
Spezielle Altersrente. Wer einen Grad der Behinderung von mindestens 50 nachweisen kann, darf früher aus dem Berufsleben ausscheiden. © Getty Images / Portra
Menschen mit Schwerbehinderung können früher in Rente gehen. Wir zeigen, ab wann und unter welchen Voraussetzungen – und wie sich die frühe Rente finanziell auswirkt.
Sie sind alles andere als eine Randgruppe: Fast acht Millionen Menschen mit schwerer Behinderung leben in Deutschland. Darauf weist das Statistische Bundesamt hin. Bezogen auf die Gesamtbevölkerung waren 9,3 Prozent der Menschen Ende 2023 schwerbehindert.
Erwerbstätig sind von ihnen aktuell gut 1,1 Millionen, so die Bundesagentur für Arbeit. Sie können später eine besondere Rente beziehen: die Altersrente für Menschen mit Schwerbehinderung. Sie ermöglicht es, sich deutlich vor der allgemeinen Regelaltersgrenze zur Ruhe zu setzen. Nutzen können das Versicherte, wenn sie
- die entsprechende Altersgrenze erreicht haben,
- bei Rentenbeginn einen Grad der Behinderung von mindestens 50 nachweisen und
- auf insgesamt 35 Versicherungsjahre kommen.
Bis zu fünf Jahre früher in Rente
Die Altersrente für Schwerbehinderte ermöglicht es Versicherten, zwei Jahre früher in Rente zu gehen, ohne dass dabei Rentenabzüge – die sogenannten Abschläge – anfallen. Nehmen Schwerbehinderte Abschläge in Kauf, können sie bis zu fünf Jahre vor der allgemeinen Regelaltersgrenze ihre Altersrente beziehen.
Beispiel: Renteneintritt mit und ohne Abschlag
Ohne Abschläge. Ein Versicherter ist am 10. Januar 1964 geboren und erreicht im Alter von 60 Jahren 35 Versicherungsjahre. Die allgemeine Altersgrenze liegt für ihn bei 67 Jahren. Da er schwerbehindert ist, kann er zwei Jahre früher abschlagsfrei die Altersrente beziehen – mit 65 Jahren. Seine abschlagsfreie Rente startet im Februar 2029.
Mit Abschlägen. Der Versicherte kann bis zu weitere drei Jahre früher seine Rente erhalten, wenn er Abschläge bei der Rente in Kauf nimmt. Sein frühester Rentenstart ist mit 62 Jahren. Seine Rentenzahlung beginnt im Februar 2026.
Während die Grenze für die allgemeine Altersrente stufenweise von 65 Jahren auf 67 Jahre ansteigt, erhöht sich das reguläre Renteneintrittsalter bei der Altersrente für Schwerbehinderte von 63 Jahren auf 65 Jahre (siehe Tabelle unten). Bei einem regulären Renteneintrittsalter fallen keine Abschläge an.
Schwerbehinderte Versicherte des Jahrgangs 1964 werden die Ersten sein, die erst mit 65 Jahren ihre Altersrente abschlagsfrei beziehen können. Wer noch bis zu drei weitere Jahre früher geht, muss mit kräftigen Rentenabzügen rechnen.
Altersrente für Menschen mit Schwerbehinderung
So erhöht sich der reguläre Rentenstart ohne Abschläge für Menschen mit Schwerbehinderung:
Jahrgang |
Alter (Jahre plus Monate) |
Rentenstart zwischen (Monat/Jahr) |
1960 |
64 + 4 |
05/2024–05/2025 |
1961 |
64 + 6 |
07/2025–07/2026 |
1962 |
64 + 8 |
09/2026–09/2027 |
1963 |
64 + 10 |
11/2027–11/2028 |
Ab 1964 |
65 |
Ab 1/2029; immer nach Vollendung des |
Tipp: Unser Renteneintrittsrechner zeigt Ihnen, wann Sie genau in Rente gehen können und wie hoch Ihre Abschläge ausfallen.
Grad der Behinderung von mindestens 50
Als schwerbehindert gelten Menschen, die einen Grad der Behinderung von mindestens 50 haben und zudem einen gültigen Ausweis, der das bestätigt. Ohne diesen können sie die frühere Altersrente nicht beanspruchen. Zuständig für das Zuerkennen und Aushändigen der Ausweise sind in der Regel die Versorgungsämter.
Der Grad der Behinderung – kurz GdB – ist ein Maß, wie stark sich eine gesundheitliche Beeinträchtigung körperlich, geistig oder seelisch im Alltag auswirkt. Er kann zwischen 20 und 100 liegen und wird in Zehnerschritten gestaffelt. Mehr zum GdB und welch wichtige Rolle er beim frühen Renteneintritt spielt, erfahren Sie in unserem Interview mit Daniel Overdiek, Leiter der Rechtsabteilung Bayern beim gemeinnützigen Sozialverband VdK.
35 Versicherungsjahre sind ein Muss
Neben dem Grad der Behinderung gibt es noch eine zweite Voraussetzung, die Versicherte erfüllen müssen, um Anspruch auf die Altersrente für Schwerbehinderte zu haben. Sie müssen mindestens 35 Jahre rentenversichert gewesen sein.
Das hört sich nach einer langen Zeit an, verliert aber seinen Schrecken ein wenig, wenn man sieht, dass nicht nur Zeiten aus sozialversicherungspflichtiger Beschäftigung dazu gehören, sondern auch viele andere Zeiten. Deshalb seien die 35 Jahre auch für viele Menschen mit Schwerbehinderung erreichbar, sagt Overdiek.
