von einer besondern Sternenjunktur zwischen Mars und Venus. Wie nat�rlich war die Frage: Wenn jene Konjunktur den alten Adrian in solches Staunen setzte, warum sollten wir nicht der Bedeutung des Kometen nachforschen? Da trug jeder seine Sorge und seine Hoffnung hinein. Der Schiffer bedauerte seine nahe sch�ne Traubenlese, da� die Welt den Wein davon nicht mehr erleben m�chte. �Mi�wachs und Krieg gibt's�, sagte jener. �Wo mag der Held geboren werden, den jedes Herz ahndet, auf den dieser Stern deutet�, sagte eine fromme Frau. In den Frauen[556] ruht der Zukunft Heldentum, dachte ich und es zuckte mir �ber dem Haar, und mein Pegasus fing wieder an zu traben, wie er bei den Trauben st�tisch geworden und stehen geblieben war, ich mu�te sprechen:


Wo gro�e Zeichen hin zur Zukunft deuten,

Da wollen wir nicht stets nach M�nnern schauen,

Es �ndern sich auch einmal wohl die Zeiten:

Vielleicht beginnt nun bald die Zeit der Frauen!

Von ihnen lasset euer Herz bereiten,

Es kann ein Ku� das ganze Herz erbauen:

Zwei Frauen r�hm ich heut geneigten Ohren,

Hat der Komet noch gr��ere geboren?

Vielleicht, – Gl�ck zu, – die Zukunft wird sie preisen,

Ich bin kein heil'ger K�nig, bin kein Hirte,

Kann nicht zur Wiege k�nft'ger Gr��e reisen,

Und wenn die Gegenwart mich oft verwirrte,

Ich kann den Weg vergangner Gr��e weisen;

Wo sie zum Ziele drang und wo sie irrte:

Wenn Bella sich erhebt wie der Komete,

So sinket Mel�cks Stern als Hausprophete.


Die Fragen nach diesem neuen Namen Mel�ck hielten meinen Pegasus beim Z�gel. Da unsre Jacht noch zwei Stunden heimzuschwimmen hatte, so gab ich dem Wunsche gern nach, f�r den Rest versteckter Trauben, noch diese Zwillingsschwester meiner ersten Erz�hlung aufzutischen.

1

Der Fluch war etwas lang, aber er geh�rte ausf�hrlich hieher, wenn sich etwa ein solcher Bedienter oder ein solcher Soldat mit falschen Zeugnissen versehen, irgendwo melden sollte, ein jeder kann ihn leicht aus der zweierlei einander widersprechenden Rede erkennen und meiden.

2

O Ihr kunstschwatzenden Menschen, die Ihr in alles sinnige Treiben unserer eigent�mlichen Natur mit ewig leerem Widerhall von griechischer Bildung hineinschreit, Euch mu� ich, der Erz�hler, hier anreden! Ihr d�nkt Euch wohl hoch �ber die Arbeit des Alrauns erhaben, aber ich schw�re Euch Eure leeren Augen, mit denen Ihr vor den alten G�tterbildern steht, Euer leeres Herz, das sich in tausend abgelebten Worten dar�ber ausl��t, sieht in den herrlichsten Sch�pfungen des Altertums viel weniger, als der arme Kleine in seiner halbgebildeten Masse; denn was sie ist, das wurde sie durch ihn, und wie er bis dahin gelangt, so wird er weiter dringen. Von Euch ist aber nichts �bergegangen zu den G�ttern und von den G�ttern nichts zu Euch. Euch sind die kunstlebendigen G�tterbilder Golems, und l�sche ich Euch die Worte aus, so sind sie Euch in nichts zerfallen. Leugnet Ihr das? Auf, so schafft etwas Eigenes, das Ihr zu jenen stellen k�nnt, ohne da� Ihr selbst dar�ber lacht – aber Eure H�nde sind stets arm an Werken und Euer Mund voll von Worten.

Quelle:
Achim von Arnim: S�mtliche Romane und Erz�hlungen. Bde. 1–3, Band 2, M�nchen 1962–1965, S. 452-557.
Erstdruck:
Berlin (Realschulbuchhandlung) 1812.
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Geschichten aus dem Biedermeier II. Sieben Erz�hlungen

Geschichten aus dem Biedermeier II. Sieben Erzählungen

Biedermeier - das klingt in heutigen Ohren nach langweiligem Spie�ertum, nach geschmacklosen rosa Teet�sschen in Wohnzimmern, die aussehen wie Puppenstuben und in denen es irgendwie nach �Omma� riecht. Zu Recht. Aber nicht nur. Biedermeier ist auch die Zeit einer zarten Literatur der Flucht ins Idyll, des R�ckzuges ins private Gl�ck und der Tugenden. Die Menschen im Europa nach Napoleon hatten die Nase voll von gro�en neuen Ideen, das aufstrebende B�rgertum forderte und entwickelte eine eigene Kunst und Kultur f�r sich, die unabh�ngig von feudaler Gro�mannssucht bestehen sollte. Michael Holzinger hat f�r den zweiten Band sieben weitere Meistererz�hlungen ausgew�hlt.

432 Seiten, 19.80 Euro

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