Diese Zeiten zählen
Für die Altersrente für Menschen mit Schwerbehinderung zählen Zeiten, in denen sie
- sozialversicherungspflichtig beschäftigt waren,
- selbstständig sozialversicherungspflichtig tätig waren, etwa als Handwerker, Lehrer oder Musiker,
- ab dem 17. Lebensjahr zur Schule gegangen sind oder studiert haben (insgesamt acht Jahre),
- Kinder erzogen haben (bis zum zehnten Geburtstag des jüngsten Kindes),
- freiwillig Beiträge an die Rentenkasse gezahlt haben,
- Angehörige gepflegt haben,
- Krankengeld, Arbeitslosengeld 1 oder Übergangsgeld bezogen haben,
- im Zeitraum von Januar 2005 bis Dezember 2010 Arbeitslosengeld 2 bezogen haben,
- in der DDR politisch verfolgt wurden,
- Zeiten, die ihnen nach einer Scheidung im Rahmen des Versorgungsausgleichs aufs Konto übertragen wurden.
Arbeit in Werkstätten für Menschen mit Behinderung
Knapp 91 Prozent der schweren Behinderungen werden nach Angaben des Statistischen Bundesamt durch eine Krankheit verursacht, rund 3 Prozent der Behinderungen sind angeboren oder treten im ersten Lebensjahr auf. Nur 1 Prozent sind auf einen Unfall oder eine Berufskrankheit zurückzuführen.
Die meisten der schwerbehinderten Menschen – 58 Prozent – haben eine körperliche Behinderung, geistige oder seelische Behinderungen liegen insgesamt bei 15 Prozent.
Menschen, die seit Geburt schwerbehindert sind oder es früh im Leben werden, arbeiten teils in speziellen Werkstätten. Über 310 000 Menschen, die nicht oder noch nicht auf dem ersten Arbeitsmarkt arbeiten können, sind laut der Bundesarbeitsgemeinschaft „Werkstätten für behinderte Menschen“ so beschäftigt.
Für sie gelten die gleichen Voraussetzungen für einen Anspruch auf Altersrente, sie können aber vorher bereits eine Erwerbsminderungsrente beziehen. Sind 20 Jahre lang Beiträge an die gesetzliche Rentenversicherung gezahlt worden, haben sie in den meisten Fällen einen Rentenanspruch wegen voller Erwerbsminderung. Sie können eine volle Erwerbsminderungsrente erhalten, auch wenn sie weiterhin in einer Werkstatt arbeiten.
Die Erwerbsminderungsrente wandelt die gesetzliche Rentenversicherung in der Regel später automatisch in eine Altersrente um, wenn die Beschäftigten die entsprechende Altersgrenze erreicht haben.
Die gesetzlichen Rentenbeiträge für Werkstattbeschäftigte, die meist sehr wenig verdienen, übernimmt der Staat zusammen mit dem Träger der Werkstatt.
Tipp: Wollen Sie konkrete Auskünfte über Ihre Ansprüche und die Höhe einer eventuellen Erwerbsminderungsrente oder späteren Altersrente, können Sie einen persönlichen Beratungstermin bei der Deutschen Rentenversicherung vereinbaren
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Nutzerkommentare können sich auf einen früheren Stand oder einen älteren Test beziehen.
@Schrenk: Vielen Dank für Ihre Nachfrage, die wir gern als Anregung für eine ergänzende Berichterstattung entgegennehmen. Die rentenrechtlichen Besonderheiten von Menschen, die in Werkstätten für behinderte Menschen ihren Lohn beziehen, hat der Artikel nicht berücksichtigt.
Leider haben Sie die Konditionen für eine Rente für Menschen in WfbM vergessen. Sind das die gleichen wie die von Ihnen aufgeführten?
Vielen Dank für Ihre Antwort
@alle: Vermuten Sie einen Fehler im Rentenbescheid, dann haben Sie nur einen Monat nach Erhalt des Bescheides Zeit, um einen Widerspruch gegen den Rentenbescheid einzulegen. Dafür genügt ein formloses Schreiben.
Bei der Überprüfung des Rentenbescheides können Sie sich von Rentenexperten unterstützen lassen. Diese finden Sie über den Bundesverband der Rentenberater oder einen Sozialverband:
www.rentenberater.de (gegen Honorar)
www.sovd.org (Mitgliedschaft erforderlich)
www.vdk.de (Mitgliedschaft erforderlich)
Ich bin am 28.02.1957 geboren und am 01.03.2019 startete meine Rente als Schwerbehinderte mit 60%. Mir wurden für 25 Monate Rentenpunkte abgezogen.
Ich denke, das hier ein Berechnungsfehler vorliegt und man mir zuviel abgezogen hat. Wer kann mir bei diesem Problem helfen?
@Fischiman: Eine Teilaltersrente ist auch mit einer Schwerbehinderung möglich, wenn die Voraussetzungen gegeben sind. Einschränkungen gibt es beim Hinzuverdienst lediglich beim Bezug einer Erwerbsminderungsrente. Bitte lassen Sie sich vorab bei der Rentenversicherung beraten. www.deutsche-rentenversicherung.de/DRV/DE/Muttertexte/service/beratung/beratungsstellen_in_ihrer_naehe.html